SS-Baubrigade

SS-Baubrigade

Die insgesamt fünf SS-Baubrigaden waren mobile KZ-Häftlingskommandos zur Zeit des Nationalsozialismus, die während des Zweiten Weltkrieges ab Herbst 1942 im Wesentlichen nach alliierten Bombenangriffen zu Bau- und Aufräumarbeiten sowie zur Bergung von Leichen in zerstörten deutschen Städten eingesetzt wurden. Neben den SS-Baubrigaden wurden ab Herbst 1944 noch acht SS-Eisenbahnbaubrigaden mit jeweils etwa 500 KZ-Häftlingen gebildet (KZ auf Schienen), die in Eisenbahnzügen untergebracht waren und vorwiegend beim Gleisbau eingesetzt wurden. Bei den SS-Baubrigaden und den SS-Eisenbahnbaubrigaden waren insgesamt etwa 20.000 Häftlinge eingesetzt. Die Todesrate in den einzelnen SS-Baubrigaden war sehr unterschiedlich und betrug von einigen wenigen Menschen bis zu einem Drittel der Häftlingszahl. Mit Aufstellung der SS-Bau- beziehungsweise Eisenbahnbaubrigaden wurde das Konzentrationslagersystem nicht nur erheblich ausgeweitet sondern Häftlinge erstmals auch massenhaft im öffentlichen Raum eingesetzt.[1]

Die SS-Baubrigaden und SS-Eisenbahnbaubrigaden unterstanden dem Amtsleiter der Amtsgruppe C im SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (SS-WVHA) Hans Kammler, der die Aufstellung von mobilen Häftlingsarbeitskommandos auch angeregt hatte. Der Einsatz dieser Baubrigaden erfolgte in enger Abstimmung mit Rüstungsminister Albert Speer. Kammler delegierte die Leitung der SS-Bau- und Eisenbahnbrigaden an Gerhard Weigel, der im Oktober 1944 zum Inspekteur sämtlicher SS-Baubrigaden ernannt wurde. Ab Anfang Januar 1945 waren alle SS-Baubrigaden beziehungsweise SS-Eisenbahnbaubrigaden organisatorisch dem KZ Sachsenhausen angegliedert.[2]

Inhaltsverzeichnis

SS-Baubrigade I

Im Oktober 1942 wurde im KZ Sachsenhausen die SS-Baubrigade I aus 1.000 KZ-Häftlingen aufgestellt. Von den 1.000 KZ-Häftlingen mussten 600 Häftlinge in Düsseldorf und 400 in Duisburg im Auftrag der jeweiligen Stadtverwaltung Trümmer beseitigen.[3]

Anfang März 1943 wurden die 1000 Häftlinge der SS-Baubrigade I in das Lager Sylt auf der Kanalinsel Alderney überstellt. Dort mussten die nun dem KZ Neuengamme unterstellten Häftlinge im Auftrag des Oberkommandos der Wehrmacht und der Organisation Todt Befestigungsanlagen aufgrund einer befürchteten Invasion der Alliierten errichten. Am 24. Juni 1944 wurden die Häftlinge der SS-Baubrigade I von Alderney aufs Festland verbracht und mussten an der belgisch-französischen Grenze Anlagen zum Abschuss von Raketen errichten.[4]

Im September 1944 wurden 550 Häftlinge der SS-Baubrigade I nach Rehungen verlegt, um Infrastrukturarbeiten für die SS auszuführen. In Hohlstedt wurde zusätzlich für 200 bis 300 Häftlinge eine Nebenstelle des Hauptlagers Rehungen eingerichtet, wo die Häftlinge Gleisbauarbeiten für die Deutsche Reichsbahn verrichten mussten. Von September bis Ende Oktober 1944 war die SS-Baubrigade dem KZ Buchenwald unterstellt und danach dem KZ Mittelbau. Zwischen dem 5. und 7. April 1945 wurden die Häftlinge aus Rehungen gemeinsam mit jenen aus Hohlstedt vor den vorrückenden Alliierten über Umwege in ein KZ-Außenlager des KZ Mauthausen verbracht, wo sie am 5. Mai 1945 von Angehörigen der US-Armee befreit wurden.[5]

SS-Baubrigade II

Im Oktober 1942 wurde im KZ Neuengamme die SS-Baubrigade II aus 1.000 KZ-Häftlingen aufgestellt. Von den 1.000 KZ-Häftlingen mussten 750 Häftlinge in Bremen und 250 in Osnabrück im Auftrag der jeweiligen Stadtverwaltung Trümmer beseitigen, Leichen bergen und Bomben entschärfen. Eine weitere Nebenstelle der SS-Baubrigade II, die 175 KZ-Häftlinge umfasste, bestand von Frühjahr 1943 bis November 1943 in Wilhelmshaven. Zwischen dem 7. August 1943 und April 1944 verrichteten bis zu 930 Häftlinge Aufräumungs- und Bergungsarbeiten in Hamburg nach Anforderung durch den dortigen Polizeipräsidenten. Mitte April 1944 wurde die SS-Baubrigade II für Bau- und Aufräumarbeiten nach Berlin verlegt. In diesem Zuge wechselte die Unterstellung vom KZ Neuengamme zum KZ Sachsenhausen.[6]

SS Baubrigade III

Die SS-Baubrigade III wurde im September 1942 aufgestellt. Zwischen September 1942 und Mai 1944 mussten bis zu 1.000 KZ Häftlinge in der Hauptsache in Köln, aber auch in den Nebenstellen Düsseldorf, Dortmund und Bergisch-Gladbach Bau- und Räumarbeiten durchführen.[7]

Anfang Mai 1944 wurden die Häftlinge der SS-Baubrigade III nach Wieda und später auch dessen Nebenstellen in Nüxei, Mackenrode und Osterhagen überstellt. Im Auftrag des SS-Führungsstabes B13 führten etwa 300 Häftlinge in Wieda Gleisbauarbeiten für die Helmetalbahn durch und jeweils etwa 300 in Nüxei, Osterhagen und Mackenrode Gleis-, Rodungs- und Erdarbeiten. Bis Ende Oktober 1944 unterstand die SS-Baubrigade III dem KZ Buchenwald und danach dem KZ Mittelbau. Am 6. April 1945 wurden die Häftlinge der Nebenstellen Mackenrode und Nüxei nach Wieda verbracht und von dort teils nach Gardelegen verbracht. In der Isenschnibber Feldscheune wurden die Häftlinge mit Häftlingen anderer Evakuierungstransporte eingesperrt und verbrannt.[8]

SS-Baubrigade IV

Im August 1943 traf die Baubrigade IV aus Buchenwald in Wuppertal ein. Bis zum Mai 1944 waren die etwa 600 Häftlinge der SS-Baubrigade IV in Wuppertal im Auftrag der dortigen Stadtverwaltung zu Aufräumarbeiten, Leichenbergungen etc. eingesetzt.[9]

Mitte Mai 1944 wurde die SS-Baubrigade IV nach Ellrich-Bürgergarten überstellt und die Häftlinge in der Gaststätte Bürgergarten untergebracht. Anfang September 1944 wurde die Nebenstelle Günzerode von Ellrich-Bürgergarten eingerichtet. In den Lagern mussten jeweils bis zu 950 Häftlinge Gleisbauarbeiten für die Helmetalbahn verrichten mussten. Zwischen dem 6. und 10. April 1945 wurden die Lager vor den heranrückenden Alliierten evakuiert. Ein Teil der Häftlinge wurde Mitte April 1945 nach einem Todesmarsch bei Güntersberge durch Angehörige der US-Armee befreit. Eine kleinere Gruppe von etwa 350 Häftlingen wurde nach Gardelegen evakuiert und verbrannte in der Isenschnibber Feldscheue.[10]

SS-Baubrigade V

Von März 1944 bis August 1944 war die in Köln aufgestellte SS-Baubrigade V in Nordfrankreich stationiert. Dort bestanden mindestens 14 Außenlager der unter anderem im Hauptstandort Doullens stationierten V. SS-Baubrigade. Die Häftlinge bauten im Auftrag der Luftwaffe Anlagen zum Abschuss der Rakete A 4.[11]

Im Herbst 1944 wurden die Häftlinge der SS-Baubrigade V auf die SS-Baubrigaden III und IV verteilt bzw. bildeten sie den Grundstock der SS-Eisenbahnbaubrigade V.[12]

SS- Eisenbahnbaubrigaden

Die SS-Eisenbahnbaubrigaden wurden in einer Stärke von 504 Häftlingen ab Herbst 1944 aufgestellt. Die Häftlinge fanden – ebenso wie das SS-Bewachungspersonal – Unterkunft in den aus bis zu 50 Waggons bestehenden Bauzügen. In den einzelnen Waggons befanden sich jeweils 24 bis zu 40 KZ-Häftlinge. Die Waggons für die Häftlinge waren im Gegensatz zu jenen des Wachpersonals bzw. der Funktionshäftlinge nur spärlich beleuchtet und mäßig beheizt.[13]

Neben Gleisbauarbeiten wurden die Häftlinge auch zur Schwerstarbeit bei der Instandsetzung von zerstörten Bahnhöfen etc. eingesetzt. Um die Bauzüge vor Angriffen zu schützen wurden sie teils von Flakkommandos begleitet.[13]

SS-Bezeichnung Zeitraum durchschnittliche Häftlingsanzahl /
davon verstorben[14]
Häftlingseinsatz Auftraggeber Evakuierung Bemerkungen
5. SS-Eisenbahnbaubrigade 8. Oktober 1944 – 4/1945 etwa 500 Männer / k.A. Gleisbau, Trümmerbeseitigung Reichsbahn, Stadtverwaltung Osnabrück Evakuierung Richtung Flensburg, Befreiung am 5. Mai 1945 auf dem Schiff Apollo Ende Oktober 1944 bis Januar 1945 KZ Mittelbau, dann KZ Sachsenhausen unterstellt
6. SS-Eisenbahnbaubrigade, zuvor 1. SS-Eisenbahnbaubrigade 12. September 1944 –8. April 1945 500 Männer / k.A. Gleisbau, Ausschachtungsarbeiten in Sangerhausen für Telefonleitungen SS Evakuierung mit der Bahn, am 4. Mai 1945 in Salzburg befreit Ende Oktober 1944 bis Januar 1945 KZ Mittelbau, dann KZ Sachsenhausen unterstellt
7. SS-Eisenbahnbaubrigade, zuvor 2. SS-Eisenbahnbaubrigade 19. September 1944 – 2. April 1945 470 Männer/ mindestens 12 Gleisreparatur SS Evakuierung mit der Bahn Anfang April in zwei Transporten Richtung Bodensee und Bad Schussenried zunächst dem KZ Auschwitz, Anfang Oktober dem KZ Buchenwald, Ende Oktober 1944 bis Januar 1945 dem KZ Mittelbau, dann KZ Sachsenhausen unterstellt
8. SS-Eisenbahnbaubrigade 20. November 1944 – 03/1945 504 Männer/ca. 20 Gleisreparatur, Instandsetzung eines Eisenbahntunnels in Stuttgart SS Evakuierung mit der Bahn ab Mitte März 1945, am 3. Mai 1945 Befreiung in Bergen zunächst dem KZ Sachsenhausen, Ende November 1944 bis Januar 1945 dem KZ Mittelbau, dann KZ Sachsenhausen unterstellt
9. SS-Eisenbahnbaubrigade wurde wahrscheinlich nie aufgestellt[15]
10. SS-Eisenbahnbaubrigade Dezember 1944 504 Männer ab Januar 1945 Gleisbauarbeiten in Offenburg KZ Buchenwald, Januar 1945 KZ Sachsenhausen unterstellt
11. SS-Eisenbahnbaubrigade (Bad Sassendorf) 8. Februar 1945 – 4./5. April 1945 504 Männer/mindestens 33 Gleisbauarbeiten am 1944 zerstörten Soester Bahnhof Deutsche Reichsbahn Todesmarsch nach Höxter, dann Transport nach KZ Sachsenhausen, KZ Dachau, KZ Ebensee 1945 KZ Sachsenhausen unterstellt
12. SS-Eisenbahnbaubrigade 24. Dezember 1944-Frühjahr 1945 504 Männer/mindestens 11 bis Januar 1945 Gleisbauarbeiten Lahnstein bei Koblenz, dann Bad Kreuznach, Bahnhof Gießen Deutsche Reichsbahn über Linz zum Teil ins KZ Ebensee KZ Sachsenhausen
13. SS-Eisenbahnbaubrigade 18. Januar 1945-Frühjahr 1945 504 Männer bis Januar 1945 Reichertshofen, dann Standort bei Limburg Reichsbahndirektion Erfurt im KZ Dachau aufgestellt, dem KZ Sachsenhausen unterstellt

Literatur

  • Karola Fings: Krieg, Gesellschaft und KZ. Himmlers SS-Baubrigaden, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2005, ISBN 3-506-71334-5.
  • Jan Erik Schulte: Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1933-1945 – Zentrale Steuerung und regionale Initiative., Schöningh GmbH & Co KG, 2005, ISBN 3-506-71743-X.

Einzelnachweise

  1. Karola Fings: Krieg, Gesellschaft und KZ. Himmlers SS-Baubrigaden. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2005, S. 11f.
  2. Karola Fings: Krieg, Gesellschaft und KZ. Himmlers SS-Baubrigaden. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2005, S. 247f.
  3. Karola Fings: „Düsseldorf-Stoffeln (SS-Baubrigade I)“, in: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors: Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald. Beck, München 2006, ISBN 978-3-406-52963-4., S. 148f.
  4. Karola Fings: „Alderney (SS-Baubrigade I)“, in: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors: Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 5: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-52965-8., S. 347f.
  5. Jens-Christian Wagner (Hg.): Konzentrationslager Mittelbau-Dora 1943-1945 Begleitband zur ständigen Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, Göttingen 2007, S. 191ff.
  6. Liste der Außenlager des KZ Neuengamme auf www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de
  7. Jan Erik Schulte: Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1933-1945 – Zentrale Steuerung und regionale Initiative., Schöningh GmbH & Co KG, 2005, ISBN 3-506-71743-X., S. XXXVIII – Anlage I – Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1939-1945.
  8. Jens-Christian Wagner (Hg.): Konzentrationslager Mittelbau-Dora 1943-1945 Begleitband zur ständigen Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, Göttingen 2007, S. 194ff., 202.
  9. Jan Erik Schulte: Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1933-1945 – Zentrale Steuerung und regionale Initiative., Schöningh GmbH & Co KG, 2005, ISBN 3-506-71743-X., S. XXXIX – Anlage I – Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1939-1945
  10. Jens-Christian Wagner (Hg.): Konzentrationslager Mittelbau-Dora 1943-1945 Begleitband zur ständigen Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, Göttingen 2007, S. 187ff.
  11. Jan Erik Schulte: Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1933-1945 – Zentrale Steuerung und regionale Initiative., 2005, S. 185.
  12. Jens Christian Wagner: KZ Mittelbau-Dora, in: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors – Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 7, Verlag C. H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-52967-2., S. 244, 297.
  13. a b Karola Fings: Krieg, Gesellschaft und KZ. Himmlers SS-Baubrigaden, Ferdinand Schöningh, Paderborn 2005, S. 254f.
  14. Die Anzahl der verstorbenen Häftlinge bezieht sich auf den Zeitraum des Lagerbestehens, nicht eingeschlossen sind die verstorbenen/ermordeten Häftlinge während der Todesmärsche
  15. Karola Fings: 9. SS-Eisenbahnbaubrigade. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors: Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald. Beck, München 2006, ISBN 978-3-406-52963-4., S. 160f.

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