Gustav Sorge

Gustav Sorge

Gustav Hermann Sorge (* 24. April 1911 in Roniken, Schlesien; † 1978) war ein deutscher SS-Hauptscharführer und Kriegsverbrecher.

Inhaltsverzeichnis

Jugend, Schwarze Reichswehr und NSDAP

Als Sohn eines Landarbeiters erlernte er den Beruf des Schmieds. Nach abgeschlossener Ausbildung wurde er in die Arbeitslosigkeit entlassen. Seine ersten politischen Erfahrungen sammelte er als Angehöriger der Schwarzen Reichswehr. Dabei wurde er von seinem Onkel Hermann Weber beeinflusst, der ebenfalls Mitglied der Schwarzen Reichswehr war. Im Jahre 1931 trat er der NSDAP und SS bei. Während gewalttätiger Auseinandersetzungen mit Gegnern der NSDAP im Raum Osnabrück, erwarb er sich den Spitznamen "Eiserner Gustav".

Tätigkeit in Konzentrationslagern

Ab Anfang Oktober 1934 war er Angehöriger mit dem Dienstgrad eines SS-Unterscharführers bei der Wachmannschaft des KZ Esterwegen. Eine weitere Ausbildung im Rahmen der SS erhielt er ab April 1936 auf der Ordensburg Vogelsang und der Führerschule der Sicherheitspolizei in Charlottenburg. Im September 1936 wurde er als Wirtschaftsführer zum SS-Verwaltungshauptamt für den Aufgabenbereich der Bewirtschaftung von Bekleidung versetzt.

Im Rahmen der Besetzung Österreichs nahm er im März 1938 teil. Danach wurde er im Juni 1938 in das KZ Sachsenhausen als Blockführer eingesetzt. Durch seinen brutalen Einsatz gegenüber den Häftlingen wurde er bald zum Stellvertreter des Rapportführers und des Arbeitsdienstleiters befördert. In dieser Stellung verübte er zahlreiche Morde und Misshandlungen an Häftlingen und sowjetischen Soldaten. Im September 1939 erfolgte seine Beförderung zum SS-Oberscharführer und ab Oktober 1941 fungierte er bereits als Rapport- und Arbeitsdienstführer in Personalunion. Als Lagerführer war er von Ende Juni 1942 bis Ende Oktober 1942 in dem KZ Außenlager Lichterfelde in Berlin-Lichterfelde des KZ Sachsenhausen tätig. Nach seiner Ablösung als Lagerführer wurde Sorge ab November 1942 beim Zentralarbeitseinsatz in Oranienburg eingesetzt.

Anfang 1943 organisierte er kurzzeitig im neu errichteten KZ Herzogenbusch den Arbeitseinsatz. Nach seiner Rückkehr nach Oranienburg erhielt er im Zuge von Untersuchungen bezüglich von Mißständen in Konzentrationslagern eine dreimonatige Haftstrafe. Im Sommer 1943 wurde Sorge nach Lettland zum Höheren SS- und Polizeiführer Ostland versetzt und war kurzzeitig im Einsatz gegen Partisanen tätig. Ab Dezember 1943 fungierte er als Lagerleiter der Arbeitslagers Riga-Spilve und Heereskraftfahrzeugpark Ostland in Riga. Ab Ende Januar 1944 war er als Lagerleiter des Arbeitslagers Dondangen eingesetzt. Er leitete dort später auch die Evakuierung des Lagers im Zuge der näherrückenden Ostfront und organisierte die Häftlingstransporte in das KZ Stutthof. Ab November 1944 war er wieder im KZ Sachsenhausen eingesetzt und stellte die SS-Eisenbahnbaubrigade 12 aus Häftlingen auf. Diese wurde zur Reparaturarbeiten nach Bombenangriffen eingesetzt. Nach einer Verletzung durch einen Luftangriff folgten diverse Lazarettaufenthalte, bis er in Regensburg am 28. April 1945 durch die US-Army in einem Lazarett in Regensburg verhaftet wurde.

Nach Kriegsende

Nach Aufenthalten in Internierungslagern gelang ihm im Spätsommer 1945 die Flucht. Nachdem er in Osnabrück seine Familie wiedergefunden hatte, verzog er mit dieser nach Flamersheim und war in der Landwirtschaft tätig. Sorge wurde am 24. März 1946 durch die britische Militärpolizei verhaftet und anschließend an die sowjetische Militärpolizei übergeben.

Im Sachsenhausen-Prozess, der vom 23. Oktober bis zum 1. November 1947 stattfand, wurde er angeklagt, Verbrechen gemäß dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 begangen zu haben. Sorge wurde mit weiteren Beschuldigten, so August Höhn, Kurt Eccarius, Wilhelm Schubert, Fritz Ficker angeklagt, im Herbst 1941 mehr als 18.000 sowjetische Gefangene im KZ Sachsenhausen getötet zu haben.

Weiterhin gestand Sorge, dass er von Dezember bis Mai 1942 an der Erschießung von 25 Häftlingen beteiligt war. Sorge gab zu, aus den nichtigsten Anlässen Häftlinge schwer geprügelt zu haben:

„Ich habe persönlich jeden Tag Häftlinge geprügelt und benutzte dabei nicht nur Hände und Füße, sondern auch Stöcke, Bretter, jeden beliebigen schweren Gegenstand. Ich verteilte Schläge aus jedem beliebigen Grund und auch ohne jeglichen Grund: für Husten und für Sprechen im Glied, für ein nicht genügend munteres Aussehen, für das Aufheben eines Stummels am Wege, für Rauchen während der Arbeitszeit oder einfach dafür, weil mir das Gesicht des Häftlings zu ernst erschien.“

In der Anklageformel wurde festgestellt, dass sich Sorge zu den vorgeworfenen Verbrechen bekannt hatte. Auch in der Voruntersuchung und während der Verhandlung im Prozess gestand Sorge alle Beschuldigungen ein. Der Verteidiger von Sorge, der Anwalt N. P. Below, brachte zur Entlastung von Sorge vor, dass dieser nur bis Juni 1942 im KZ Sachsenhausen tätig war und nicht mehr ins Straflager zurückkehrte. Sorge wäre durch das falsche Vorbild seiner Vorgesetzten und der Reichsverwaltung zu diesen Verbrechen gekommen. Im Urteil vom 30. Oktober 1947 wurde Sorge zu lebenslänglicher Haft mit der Pflicht zur Zwangsarbeit verurteilt.

Haft im Straflager Workuta und Verurteilung in Bonn

Er wurde in das Straflager von Workuta verbracht. Im Zuge der Freilassung deutscher Kriegsgefangener wurde er als Nichtamnestierter am 14. Januar 1956 in die Bundesrepublik Deutschland entlassen. Im folgenden Monat erfolgte am 7. Februar 1956 seine Verhaftung. Im Prozess vor dem Schwurgericht in Bonn vom 13. Oktober 1958 bis zum 6. Februar 1959 wurde ihm der persönlich ausgeführte Mord an 67 Häftlingen vorgeworfen. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, unter anderem für den Mord an Professor Leon Sternbach. Im Jahre 1978 verstarb Gustav Sorge in der Gefängnishaft.

Literatur

  • Ralph Giordano: Narben - Spuren - Zeugen. 15 Jahre Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland, Verl. der Allg.Wochenzeitung d. Juden Düsseldorf, 1961
  • Fritz Sigl: Todeslager Sachsenhausen. Ein Dokumentarbericht vom Sachsenhausen-Prozeß, SWA, Berlin, 1948
  • Jochen August (Hrsg.): Sonderaktion Krakau. Die Verhaftung der Krakauer Wissenschaftler am 6. November 1939, Hamburger Edition, Hamburg 1997. ISBN 3-930908-28-X
  • Arnold Weiss-Rüthel: Nacht und Nebel. 1. & 2. Aufl. mit Untertitel Aufzeichnungen aus fünf Jahren Schutzhaft. (157 S.) Kluger, München 1946; weitere Aufl. mit Untertitel Ein Sachsenhausen-Buch (195 S.) VVN, Potsdam, 1949, Seite 96 ff.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945. Fischer TB, Frankfurt 2007. ISBN 978-3-596-16048-8

Weblinks


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