HARPOON

HARPOON
AGM-84 Harpoon

Die AGM-84 Harpoon ist ein Seezielflugkörper, der seit 1976 von dem US-amerikanischen Hersteller Boeing in diversen Varianten produziert wird.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Die United States Navy begann bereits 1965 mit einer Studie zu einem Seezielflugkörper, der eine Reichweite von rund 45 Kilometer (km) haben sollte. Die Entwicklung der Harpoon begann jedoch erst nach 1968 mit der Bezeichnung ZAGM-84A, als man die Erfahrungen der israelischen Armee mit den SS-N-2 Styx im Sechstagekrieg auswertete. 1971 bekam McDonnell Douglas den Zuschlag als Hauptauftragnehmer. Die ersten Versuche fanden 1974 statt und schon 1976 begann die Vorserienproduktion. Aktuell (Februar 2008) verfügt die US Navy über knapp 850 Harpoon Lenkwaffen, wobei der größte Teil auf die luftgestützte Variante entfällt. Insgesamt wurden über 7000 Lenkwaffen produziert.

Technik

Harpoon-Starter

Die Harpoon wird von einem Teledyne-Turbojet (Modell: J402-CA-400) mit einem Schub von 3,0 Kilonewton (kN) angetrieben und wird standardmäßig luftgestützt (AGM) abgeschossen. Außer den Versionen E, F, H und K können alle Varianten auch oberflächen- oder U-Boot-gestützt (RGM/UGM) abgefeuert werden. Hierzu wird ein Booster (Modell: A/B44G-2 oder -3) benötigt, der über 2,9 Sekunden einen zusätzlichen Schub von 53,0 kN liefert. Alle Versionen (außer H und K) verfügen über einen WDU-18/B-Gefechtskopf mit 221 Kilogramm (kg) Hochexplosivsprengstoff. Die Navigation übernimmt ein inertiales Navigationssystem, bei Version H und K durch GPS unterstützt.

Die verschiedenen Flugphasen gestalten sich bei der ersten Serienversion (A/B) wie folgt: Die Rakete bekommt die Zieldaten vom Bordsystem der jeweiligen Plattform und wird dann entweder ausgeklinkt (luftgestützt/AGM) oder mittels eines Boosters aus dem Startrohr geschossen (Oberflächen-/U-Boot-gestützt RGM/UGM). Während der Anflugphase fliegt die Harpoon knapp über dem Wasser und navigiert mit Hilfe ihres inertialen Navigationssystems. Sobald sich die Rakete in einer vorbestimmten Distanz zum vermuteten Ziel befindet, schaltet sie ihr bordeigenes J-Band-Radar ein, um das Ziel zu finden. Sobald das Ziel erfasst ist, steigt die Rakete auf 1,8 km („pop-up“-Manöver) um sich dann anschließend von oben auf das Ziel zu stürzen. Der Gefechtskopf zündet nicht direkt beim Aufschlag sondern zeitverzögert, so dass die Explosion im Schiffsinneren stattfindet und erheblich mehr Schaden verursacht als bei einer kontaktzündenen Waffe. Die Flugphasen und der Gefechtskopf wurden mit der Entwicklung von neuen Varianten immer wieder verändert.

Varianten

Harpoon Block 1

  • RGM-84A, Block 1A: Erste Serienversion.
  • RGM-84B: Modifizierte Version für die Royal Navy.
  • RGM-84C, Block 1B: Das „pop-up“-Manöver wurde aus der Software entfernt, die Rakete fliegt ihr Ziel über die gesamte Strecke knapp über der Wasseroberfläche an („sea-skimming“).
  • RGM-84D, Block 1C: Durch die Verwendung des neuen JP-10-Treibstoffes wurde die Reichweite auf ca. 220 km gesteigert. Neben verbesserter ECCM Ausrüstung kann nun die Flugbahn („pop-up“ oder „sea-skimming“) vor dem Abschuss eingestellt werden. Des Weiteren können nun Wegpunkte festgelegt werden (erfordert AN/SWG-1A-Feuer-Kontroll-System). Der Stückpreis beläuft sich auf rund 720.000 US-$.
Eine AGM-84E SLAM
  • AGM-84E Standoff Land Attack Missile (SLAM), Block 1E: Bei dieser Version handelt es sich eigentlich um eine komplette Neuentwicklung. Statt gegen Seeziele ist diese Rakete für Angriffe auf Landziele ausgelegt. Hierzu wurde der abbildende Infrarotsuchkopf der AGM-65D Maverick und der Datenlink der AGM-62 Walleye in das Gehäuse der Harpoon eingebaut. Außer dem Radarsucher, welcher ausgebaut wurde, sind fast alle Komponenten mit der Seeziel-Variante identisch. Die Endphasenlenkung erfordert ein manuelles Heranführen an das Ziel. Dazu setzt der Pilot auf seinem Display ein Fadenkreuz, um der Rakete ein Ziel zuzuweisen. Realisiert wird dies mit einem 2-Weg-Datenlink und dem FLIR-Sensor. Aufgrund dieser Endphasenlenkung lässt sich die SLAM nur von Flugzeugen aus einsetzen.
  • RGM-84F, Block 1D: Durch die Verlängerung des Treibstofftanks konnte die Reichweite weiter erhöht werden. Aufgrund der größeren Länge war keine U-Boot-gestützte Version (UGM) möglich. Die geplante Beschaffung wurde vor Produktionsbeginn jedoch aufgrund des Auseinanderbrechens der Sowjetunion gestrichen.
  • RGM-84G, Block 1G: Diese Version wird seit 1995 hergestellt und ist eine Block 1C mit neuer Software. Sie verfügt auch über eine überarbeitete Steuerlogik, die es ihr erlaubt, einen fehlgeschlagenen Angriff zu wiederholen, sofern der Treibstoff noch reicht und der Suchkopf den Fehlschlag erkannt hat. Die 1G-Variante wird produziert, indem man Raketen der 1C-Version modernisiert.
Eine AGM-84H SLAM-ER
  • AGM-84H Stand-off Land Attack Missile - Expanded Response (SLAM-ER): Diese Variante entstand auf Basis der AGM-84E (SLAM). Auffällig sind die sich ausklappenden Tragflächen (ähnlich wie bei der BGM-109 Tomahawk), welche die Reichweite signifikant gesteigert haben. Das neue AN/DSQ-61-Navigationsystem umfasst neben einem INS-Modul auch einen störfesten GPS-Empfänger. Auch wurde die Störfestigkeit des Daten-Link verbessert. Zur Zielerfassung in der Endphase ist ein abbildender Infrarotsuchkopf integriert, welcher resistent gegenüber lasergestützten Gegenmaßnahmen sein soll. Der Sprengkopf (WDU-40/B) hat mit 360 kg eine höhere Durchschlagskraft als der bis dahin verwendete WDU-18/B-Sprengkopf (221 kg). Auch wurde der Gefechtskopf mit Titan verstärkt, um die Effizienz gegen gehärtete Ziele (beispielsweise Bunker) zu erhöhen. Tests haben gezeigt, dass mit der SLAM-ER auch Seeziele bekämpft werden können.
  • AGM-84K: Diese Version umfasst diverse interne Verbesserungen bei Hard- und Software für die AGM-84H. Alle momentan existierenden H-Varianten werden auf die K-Version modernisiert.
  • AGM-84H/K SLAM-ER ATA: Das letzte aktuelle Update ist die ATA-Version für die H/K-Modelle. Das ATA (Automatic Target Acquisition)-Update ermöglicht es der Rakete, ihr Ziel automatisch anhand von Vergleichen der IR-Bilder mit einer internen Datenbank zu erkennen und anzugreifen. Die Rakete benötigt also lediglich einen Zielsektor, welchen sie dann autonom nach dem programmierten Ziel absucht. Das Upgrade wurde im Jahr 2002 für die Flotte freigegeben, die aktuellen H/K-Modelle sollen eventuell einem Update unterzogen werden.

Harpoon Block 2

Testabschuss einer Harpoon Block 2 an Bord der USS Decatur
Eine Harpoon Block II zur Küstenverteidigung

Im Jahre 1996 bot McDonnell Douglas einige Verbesserungen des Harpoon-Designs an. Zuerst wurde das Programm Harpoon 2000 genannt, später Harpoon Block 2. Die vorgeschlagenen Verbesserungen umfassten ein gekoppeltes GPS/INS-System, einem Radarsucher mit erweiterten ECCM-Fähigkeiten und den Einbau verschiedener SLAM-Komponenten. Die Rakete wurde intern als RGM-84J geführt, allerdings hatte die US Navy wenig Interesse und das Projekt wurde vorerst eingefroren. Man entschloss sich aber bei McDonnell Douglas, die Weiterentwicklung für den Exportmarkt vorranzutreiben. Diese Version erhielt die Bezeichnung RGM-84L. Interessenten dieser Version sind unter anderem Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Taiwan. Süd-Korea hat bereits die luftgestützte Version (AGM-84L) gekauft. Insgesamt wurden über 320 Lenkwaffen zu einem Stückpreis von rund 200.000 US-$ ausgeliefert. Im September 2008 beantragte Indien die Lieferung von 20 AGM-84L.

Auf Basis der Harpoon Block 2 hat Boeing inzwischen auch eine Variante zur landgestützten Küstenverteidigung entwickelt. Diese ist auf LKWs montiert und bietet daher eine hohe Mobilität.

Harpoon Block 3

Im Frühjahr 2007 ließ die US Navy verlauten, dass sie an einer Weiterentwicklung der AGM-84D interessiert sei. Daher wurde Boeing beauftragt, die Harpoon Block 3 zu entwickeln. Neben den Eigenschaften der Harpoon Block 2 wird die Rakete mit einem neuen Datenlink (vermutlich Link 16) versehen, der es ermöglicht, die Zieldaten während des Fluges zu ändern. Des Weiteren sollen nicht näher genannte Modifikationen durchgeführt werden, welche die Leistung in küstennahen Gewässern verbessern soll. Durch weitere Anpassungen soll es zukünftig ebenfalls möglich sein, die Harpoon aus VLS-Systemen zu starten. Alle neuen Systeme sind so ausgelegt, dass man sie als Upgrade in bereits existierende Harpoon Lenkwaffen einbauen kann, was von der US Navy auch dementsprechend geplant ist. Die vorläufige Gefechtsbereitschaft (IOC) soll Anfang des Jahres 2011 erreicht werden.

Kampfeinsätze

Eine libysche Korvette der Nanuchka-II-Klasse nach einem Harpoon-Treffer
Die iranische Fregatte Sahand nach dem Angriff

Mittelmeer / Libyen

Der erste Einsatz der Harpoon fand in der Nacht vom 24. auf 25. März 1986 vor der libyschen Küste statt. A-6E Intruder der Sechsten Flotte der US Navy griffen 3 libysche Patrouillenboote mit Harpoons an und versenkten diese.

Persischer Golf / Iran

Am 18. April 1988 wurde die iranische Fregatte Sahand ebenfalls von A-6E Intruder der US Navy mithilfe von 2 Harpoons und lasergesteuerten Bomben versenkt. Der Angriff fand im Rahmen der Operation Praying Mantis statt. Während der gleichen Operation wurden auch auf das iranische Patrouillenboot Joshan Harpoon-Raketen abgeschossen. Diese trafen allerdings nicht ihr Ziel, da dieses bereits von RIM-66 Standard-Raketen nahezu vollständig versenkt worden war.

Persischer Golf / Irak

Die SLAM-Variante wurde während des 2. Golfkrieges gegen irakische Ziele eingesetzt. Insgesamt wurden sieben Raketen abgefeuert, wobei diese noch Vorserienmodelle waren. Die SLAM-ER wurde das erste Mal während der Operation Southern Watch eingesetzt.

Einsatz-Unfälle

Es ist bis heute zu drei größeren Zwischenfällen mit der Harpoon gekommen. Der erste ereignete sich am 14. Juli 1981 an Bord des amerikanischen Zerstörers USS Coontz vor der Insel Saint Croix. Eine Harpoon wurde versehentlich abgefeuert, die Rakete detonierte jedoch ohne Folgen im Meer. Der zweite ereignete sich am 6. September 1982 an Bord der dänischen Fregatte Peder Skram während einer Manöverübung im Kattegat. Auch hier wurde die Rakete versehentlich abgefeuert und detonierte wenig später in einem Wald, wobei sie 4 Gebäude zerstörte und 130 beschädigte. Tote oder Verletzte gab es keine. Der Dritte und folgenschwerste Zwischenfall ereignete sich im Dezember 1988 während einer Manöverübung der US Navy nahe der Kauai Test Facility. Eine F/A-18 Hornet schoss eine Harpoon auf ein Testziel ab, welche jedoch die Jagivek, einen indischen Frachter von 76 Meter Länge, anflog und traf. Beim Einschlag des Flugkörpers, der keinen Gefechtskopf trug, wurde ein Seemann getötet. Das Seegebiet war als Raketentestgebiet öffentlich bekannt gewesen.

Plattformen

Eine F-16 trägt eine AGM-84 Harpoon

Luftgestützte Plattformen (AGM):

Seegestützt (RGM): Die Harpoon kann von nahezu allen modernen Kriegsschiffen eingesetzt werden. Voraussetzung ist ein Starter des Typs Mk 112, Mk 140/141 oder Mk 13.

U-Boot-gestützt (UGM): Los-Angeles-Klasse, Seawolf-Klasse, Swiftsure-Klasse, Virginia-Klasse

Benutzerländer

Technische Daten

System AGM-84A/B/C AGM-84D/G AGM-84E AGM-84F AGM-84H/K AGM-84L (Block 2)
Länge 3,85 m 3,85 m 4,50 m 4,44 m 4,37 m 3,84 m
Spannweite 91,4 cm 91,4 cm 91,4 cm 91,4 cm 243 cm 91,4 cm
Durchmesser 34,3 cm 34,3 cm 34,3 cm 34,3 cm 34,3 cm 34,3 cm
Gewicht 520 kg 540 kg 627 kg 635 kg 725 kg 525 kg
Geschwindigkeit Mach 0,85 Mach 0,85 Mach 0,85 Mach 0,85 Mach 0,85 Mach 0,85
Reichweite 120 km 220 km 93 km 315 km 280 km+ 280 km
Lenkung INS, aktive Radarzielsuche INS, aktive Radarzielsuche INS, GPS, FLIR, Datenlink INS, aktive Radarzielsuche INS, GPS, FLIR, Datenlink INS, GPS, aktive Radarzielsuche
Gefechtskopf 221 kg, HE-Frag 221 kg, HE-Frag 221 kg, HE-Frag 221 kg, HE-Frag 360 kg, SAP 227 kg, SAP

Vergleichbare Systeme

Weblinks


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