Große Kirche (Leer)

Große Kirche (Leer)
Die Große Kirche in Leer

Die Große Kirche in Leer ist die Hauptkirche der Evangelisch-reformierten Kirche (Landeskirche). Außerdem ist sie das größte Kirchengebäude der Umgebung, und mit dem historischen Rathaus von 1907 einer der Hauptanziehungspunkte für zahlreiche Touristen.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

1805 angebauter Glockenturm

Die älteste Steinkirche Leers wurde um 1200 am Westerende in der Nähe des Plytenbergs gebaut und erhielt zu Ehren des Friesenmissionars Liudger den Namen St.-Liudgeri-Kirche.[1] Die Propsteikirche unterstand im Mittelalter dem Bistum Münster. Im Zuge der Reformation wandte sich die Kirchengemeinde im Jahr 1525 unter dem Theologen Lübbert Cantz dem reformierten Bekenntnis zu. Ab etwa 1650 wurde diese Kirche zunehmend baufällig und es mussten immer mehr Instandhaltungsarbeiten verrichtet werden. Zudem hatte sich der Flecken Leer in Richtung Hafen und Leda verlagert, so dass die Kirche an die Peripherie der Gemeinde geriet. Während eines Orkans im Jahre 1777 verließen Pastor und Gottesdienstbesucher fluchtartig das Gebäude, weil sie einen Einsturz befürchteten.[2] Zwar wurde die Kirche weiterhin benutzt, jedoch blieben immer mehr Gemeindeglieder dieser Kirche fern.

Nach Auseinandersetzungen über einen geeigneten Neubau an zentraler Stelle weiter östlich in Richtung Hafen wurden ab 1783 Sammlungen durchgeführt und Entwurfsskizzen angefertigt. Gegen den Rat des Presbyteriums beschloss eine Gemeindeversammlung im Jahre 1783 diese Sammlungen in den reformierten Gemeinden Ostfrieslands und den Groninger Gemeinden zu intensivieren. Die Pastoren wurden initiativ und erwarben ein Grundstück eines Lederfabrikanten für 450 Pistolen Gold.[3] Auf Druck der Kirchenbehörde stimmte der Kirchenrat am 1. Juni 1785 dem Bau zu. Der Zimmermannmeister Isaak Wortmann aus Leer erhielt den Bauauftrag. Am 16. September 1785 erfolgte die Grundsteinlegung und nach 22 Monaten die Fertigstellung des Baus sowie die Abnahme durch die Aufsichtsbehörde. Die neue Kirche wurde am 15. Juli 1787 durch den ersten Pastoren und Konsistorialrat Johann Eilshemius eingeweiht, der zugleich das Amt des reformierten Oberinspektors innehatte.[4] Bereits vor Vollendung des Neubaus wurde der Abbruch der alten Liudgerikirche beschlossen. Sie wurde nur bis zur Höhe des Fußbodens abgetragen, um die Totenruhe der in der Krypta Bestatteten zu wahren. Am 6. Juni 1787 wurde im Rahmen einer Verkaufsveranstaltung in der neuen Kirche die alte Kirche in vierundzwanzig Einzellosen auktioniert. Die Große Kirche wurde im Jahr 1805 um einen großen prachtvollen Kirchturm erweitert.[5] Die Krypta der alten Kirche wurde versiegelt und ist bis heute erhalten.

Baubeschreibung

Wortmann entwarf einen repräsentativen Sakralbau im Stil des Barock. Der achteckige Grundriss in Form eines griechischen Doppelkreuzes spiegelt die reformierte Theologie wider, derzufolge die Verkündigung des Wortes Gottes den Mittelpunkt der Kirche bildet. Vorbilder für diese Art des protestantischen Zentralbaus waren die Neue Kirche in Emden und die Noorderkerk in Amsterdam.[6] Das Dach der Kirche wird von vier freistehenden Säulen getragen. Der Raum zwischen den Kreuzarmen wird durch Annexanbauten gefüllt, deren zum Kircheninneren geöffnete Rundbogen einen Rundgang durch die umlaufenden Emporen ermöglichen. Während die Annexräume jeweils durch ein großes rundbogiges Fenster Licht erhalten, sind die Kreuzarme mit jeweils einem rundbogigen Doppelfenster versehen, über denen ein Ochsenauge angebracht ist. Von den vier ursprünglichen Eingangstüren wurden die Zugänge im Südwesten und Südosten später vermauert.[3] Der Glockenturm besteht aus einem quadratischen Untergeschoss, auf dem zwei sich verjüngende achteckige Geschosse ruhen, die in einer offenen Laterne ausmünden.[5] Die Windfahne in Gestalt eines dreimastigen Segelschiffs, dem „Schepken Christi“, ist das Symbol der reformierten Kirche.[2]

Innenausstattung

Von der Auktion der alten Liudgerikirche im Jahr 1787 blieben die Einrichtungsgegenstände ausdrücklich ausgenommen; sie wurden in die neue Kirche übernommen. Die schlichte Ausstattung entspricht ganz der reformierten Tradition, die auf Kreuz und Altar verzichtet. Der Innenraum wird von flachen Holztonnengewölben abgeschlossen. Ältester Einrichtungsgegenstand ist das romanische Taufbecken (um 1200), das wahrscheinlich aus dem Vorgängerbau stammt. Aber auch Kanzel und Orgel sind wesentlich älter als der Barockbau. Die Renaissance-Kanzel aus dem Jahr 1609 stammt von Andreas Kistemaker und wurde in der Erbauungszeit der Kirche um den Treppenaufgang und den mächtigen Schalldeckel erweitert. Der Abendmahlstisch mit Rokoko-Ornamenten und die vier Kronleuchter datieren ebenfalls aus dem Jahr 1787.[5] Die Emporen führen umläufig um den gesamten Raum. Die Orgel der Großen Kirche ist im Laufe von vierhundert Jahren immer erweitert worden, wobei der älteste Pfeifenbestand auf das 16. Jahrhundert zurückgeht. Graf Enno III. vermachte 1609 der Reformierten Kirchengemeinde in Leer die Orgel aus dem Kloster Thedinga, die in demselben Jahr von Marten de Mare in der Kirche im Stil der Renaissance aufgebaut wurde. Erweiterungs- und Umbauten erfolgten 1763–66 durch Albertus Antonius Hinsz, 1845–50 durch Wilhelm Caspar Joseph Höffgen und 1953–55 durch Paul Ott. Heute verfügt die Orgel über 37 Register auf drei Manualen und Pedal. Von Ott stammt auch die äußere Anlage mit zwei Rückpositiven. Nach der wissenschaftlichen Untersuchung von Orgelbaumeister Jürgen Ahrend und Landeskirchenmusikdirektor Winfried Dahlke im Rahmen eines Forschungsprojekts des Organeums in den Jahren 2006 bis 2008 wird derzeit ein Plan für eine grundlegende Restaurierung erarbeitet.[7]

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Große Kirche Leer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3, S. 125f.
  2. a b Homepage der Kirchengemeinde: Geschichtliches, gesehen 26. Mai 2011.
  3. a b Genealogie-Forum: Die ev.-ref. Kirche Leer, gesehen 26. Mai 2011.
  4. Menno Smid: Ostfriesische Kirchengeschichte. Selbstverlag, Pewsum 1974, S. 413 (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 6).
  5. a b c Gottfried Kiesow: Architekturführer Ostfriesland. Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2010, ISBN 978-3-86795-021-3, S. 138.
  6. Kirchbauverein Leer, gesehen 26. Mai 2011.
  7. Jürgen Ahrend, Winfried Dahlke: Dokumentation der Orgel der Evangelisch-Reformierten Großen Kirche zu Leer. Print-on-Demand, ohne Ort [Stade] ohne Jahr [2008].
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