Hafen Münster

Hafen Münster
Blick übers Hafenbecken, links die Nordseite mit Kreativkai, rechts die Südseite mit Kran, Fleichtheimspeicher und Fernwärmespeicher
Hafenbecken im Winter

Der Stadthafen I, bekannt als Hafen Münster, ist ein Binnenhafen der Stadt Münster in Westfalen. Er wurde 1899 eröffnet und zweigt als Stichhafen vom Dortmund-Ems-Kanal ab. Zu Beginn als städtischer Eigenbetrieb geführt, wurde er 1953 in die Verantwortung der Stadtwerke Münster übergeben, die ihn seitdem betreiben.

Der Hafen war von Beginn an hauptsächlich auf Importe ausgelegt. Im Zweiten Weltkrieg wurde er schwer beschädigt, aber 1946 bereits wieder eröffnet, um dringend benötigte Baustoffe für den Wiederaufbau der Stadt löschen zu können. Heute ist der Hafen als Warenumschlagplatz fast bedeutungslos geworden, stattdessen wurden am Nordufer vorwiegend kulturelle und gastronomische Betriebe angesiedelt, die den sogenannten Kreativkai bilden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bau

Der Hafen im Jahre 1902

Der Bau eines Hafens in Münster wurde 1896 in Angriff genommen, vier Jahre nach Baubeginn für die Wasserstraße, die ihn anschließen sollte, den Dortmund-Ems-Kanal. Die Stadt erwarb für den Hafenbau Grundstücke in der Größe von 23 Hektar südöstlich der Innenstadt, aber außerhalb der damaligen Stadtgrenzen. Die Kosten für Grunderwerb und Bau beliefen sich auf 1,85 Mio. Mark. Davon wurden 220.000 Mark vom Staat übernommen, den Rest bezahlte die Stadt.[1] Neben dem Dortmund-Ems-Kanal wurde der Hafen außerdem über die Bahnstrecke Münster–Hamm angeschlossen. Ebenfalls am Hafen lagen das städtische Gas- sowie E-Werk und die Wagenhalle für die örtliche Straßenbahn.

Der Bau war 1898 abgeschlossen, die Einweihung fand am 16. Oktober 1899 nur wenige Wochen nach der Eröffnung des Dortmund-Ems-Kanals statt. Zusätzlich wurden Lager und ein Hafenverwaltungsgebäude errichtet. Der Hafen zweigt als Stichhafen vom Kanal ab, das Hafenbecken ist 740 Meter lang und umfasst 36.000 Quadratmeter Fläche. Die mittlere Breite liegt bei 58 Meter, zum Kopfende hin verjüngt es sich aufgrund der dort zusammenlaufenden Bahngleise auf 20 Meter. Insgesamt bietet das Becken 19 großen Kanalschiffen Platz.[1] Die Be- und Entladung der Schiffe geschah über Eisenbahnkräne, die neben dem Hafenbecken Gleise erhielten.

Die ersten Jahre

Der Hafen der Stadt Münster war von Beginn an als Importhafen für Getreide und Holz ausgelegt. Von den 38.000 umgeschlagenen Tonnen im ersten Jahr waren dementsprechend 35.000 Tonnen Importe. Den vorläufigen Höhepunkt erreichte der Umschlag im Hafen 1913, als 220.000 Tonnen Waren nach Münster herein- und herausgeschifft wurden. Hauptumschlaggüter waren wie geplant Getreide und Holz, hinzu kamen vor allem Kolonialwaren. Den größten Anteil am Umschlag hatte die Futtergerste, auf deren Einfuhr die Viehzüchter im Münsterland angewiesen waren. Im Jahr 1910 charakterisierte die Handelskammer Münster den Hafen als den nach Duisburg bedeutendsten Getreideumschlagplatz Nordwest-Deutschlands. Aber auch für die Ansiedlung von Industriebetrieben sei der Hafen verantwortlich.[2]

Während des Ersten Weltkrieges gingen die umgeschlagenen Warenmengen stark zurück, unter anderem auf Grund der britischen Blockade des Hafens in Emden, in dem das für Münster bestimmte Getreide auf Binnenschiffe umgeladen wurde. Während der Getreidetransport im Anschluss kein Vorkriegsniveau mehr erreichen konnte, stieg die umgeschlagene Menge jedoch wieder steil an, 1923 etwa auf fast 375.000 Tonnen. Begünstigt wurde dies durch die Ruhrbesetzung: Die Hafenarbeiter im Ruhrgebiet hatten ihre Arbeit niedergelegt, weshalb die Ladungen der Schiffe in Münster gelöscht und per Eisenbahn südwärts transportiert wurden. Nach Ende der Blockade sank die Menge 1924 jedoch wieder auf etwa 125.000 Tonnen jährlich. Bis 1930 hatte sich der Umschlag auf zwischen 210.000 und 235.000 Tonnen stabilisiert, die Hälfte davon Getreide und je rund ein Viertel Holz sowie Baustoffe.

Zweiter Weltkrieg

Ab 1931 traf die Weltwirtschaftskrise auch den Hafen Münster, die Umschlagzahlen sanken bis 1933 auf 170.000 Tonnen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten stieg der jährliche Umschlag jedoch auf weit über 500.000 Tonnen, nun mehrheitlich Baustoffe zur Errichtung von Wehrmachtsgebäuden. Auch während des Krieges blieb der Hafen wichtig für die Stadt. 1939 wurden 575.000 Tonnen gelöscht und verladen, 1944 immerhin noch über 250.000 Tonnen.

Bereits die ersten alliierten Bombenangriffe auf Münster 1940 hatten den Hafen und die dort angesiedelte Industrie zum Ziel. Dass bis 1944 ein derart hoher Warenumschlag aufrechterhalten werden konnte, ist nur dadurch zu erklären, dass städtische und private Betriebe auch im Hafen Zwangsarbeiter eingesetzt haben, sowohl zur Produktion als auch zu Aufräumungsarbeiten.[3][4]

1945 wurde der Hafen vom Statistischen Amt der Stadt als „völlig unbrauchbar“ beschrieben. Sowohl die Kaimauern und Böschungen als auch die Verwaltungsbauten und Gleise sowie sechs der sieben Entladekräne seien zerstört oder schwer beschädigt. Im Hafenbecken lägen Wracks gesunkener Schiffe, jeglicher Verkehr im Hafengebiet sei unmöglich.[3] Noch im selben Jahr wurde das Wasser aus den Hafenbecken abgelassen, um nach Blindgängern zu suchen und das Hafenbecken sowie die Anleger wieder schiffbar zu machen. Der Wiederaufbau des Hafens ging schnell vonstatten, bereits im März 1946 konnte der Betrieb wiederaufgenommen werden. In diesem Jahr wurden fast 150.000 Tonnen Waren nach Münster gebracht. Auch danach wurden große Mengen an Baustoffen für den Wiederaufbau der weitgehend zerstörten Stadt benötigt, die über den Hafen eingeführt wurden.

Nachkriegszeit

Kurz nach dem Wiederaufbau, 1953, übergab die Stadt Münster den Betrieb des Hafens an die Stadtwerke Münster. Dies fiel in eine Zeit, in der ein grundsätzlicher Aufwärtstrend in der Bedeutung des Hafens erkennbar ist. Anfang der 1960er Jahre erreichte der münstersche Hafen dann seine Blütezeit. So wurden 1962 über 1,3 Millionen Tonnen umgeschlagen, größtenteils Getreide und Baustoffe. Mit fast 4300 Schiffen wurde in diesem Jahr auch die höchste Zahl einlaufender Schiffe gezählt.[5] Bis 1978 löschten und luden die Schiffe jedes Jahr über eine Million Tonnen Güter, regelmäßig über 70 % davon Baustoffe. 1979 rutschte der wasserseitige Umschlag erstmals wieder unter die Millionengrenze und sank von dort weiter stark ab, auf nur noch 558.000 Tonnen 1985.[6]

Grund dafür waren die firmeneigenen Kais, die in diesen Jahren an Bedeutung gewannen, so etwa der Ölhafen mit Tanklager der Westfalen AG in Gelmer und der WCG-Hafen von Agravis. Am Stadthafen hingegen gingen die Umschlagzahlen zurück, das Bild wurde schon bald von „leerstehenden Lagerhallen, ungenutzten Betriebsgeländen und brachliegenden Grundstücken“ geprägt.[5]

Gegenwart und Zukunft

Inzwischen fahren fast alle Schiffe am Eingang des Hafens vorbei

Zusätzlich ging die Bedeutung des Hafens als Umschlagplatz auch zugunsten des Gütertransports per LKW zurück. So wurden 1990 noch 483.000 Tonnen umgeschlagen, zwischen 1993 und 2005 pendelte der Wert zwischen 250.000 und 400.000 Tonnen. Mit der Schließung des Kohlekraftwerks im Hafen und der Eröffnung des GuD-Kraftwerks Münster Hafen an gleicher Stelle fielen ab 2006 die Kohleverschiffung und unter anderem dadurch weitere 50 % Güterumschlag weg. Es wurden noch rund 118.000 Tonnen Ladung gelöscht, vor allem Baustoffe, Dünger und Eisen. 2007 rutschte der Umschlag unter 100.000 Tonnen, 2009 lag er bei nur noch 63.000 Tonnen. Hauptimportgut waren weiterhin Baustoffe.[7][8]

Bis 2015 rechnete das Ministerium für Verkehr, Energie und Landesplanung NRW in seinem Hafenkonzept 2004 mit einem Umschlag vom 72.000 Tonnen. Es seien keine unausgeschöpften Potentiale für die Binnenschifffahrt erkennbar, eine Weiterentwicklung des Hafens nicht absehbar.[9] Mittelfristig komme es aufgrund der Überplanung am Stadthafen außerdem zu einem Auslaufen der Hafenfunktionen.[10]

Heutige Situation

Kreativkai

Der Kreativkai

Mit der abnehmenden Bedeutung des Hafens begann die Stadt Münster, alternative Nutzungskonzepte für die Waterfront zu entwickeln. Mit Auslaufen der Erbpachtverträge für viele der Immobilien wurde das nördliche Ufer des Hafens als Kreativkai angelegt. Ziel war es, dort eine „kleinteilige Mischung von kultureller Nutzung, Gastronomie und hochwertigen Dienstleistungen (Architekten, Ingenieure, Verlage), mit vereinzelt verbliebenem Gewerbe“ zu etablieren.[11] Hierfür wurden die hafentypischen Gebäude teils saniert, teils wurde die Hafenzeile durch Neubauten ergänzt. Das Verkehrsministerium NRW sprach von einer „Entwicklung eines Hafenteils zu einem nicht hafenaffinen Gewerbe- und Freizeitbetrieb mit Gastronomie“.[9]

Am Kreativkai sitzen unter anderem der Coppenrath Verlag, der Hot Jazz Club, die Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster sowie das Wolfgang Borchert Theater. An der Stirnseite des Hafens ist mit dem Hafenplatz eine Freifläche entstanden, an deren Seiten die Hauptsitze der Stadtwerke Münster im Süden und der PSD Bank Westfalen-Lippe im Norden liegen.

Die Konversion wurde von der Stadt vielfach als erfolgreich beschrieben. So schrieb sie 2004 in ihrem Masterplan für die Stadthäfen Münster: „Der Standort ist bei Investoren gefragt. Von den Bürgern werden die Kaianlagen als Erholungs- und Freizeitbereich vielfach frequentiert.“[12] Am Hafenweg, der hinter der ersten Gebäudereihe am Nordufer liegt, also die erste und zweite Gebäudereihe einschließt, sind 2010 von 244 Objekten nur 8 Leerstände zu verzeichnen.[13] Die städtische Wirtschaftsförderung Münster schrieb 2010, der Hafen „mit seinem Kreativkai punktet durch seine inzwischen gefragte und etablierte Lage“. Die Höchstmietpreise für Büroflächen in Neubauten beziehungsweise modernisierten und repräsentativen Altbauflächen betragen in Wasserlage mit 12,50 €/m² genauso viel wie in Münsters Innenstadt, die Durchschnittsmiete liegt mit 9,50 €/m² nur 1 € unter dem Innenstadt-Preis.[14]

Osmo-Hallen

Noch ungeklärt ist die Zukunft des letzten Drittels des Nordufers. Dort liegen die Osmo-Hallen, die der Firma Ostermann und Scheiwe gehörten, die 2001 Insolvenz angemeldet hat. Derzeit werden die Hallen für gelegentliche Veranstaltungen benutzt, so etwa als Public-Viewing-Arena bei Fußball-Welt- und -Europameisterschafen. Der nördliche Teil der Hallen wird der Osmo-Insolvenzverwalter zum 1. April 2011 an die Architekten Rainer Kresing und Andreas Deilmann verkaufen, zum Wasser hin ist ein Teil des Grundstücks im Besitz der Stadtwerke Münster. Seit Herbst 2010 wird im Rahmen von Bürgerveranstaltungen („Hafenforum“) mit Anliegern sowie anderweitig Interessierten die Entwicklung diskutiert. Daraus sollen bis zum Frühjahr 2011 konsens- und umsetzungsfähige Ergebnisse entstehen.[15]

Einmal jährlich findet seit 2001 entlang des Kreativkais und auf dem Hafenplatz das Hafenfest statt. Dieses dreitägige Fest zieht mehrere Tausend Besucher in den Hafen.

Südseite

Wärmespeicher rechts, dahinter Flechtheimspeicher mit Hafenkran

Die Südseite des Hafenbeckens ist stadtentwicklungstechnisch bisher nicht erschlossen. An der südlichen Stirnseite liegt der ehemalige Kohlebunker des 2005 abgeschalteten Kohlekraftwerks der Stadtwerke. 2007 wurde er in einem Wärmespeicher für die Fernwärme des neuen GuD-Kraftwerks umgerüstet, so dass dieser bestehen bleiben wird. Daran schließt der Flechtheimspeicher an, ein alter, unter Denkmalschutz stehender Speicher im Besitz der Stadtwerke. Angedacht ist, diesen auf lange Sicht als Hotel oder Bürofläche zu sanieren. Am Flechtheimspeicher steht auch das Wahrzeichen des Hafens, ein alter Entladekran aus dem Jahr 1962.[16]

Nach einer Lücke, die zurzeit als Parkplatz genutzt wird, folgt ein Gefahrgutlager der Firma Lehnkering. Dieses ist ein Grund, warum die Südseite bisher nicht weiter erschlossen wurde. Im Umkreis von 500 Meter ist beispielsweise Wohnbebauung nicht genehmigungsfähig – dies betrifft auch die Osmo-Hallen auf der Nordseite, nicht aber etwa ein Hotel im Flechtheimspeicher.[17] Der Pachtvertrag Lehnkerings läuft bis 2016, die Stadtwerke haben bereits angekündigt, diesen nicht verlängern zu wollen. Lehnkering denkt daher darüber nach, den Standort bereits 2011 aufzugeben.[18] Auch das etwas zurückgesetzte GuD-Kraftwerk macht aber Wohnbebauung auf der Südseite selbst auf lange Sicht unwahrscheinlich.

Statistik: Umschlagentwicklung

Umschlagentwicklung

Diese Tabelle listet die Umschlagentwicklung im Stadthafen I an exemplarisch gewählten Jahren auf.

Jahr Umschlag
in 1000 t[19][20][7]
Bemerkung
1899 38
1911 235
1923 374 Ruhrblockade
um 1930 210 – 235
1936 630 Nationalsozialistische Aufrüstung
1944 250 Kriegsjahr
1946 146 Jahr des Wiederaufbaus
1962 1315 absolutes Maximum
1975 1099
1984 651
1990 483
1998 297
2006 118 Wegfall der Kohleverschiffung
2009 63

Literatur

  • Stadtmuseum Münster (Hrsg.): Der Hafen von Münster. 100 Jahre Dortmund-Ems-Kanal. Münster 1999

Weblinks

 Commons: Hafen Münster – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Stadtmuseum Münster 1999, S. 18.
  2. Stadtmuseum Münster 1999, S. 19f.
  3. a b Stadtmuseum Münster 1999, S. 34.
  4. Stadtarchiv Münster: Zwangsarbeit für die Stadtverwaltung
  5. a b Stadtmuseum Münster 1999, S. 42.
  6. Geschäftsberichte der Stadtwerke Münster 1975 – 1985
  7. a b Stadt Münster: Jahresstatistik 2009, S. 207.
  8. Verkehrsrundschau vom 31. Januar 2007: Binnenschifffahrt boomt – klares Umschlagplus in NRW-Häfen
  9. a b Ministerium für Verkehr, Energie und Landesplanung des Landes Nordrhein-Westfalen: Wasserstraßenverkehrs- und Hafenkonzept Nordrhein-Westfalen (2004), S. 75 und 90.
  10. Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen: Wasserstraßenverkehr, Binnenhäfen und Logistik in Nordrhein-Westfalen. Fortschreibung des Wasserstraßenverkehrs- und Hafenkonzeptes Nordrhein-Westfalen (2008), S. 61.
  11. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR): Münster „Hafenviertel "Kreativkai"“
  12. Stadt Münster: Masterplan / Integriertes Handlungskonzept Stadthäfen Münster, S. 7.
  13. Christian Krajewski (Landschaftsverband Westfalen-Lippe): Wandel der Nutzungsstrukturen am Stadthafen I in Münster (alle Geschosse)
  14. Wirtschaftsförderung Münster: Büromarktstudie 2010: Münster – stabil im Krisenjahr, S. 23 (Zitat) und S. 12 (Zahlen).
  15. Westfälische Nachrichten vom 10. September 2010: Auftakt des Hafenforums: Was wird aus dem Stadthafen?
  16. Münstersche Zeitung: Stahltrichter verschwinden vom Rhenus-Speicher am Hafen, Helmut P. Etzkorn, 16. Oktober 2008
  17. Westfälische Nachrichten vom 6. März 2009: Gefahrgutlager verhindert millionenschwere Bauvorhaben am Hafen
  18. Münstersche Zeitung vom 12. März 2009: Gefahrgutlager: Lehnkering verlässt den Hafen schon früher
  19. Stadtmuseum Münster, 1999
  20. Geschäftsberichte der Stadtwerke Münster 1975, 1984, 1998
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