HOAG

HOAG
Ehemaliges GHH-Hauptlagerhaus in Oberhausen, Entwurf von Peter Behrens

Die Gutehoffnungshütte, Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb, (kurz GHH) war ein bedeutendes Montan- und Maschinenbauunternehmen mit Sitz in Oberhausen im Ruhrgebiet. Ursprünglich als reiner Bergbau- und Hüttenbetrieb gegründet, wandelte sich die GHH im 20. Jahrhundert zum größten Maschinenbauer Europas und ging später in der heutigen MAN AG auf. Die Geschichte des Konzerns ist eng mit dem Namen der Unternehmerfamilie Haniel verbunden, so dass der Volksmund das Kürzel GHH gern mit Gehört Hauptsächlich Haniel übersetzte.

Inhaltsverzeichnis

Anfänge

Ehemaliges Wohn- und Kontorhaus der St.-Antony-Hütte, dem Ursprung des späteren GHH-Konzerns

Die Anfänge des späteren GHH-Konzerns liegen in der 1758 gegründeten St.-Antony-Hütte in Oberhausen-Osterfeld, die zugleich die Geburtsstunde des Ruhrgebiets als Eisenverarbeitungszentrum markiert. Von dieser Hütte existiert nur noch das ehemalige Wohn- und Kontorhaus, das heute zum Rheinischen Industriemuseum gehört.

Die namensgebende Hütte Gute Hoffnung in Oberhausen-Sterkrade nahm ihren Betrieb 1782 auf. Als Finanzinvestorin betätigte sich hier Maria Kunigunde von Sachsen, Fürstabtissin des Stifts Essen, die sich persönlich für die Eisenerzeugung interessierte. Sie beteiligte sich 1787 an der Hütte „Gute Hoffnung“ und kaufte 1796 zusätzlich die Hütte „St. Antony“. Als Hüttenvorsteher für letztere engagierte sie Gottlob Jacobi aus Koblenz, der 1799 auch Mitanteilseigner wurde. 1805 verkaufte Maria Kunigunde ihre Anteile für 23.800 Reichstaler an die Brüder Franz und Gerhard Haniel. Da diese zugleich auch die Hütte „Gute Hoffnung“ erwarben, bildeten die Unternehmungen Maria Kunigundes den Beginn des späteren Gutehoffnungshütte-Konzerns.

1808 wurden beide Hütten mit einer dritten, bereits im Haniel-Besitz befindlichen Hütte Neu Essen zur Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen (JHH) zusammengeführt. Die JHH – benannt nach ihren vier Anteilseignern Gottlob Jacobi, Franz und Gerhard Haniel sowie Heinrich Arnold Huyssen – gilt als direkter Vorläufer der GHH und leistete in den folgenden Jahrzehnten mit dem Bau von Dampfmaschinen und -schiffen, Lokomotiven, Eisenbahnschienen und Brücken einen wichtigen Beitrag zur Industrialisierung Deutschlands und des Ruhrgebiets. So baute sie 1819 eine erste größere Dampfmaschine mit einer Leistung von 12 Pferdestärken, 1829 wurde das erste in eigener Werft produzierte Passagierdampfboot in Betrieb genommen. Bereits 1821 hatte Haniel in Ruhrort einen ersten mit Koks befeuerten Hochofen errichtet. „Jacobi, Haniel & Huyssen“ erbaute 1830 zudem ein Blechwalzwerk und produzierte 1840 die erste Lokomotive, die „Ruhr“. Seit 1838 kamen diverse Erz- und Kohlegruben hinzu, darunter die „Zeche Zollverein“ in Essen, die 1851 die Förderung aufnahm. Durch die Verbindung von Erz- und Kohlegruben, die per Schiff und Eisenbahn die eigenen Hüttenwerke versorgten, trieb Franz Haniel die vertikale Integration seines Konzerns erfolgreich voran.

Zugleich galten Haniel und die JHH als typische Vertreter eines sozial verpflichteten „Rheinischen Kapitalismus“. So wurden zwischen 1832 und 1847 mehrere Unterstützungskassen gegründet, die die Arbeiter im Falle von Krankheit oder Unfall absichern sollten. Die JHH errichtete auch Häuser in der Nähe ihrer Zechen für die Stammbelegschaft, darunter 1844 die Siedlung Eisenheim, die heute unter Denkmalschutz steht.

Mit fast 3.600 Arbeitern war die JHH 1858 der größte Arbeitgeber im Ruhrgebiet.

Wandel zum Maschinenbau-Konzern

Nach dem Tod ihres letzten Mitgründers Huyssen wurde die JHH (nunmehr bereits 18.000 Mitarbeiter) 1873 auf Betreiben von Hugo Haniel in einen Actienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb, Gutehoffnungshütte (GHH) umgewandelt, deren Anteile im Besitz der jeweiligen Nachkommen verblieben.

In den folgenden Jahren wurde das Unternehmen von der Gründerkrise hart getroffen. Die Preise für Schienen, Stabeisen und Blech fielen um die Hälfte. Der Warenumsatz sank von 21 Millionen auf nur noch 12 Millionen ab. Dies hatte erhebliche Auswirkungen auf die Kapitalbasis der GHH. Im Jahr 1872 wies das Unternehmen noch ein Aktienkapital von 30 Millionen Mark auf, im Jahr 1877 betrug dieses nur noch 7 Millionen Mark.[1] Dies führte unter anderem dazu Kosten zu senken und die Produktion effektiver zu gestalten. Noch in den 1870er Jahren ging das Unternehmen zum Thomas-Verfahren in der Stahlproduktion über.[2]

Im Jahre 1903 wird in Walsum der erste Rheinhafen der GHH eröffnet. Zwei Jahre später wird ein weiterer Hafen fertiggestellt. Die Verbindung zum Werksgelände in Oberhausen stellt die HOAG-Trasse sicher.

1905 übernahm mit dem schwäbischen Bergbautechniker Paul Reusch erstmals ein angestellter Manager, der nicht Familienmitglied war, die Leitung der GHH. Er erweiterte das Montanunternehmen um die stahlverarbeitende Industrie und den Maschinenbau, unter anderem durch Übernahmen bzw. Mehrheitsbeteiligungen an der Deutschen Werft in Hamburg (1918, heute Howaldtswerke-Deutsche Werft), der Maschinenfabrik Esslingen (1920) oder der Zahnradfabrik Augsburg (1923).

Während der Hyperinflation 1923 ergriff Reusch die Gelegenheit zum Kauf der „Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG“ (M.A.N.), womit die Belegschaft schlagartig auf 52.000 Menschen anwuchs und zugleich die Grundlage für die spätere Entwicklung zum heutigen MAN-Konzern gelegt wurde. Ebenfalls ab 1923 wurde die in Den Haag gegründete Ferrostaal integriert.

In diese Zeit fällt auch der Bau des markanten Verwaltungs- und Hauptlagerhauses in Oberhausen, das nach Plänen des Architekten Peter Behrens zwischen 1921 und 1925 errichtet wurde und heute unter anderem das zentrale Depot des Rheinischen Industriemuseums beherbergt.

Nachdem die GHH während der Weltwirtschaftskrise 1929–32 ihre Belegschaft zeitweilig halbiert hatte, sorgte der von den Nationalsozialisten forcierte Autobahnbau ab 1933 für einen erhöhten Bedarf an Brückenbauten; zugleich steigerte die Aufrüstung den Absatz von Dieselmotoren für Schiffe der Kriegs- und Handelsmarine erheblich. Während des Zweiten Weltkriegs beschäftigte die GHH zeitweise 4.000 Zwangsarbeiter. 1942 musste Reusch jedoch auf Druck des Regimes aus dem Vorstand ausscheiden.

Neuordnung nach 1945

Nach dem Ende des Krieges wurde die GHH auf Betreiben der britischen Militärregierung in drei getrennte Bereiche zerschlagen. Dabei wurden der Bereich Eisen- und Stahlerzeugung als Hüttenwerke Oberhausen AG (HOAG) und der Bereich Kohleförderung mit den Zechen Sterkrade und Osterfeld als Bergbau AG Neue Hoffnung ausgegliedert.

Von der GHH zur MAN AG

Von 1956 bis 1990 unterhielt die GHH-Tochter Deutsche Werft direkt neben dem Fähranleger im Nordenhamer Vorort Blexen an der Wesermündung eine Werft für Schwimmdocks

Unter dem Dach der GHH verblieb lediglich der Bereich Stahlverarbeitung und Maschinenbau einschließlich MAN und Werften. Dennoch galt die GHH in den 1960er und 1970er Jahre als größter Maschinenbauer Europas, der 1982 bei einem Umsatz von 18,7 Milliarden DM rund 80.000 Mitarbeiter beschäftigte. Davon entfielen jedoch rund 60.000 allein auf die Nutzfahrzeugtochter MAN und die ihr zugeordneten Firmen. Als diese zu Beginn der 1980er Jahre in eine schwere Krise geriet, legte der damalige GHH-Chef Manfred Lennings ein Sanierungskonzept vor, das eine vollständige Verschmelzung der Tochter in den Mutterkonzern vorsah, bei den GHH-Hauptanteilseignern Allianz AG, Münchener Rück und Commerzbank jedoch auf massiven Widerstand stieß. Die drei Großaktionäre bündelten zu der Zeit ihre Anteile in der Beteiligungsgesellschaft Regina. Die Haniel-Familie hatte 1983 ihre letzten Anteile an der GHH an die Allianz verkauft. In der Presse wurde seinerzeit über eine „bayerische Verschwörung“ gegen die Oberhausener Konzernspitze spekuliert. Tatsächlich wurde der Gesamtkonzern nach dem spektakulären Rücktritt von Lennings dann unter dem Namen der bisherigen Tochter MAN neu geordnet und 1986 der Firmensitz von Oberhausen nach München verlegt.

In Oberhausen verblieben danach lediglich die Konzernsparte MAN TURBO AG sowie einige kleinere Unternehmen wie die GHH Rand Schraubenkompressoren, GHH Radsatz GmbH und GHH Fahrzeuge GmbH. Daneben existiert in Oberhausen noch eine Gutehoffnungshütte Baugesellschaft mbH sowie mehrere Jahre lang in Nierstein das mittlerweile nicht mehr zur MAN AG gehörende Weingut St. Antony.

Hüttenwerke Oberhausen / Thyssen Niederrhein

Die eigentliche (Ur-)Gutehoffnungshütte in Oberhausen gehörte seit der Ausgliederung 1953 zu den Hüttenwerken Oberhausen AG (HOAG), konnte sich aber langfristig nicht im Wettbewerb behaupten. Zwar wurde 1959 die Bergbau AG Neue Hoffnung wieder mit der HOAG vereinigt, 1969 wurde jedoch der Hochofenbetrieb eingestellt, nachdem ein Jahr zuvor die Thyssen AG die Mehrheit an der HOAG übernommen hatte. Die verbliebenen Betriebsteile firmierten seit 1971 als Thyssen Niederrhein AG (auch bekannt als TNO/Thyssen Niederrhein Oberhausen); 1980 wurde am Standort Oberhausen das damals größte Elektrostahlwerk Deutschlands in Betrieb genommen. Als dieses Ende 1997 seine Produktion wieder einstellte, gingen damit 240 Jahre Eisen- und Stahlherstellung in Oberhausen zu Ende.

Folgenutzung

Gasometer Oberhausen

Nach dem Abriss der Hochofenanlagen entstand in den 1990er Jahren auf dem ehemaligen HOAG-Gelände mit dem „CentrO“ das damals größte Einkaufszentrum Europas (75.000 m² Fläche). Auch das einstige Elektrostahlwerk wurde, nachdem eine geplante museale Nutzung scheiterte, abgerissen.

Bauliche Zeugnisse der einstigen GHH und HOAG in Oberhausen sind neben dem bereits erwähnten Hauptlagerhaus das Werksgasthaus der Gutehoffnungshütte, heute Bestandteil des Technologiezentrums Umweltschutz (TZU) sowie der erhaltene Gasometer Oberhausen, heute als Aussichtspunkt und für Ausstellungen genutzt. Beide stehen unter Denkmalschutz. Außerdem gibt es einige umgenutzte Fragmente, darunter die Diskothek „Turbinenhalle“ und einige Brückenbauwerke über den Rhein-Herne-Kanal. Auch im zur Landesgartenschau 1999 angelegten Olga-Park finden sich Reste der industriellen Nutzung. Industrieruinen der GHH und der Zeche Osterfeld wurden bei der Gestaltung der Gärten berücksichtigt und integriert.

GHH Radsatz GmbH

Heute ist die GHH - Valdunes einer der großen europäischen Lieferanten von Rädern, Achsen und Bremsscheiben für Schienenfahrzeuge. Die GHH Radsatz GmbH Oberhausen fusionierte im Februar 2008 mit der Französischen Valdunes Gruppe (Valdunes, Tri Sources, FdF: Räder, Achsen, Bremsscheiben, Bremsdreiecke für Schienenfahrzeuge) zu GHH-Valdunes. Die Unternehmen der Gruppe beschäftigen heute etwa 900 Mitarbeiter, Geschäftsführer ist Michael Walter.

Vorstandsvorsitzende der Gutehoffnungshütte

  • 1873–1903 Carl Lueg
  • 1904 Hugo Jacobi
  • 1905–1909 Gottfried Ziegler
  • 1909–1942 Paul Reusch
  • 1942–1946 Hermann Kellermann
  • 1947–1966 Hermann Reusch
  • 1966–1975 Dietrich Wilhelm von Menges
  • 1975–1983 Manfred Lennings
  • 1983–1986 Klaus Götte

Einzelnachweise

  1. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd.3, S.102f.
  2. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd.3, S.562

Literatur

  • Johannes Bähr, Ralf Banken, Thomas Flemming: Die MAN. Eine deutsche Industriegeschichte, München 2008 ISBN 978-3-406-57762-8
  • Hans-Josef Joest: Pionier im Ruhrrevier. Gutehoffnungshütte - vom ältesten Montan-Unternehmen Deutschlands zum grössten Maschinenbau-Konzern Europas, Stuttgart-Degerloch 1982 ISBN 3-512-00660-4
  • Andreas-Marco Graf von Ballestrem: Es begann im Dreiländereck. Das Stammwerk der GHH, die Wiege der Ruhrindustrie. Tübingen 1970
  • Erich Maschke: Es entsteht ein Konzern. Paul Reusch und die GHH, Tübingen 1969 ISBN 3-8052-0131-1
  • Ursula Gabriele Pütz-Majer: Einrichtungen sozialer Betriebspolitik der Gutehoffnungshütte von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg. Soziale Betriebspolitik - ein Ausdruck unternehmerischer Verantwortung?, Dissertation Univ. Bremen 1994
  • Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Von der deutschen Doppelrevolution bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. 3. Band. München 1995, ISBN 3-406-32490-8.
  • Hitsashi Yano: Hüttenarbeiter im Dritten Reich. Die Betriebsverhältnisse und soziale Lage bei der Gutehoffnungshütte Aktienverein und der Friedr.-Krupp AG 1936 bis 1939, Stuttgart 1986 (Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Beiheft 34) ISBN 3-515-04209-1

Weblinks


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