Hanns Albin Rauter

Hanns Albin Rauter
Hanns Rauter (1939)

Hanns Albin Rauter eigentlich Johann Baptist Albin Rauter (* 4. Februar 1895 in Klagenfurt/Kärnten, Österreich; † 25. März 1949 bei Scheveningen) war ein österreichischer Kriegsverbrecher und SS-Obergruppenführer (1943), General der Polizei (1943) und Waffen-SS (1944) sowie Höherer SS- und Polizeiführer (HSSPF) der besetzten Niederlande. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er verhaftet und nach einem Gerichtsprozess in den Niederlanden 1949 hingerichtet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Hanns Albin Rauter wurde 1895 als zweites von sieben Kindern des Forstrats Josef Rauter in Klagenfurt, Kärnten geboren.[1] Er besuchte bis 1912 die Oberrealschule und legte die Matura ab. Anschließend nahm er an der Technischen Universität Graz ein Ingenieur-Studium auf. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete sich Rauter 1914 freiwillig zur k.u.k. Armee. Er diente im Kärntner Gebirgsschützenregiment 1 und wurde 1919 als Oberleutnant entlassen. Ab 1919 nahm er am so genannten „Kärntner Abwehrkampf“ teil, von Mai bis Juli 1921 kämpfte er im Freikorps Oberland in Oberschlesien, im Jahr 1921 war er Gründungsmitglied der antisemitischen Gruppierung „Steirischer Heimatschutz“, dessen Stabschef er im selben Jahr wurde. 1937 heiratete er eine 22 Jahre jüngere Frau mit der er fünf Kinder hatte. Rauter war seit 1913 Mitglied des Corps Joannea Graz.[2][3]

Karriere in NSDAP, SA und SS

Rauter war 1927 erstmals mit Adolf Hitler zusammengetroffen und agitierte im Sinne der Nationalsozialisten in Österreich.[4] Mit Theo Habicht plante er die Gründung einer Kampfgemeinschaft aus NSDAP und Steirischem Heimatschutz in Österreich. Seine Beteiligung am Pfrimer-Putsch und sein weiteres Auftreten bedingte 1933 die Flucht ins Deutsche Reich, wo Hitler an die Macht gekommen war und er zunächst in der Landesleitung für Österreich in der NSDAP tätig wurde. Des Weiteren trat er der SA bei und übernahm bis zum 17. Oktober 1934 die Führung des „Kampfring der Österreicher im Reiche“.

Von Herbst 1934 bis März 1938 war er als Sachbearbeiter beim NSDAP-Flüchtlingshilfswerk tätig, konkret im Hilfswerk Österreich. Bereits 1935 war Rauter von der SA zur SS gewechselt (Mitglied-Nr. 262.958), in der er den Rang eines SS-Oberführers bekleidete. Bis 1940 war er Stabsführer des SS-Oberabschnittes Südost in Breslau, 1939 wurde er zum SS-Brigadeführer befördert.

Ab 1938 war Rauter als Nachrücker für Alfred Krauß Mitglied des Reichstags.[5] Seine Mitgliedschaft in der NSDAP bis 1945 ist nicht bewiesen.[6]

Im Zuge der Besetzung der Niederlande wurde Rauter am 23. Mai 1940 zum „Generalkommissar für das Sicherheitswesen“ und Höherer SS- und Polizeiführer „Nordwest“ beim Reichskommissar für die besetzten Niederlande. Im April 1941 wurde er zum SS-Gruppenführer, im Juni 1943 zum SS-Obergruppenführer befördert, (vgl. Liste der Generale der Waffen-SS).

In seiner Position als Polizeikommandeur und ranghöchster SS-Führer in den Niederlanden verantwortete Rauter die harten Besatzungsbedingungen, zu denen insbesondere die Deportationen von Juden aus den Niederlanden in die Vernichtungslager und die Bekämpfung des Widerstandes gehörten. So wurden etwa 300.000 Niederländer zur Zwangsarbeit ins Reich verschleppt und deren Besitztümer wurden beschlagnahmt. Der vom niederländischen Widerstand organisierte Generalstreik im Februar 1941 wurde von Rauter blutig niedergeschlagen. Von Februar bis Mai 1943 fanden mehrere Polizeirazzien gegen Studenten statt und mehrere tausend von ihnen wurden deportiert. Es gab unter Rauter noch eine Reihe weiterer Repressalien, so zum Beispiel die Verhängung der Sippenhaft gegen niederländische Beamte.

In Zusammenarbeit mit Anton Musserts Nationaal-Socialistische Beweging baute Rauter mehrere Freiwilligenverbände auf, unter anderem die Landwacht Niederlande.

Attentat

Am späten Abend des 6. März 1945 hatten niederländische Widerständler an der Straße zwischen Arnheim und Apeldoorn bei einem Überfall Rauter mit mehreren Schüssen schwer verwundet. Die Täter flüchteten und einige Stunden später wurde Rauter, der sich totgestellt hatte, gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Er überlebte das Attentat. Gleich am nächsten Tag kündigte der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) in den Niederlanden, Karl Eberhard Schöngarth, bei dem jetzt die Verantwortung lag, „Vergeltungsmaßnahmen“ an. Am 8. März 1945 wurden 263 Gefangene, die man willkürlich aus Gefängnissen und Konzentrationslagern auswählt hatte, hingerichtet: 117 in Woeste Hoeve (dem Ort des Anschlags), 38 in Den Haag (Gefängnis Oranje-Hotel)[7], 53 in Amsterdam, 49 im Durchgangslager Amersfoort[8], 6 in Utrecht.[9]

Nachkriegszeit

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Rauter an die Niederlande ausgeliefert. In der Haft wurde er ausgiebig von zwei Historikern befragt, bevor ihn ein Den Haager Sondergericht am 4. Mai 1948 zum Tode verurteilte.[10] Seine Berufung wurde am 12. Januar 1949 von einem Kassationsgericht abgewiesen und am 25. März 1949 wurde Rauter durch ein Erschießungskommando in den Dünen der Walsdorfer Flakte bei Scheveningen hingerichtet. Angeblich habe er dem Peloton selbst den Feuerbefehl gegeben. Die Lage seines Grabes ist niederländisches Staatsgeheimnis.

Ausschlaggebend für die gegen ihn verhängte Todesstrafe war vor allem die Deportation von circa 110.000 niederländischen Juden, von denen nur rund 6.000 überlebten. Die Fürsprache des damaligen Staatssekretärs Karel Johannes Frederiks hatte Rauter mit der Begründung, dass die „Judenfrage rein deutsche Angelegenheit“ sei, ausgeschlagen. Gleichzeitig stellte das Sondergericht fest, dass die von Rauter zu verantwortenden Vergeltungsmaßnahmen nicht gerechtfertigt waren, weil mit dem unprovozierten Angriff Deutschlands die Besetzung der Niederlande nicht rechtmäßig gewesen sei, weshalb die niederländische Bevölkerung die Pflicht zum Widerstand gehabt habe. Auch das Kassationsgericht schloss sich der Auffassung des Sondergerichts an und urteilte, dass die deutsche Besatzungsmacht wegen ihrer Verstöße gegen die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung kein Recht auf Vergeltung hatte.[11]

Auszeichnungen

Literatur

  • Law-Reports of Trials of War Criminals, Selected and prepared by The United Nations War Crimes Commission, Volume XIV, London, HMSO.1948. TRIAL OF HANS ALBIN RAUTER. NETHERLANDS SPECIAL COURT IN 'S-GRAVENHAGE (THE HAGUE).(JUDGMENT DELIVERED ON 4TH MAY, 1948) AND NETHERLANDS SPECIAL COURT OF CASSATION (JUDGMENT DELIVERED ON 12TH JANUARY, 1949) [1]
  • Hans Schafranek: Sommerfest mit Preisschießen. Die unbekannte Geschichte des NS-Putsches im Juli 1934. Czernin-Verlag. Wien 2006, ISBN 3707600815
  • Ruth Bettina Birn: Hanns Rauter. Höherer SS-und Polizeiführer in den Niederlanden. In: Ronald Smelser, Enrico Syring (Hrsg.): Die SS. Elite unter dem Totenkopf. 30 Lebensläufe. Schöningh, Paderborn 2000, S. 408–417, ISBN 3-506-78562-1.
  • Rijksinstituut voor Oorlogsdocumentatie: Het Proces Rauter. Bronnenpublicaties, Processen Nr.5. s’Gravenhage 1952
  • Ruth Bettina Birn: Die Höheren SS- und Polizeiführer. Himmlers Vertreter im Reich und in den besetzten Gebieten. Droste Verlag, Düsseldorf, 1986. ISBN 3-7700-0710-7
  • Ch. Tepperberg: Rauter Johann Bapt. (Hanns) Albin. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 8, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1983, ISBN 3-7001-0187-2, S. 444 f. (Direktlinks auf S. 444, S. 445).
  • Erich Stockhorst: 5000 Köpfe – Wer war was im Dritten Reich. Arndt, Kiel 2000, ISBN 3-88741-116-1. 

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Biographie Hanns Albin Rauter von GO2WAR2NL
  2. Kösener Corpslisten 1960, 49, 177
  3. Gehler, M.: Student Corporations in Austria and the Right: A Historical Outline. in: Bischof, G. /Pelinka, A. (Hg.): Austro-corporatism: past, present, future. Transaction Publishers, New Brunswick, 1996. S. 289–303, bes. S. 296
  4. Hans Schafranek: Sommerfest mit Preisschießen: die unbekannte Geschichte des NS-Putsches im Juli 1934. Wien, Czernin Verlag, 2006, S. 13
  5. Porträt und Biographie im Hanns Albin Rauter in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
  6. Ruth Bettina Birn: Die Höheren SS- und Polizeiführer. Himmlers Vertreter im Reich und in den besetzten Gebieten., Düsseldorf 1986, S. 343.
  7. Die Namen der 38, die am 8. März 1945 in Den Haag hingerichtet wurden / Slachtoffenlijsten / Executies 1945
  8. Artikel zu den Hinrichtungen am 8. März 1945 in Amersfoort
  9. Ausführlicher Artikel zum Hergang des Anschlags und der nachfolgenden Vergeltungsmaßnahmen (niederl.)
  10. Kurzinfo zum Urteil
  11. A. R. Albrecht: War Reprisals in the War Crime Trials and in the Geneva Conventions of 1949. In: The American Journal of International Law Vol. 47, No. 4 (October 1953), 590–614.

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