Haus Tenge

Haus Tenge
Haus Tenge mit dem Restaurant „la vie

Das Haus Tenge ist ein unter Denkmalschutz stehendes klassizistisches Wohn- und Geschäftshaus mit Steinwerk in Osnabrück (Niedersachsen). Der Stahlunternehmer und RWE-Vorstandsvorsitzende Jürgen Großmann betreibt darin das Gourmetrestaurant „la vie“, das mit drei Guide Michelin-Sternen ausgezeichnet ist.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gegenüber dem Osnabrücker Rathaus baute Ernst Friedrich Tenge (1759-1824) in den Jahren 1813 und 1814 in der Krahnstraße ein Wohn- und Geschäftshaus. Tenge gehörte zu einer angesehenen Osnabrücker Familie, die von dem aus Ibbenbüren zugezogenen und 1572 als Bürger der Osnabrücker Altstadt verzeichneten Schmied Johann Tenge abstammt. Die Mitglieder der Familie waren Kaufleute, Mitglieder des Krameramts, Leinen- und Weinhändler, Tabakfabrikanten, betrieben eine Brauerei und gehörten dem Rat der Neustadt an. Ernst Friedrich Tenge besuchte das Ratsgymnasium, lebte einige Zeit in Amsterdam, kehrte 1782 nach Osnabrück zurück und heiratete 1786 Dorothea Beissner (1770-1850), die Tochter eines wohlhabenden Osnabrücker Tuchhändlers. Während der napoleonischen Kontinentalsperre, bei deren Verhängung Tenge durch einen Zufall über große Vorräte an Rohtabak verfügte, kam er zu einem ansehnlichem Vermögen. Tenge besaß bereits das Haus Krahnstraße 1, kaufte das daneben liegende Haus Krahnstraße 2 hinzu und ließ auf den Grundstücken ein Wohn- und Geschäftshaus errichten, wobei ein rückseitig liegendes Steinwerk erhalten blieb.

Im Erdgeschoss des dreigeschossigen Hauses mit Walmdach lagen das Kontor sowie Wirtschafts- und Verkaufsräume, im ersten Stock ein repräsentativer Saal, im Obergeschoss Wohn- und Lagerräume. Der Bankettsaal ist der einzige eines klassizistischen Hauses, der in Osnabrück erhalten ist. Der mittlere Teil der Fassade ist mit vier Pilastern verziert, über dem Eingang befindet sich ein Lorbeer-Feston, ein mit Palmenzweigen durchflochtener Lorbeerkranz unter dem Mittelfenster. Die Sandsteinfassade wurde mit Ölfarbe gestrichen, was zu ihrem Erhalt beitrug.

Stolperstein zur Erinnerung an Gertrud David

Drei Generationen der Familie Tenge lebten und wirtschafteten in dem Haus, bis es 1879 an Abraham und Levy David verkauft wurde, die darin ein Geschäft für Damen- und Herrenkonfektion betrieben. Sie ließen im Erdgeschoss Schaufenster einbauen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde ihr Nachkomme Otto David gezwungen, das Haus an die Stadt Osnabrück zu verkaufen. David wurde in ein Konzentrationslager gebracht, überlebte aber. Zur Familie David gehörte auch die 1898 geborene Gertrud David. Sie litt an Kinderlähmung und Epilepsie, wurde 1940 deportiert und im selben Jahr als Opfer nationalsozialistischer Euthanasie in der Landespflegeanstalt Brandenburg vergast. An sie erinnert ein Stolperstein, den der Künstler Gunter Demnig am 30. März 2008 zu ihrem Gedächtnis vor dem Haus Tenge verlegte.[1]

Die Stadt wollte das Haus Tenge für Verwaltungsbüros nutzen. Nach Beginn der Bombenangriffe auf die Stadt während des Zweiten Weltkrieg wurden darin jedoch Mieter untergebracht, die ihr Obdach verloren hatten. Auch das Dachgeschoss des Hauses Tenge wurde durch Bombardement beschädigt. Otto David, der durch die Folgen von Lagerzeit und Zwangsarbeit gesundheitlich stark beeinträchtigt war, erhielt das Haus nach Ende des Zweiten Weltkriegs zurück und verkaufte es 1960 an Wilhelm Dopjans. 1963 wurde das Gebäude grundlegend renoviert. Von 1965 bis 1975 war es an Rinklake van Endert aus Münster (Westfalen) vermietet, der es als Dependance seines Einrichtungshauses nutzte. Ein Möbelhaus betrieb anschließend auch die Firma Dopjans-Möllmann. Sie ließ den ursprünglichen Zustand weitgehend wieder herstellen, wobei die großflächigen Schaufenster im Erdgeschoss zurückgebaut wurden.

Restaurant „la vie“

Nachdem der Stahlmanager Jürgen Großmann 1988 als Sanierer der Georgsmarienhütte GmbH nach Osnabrück gekommen war und das Unternehmen 1993 für einen symbolischen Betrag gekauft hatte, suchte er nach einer Möglichkeit, sein Interesse an Spitzenküche, an der es in Osnabrück mangelte, mit einem eigenen Restaurant umzusetzen, „damit die Promis auch in die Provinz kommen“. [2] Er kaufte das Restaurant „la vie“ gegenüber dem Heger Friedhof. Mit dem Restaurant zog er später in das Haus Tenge um, stattete den Bankettsaal mit Werken des Malers Markus Lüpertz aus und holte den Koch Hans-Peter Engels nach Osnabrück, der dem Restaurant den ersten Michelin-Stern und 17 Gault-Millau-Kochmützen verschaffte. Im Steinwerk wurde ein Bistro eingerichtet.

Großmann nutzte das Restaurant für Arbeitsessen und lud mehrmals im Jahr zum „Salon de la vie“ mit Referenten aus Politik und Wirtschaft ein. Zu ihnen gehörten der damalige Innenminister Otto Schily, der Unternehmer und Politiker Vural Öger, der DGB-Vorsitzende Dieter Schulte, der Siemens-Chef Heinrich von Pierer oder Kay Nehm, der Generalbundesanwalt.

Nach einem Umbau im Jahr 2006 wechselte Großmann das Küchenteam aus. [3] Der Gault-Millau-„Koch des Jahres 2006“ Thomas Bühner, der zuvor 14 Jahre lang Küchenchef des Restaurants „La Table“ im Casino Hohensyburg gewesen war und sich dort zwei Michelin-Sterne erkocht hatte, nahm seine Arbeit im Mai 2006 auf. 2007 erhielt das Restaurant „la vie“ den zweiten Stern.[4] In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bemängelte im November 2008 der Gastronomiekritiker Jürgen Dollase, der Thomas Bühner zu den „modernsten Köchen Europas“ zählte, dass dieser „noch nicht einmal als Hoffnungsträger für drei Sterne (gilt), was man nur als bedauerlichen Fehler ansehen kann“.[5] Die Ausgabe 2010 des Guide Michelin machte Bühner dann schließlich doch zum Hoffnungsträger für den dritten Stern.

Das Magazin Der Feinschmecker setzte das Restaurant 2008 zum zweiten Mal in der Kategorie „Trendküche“ auf Platz 1 der „besten Restaurants 2008/2009“.

Seit Januar 2009 ist das Restaurant Mitglied bei „Relais & Châteaux“; Bühner erhielt die Auszeichnung „Grands Chefs Relais & Châteaux“, die zu diesem Zeitpunkt in Deutschland mit Harald Wohlfahrt, Juan Amador und Klaus Erfort nur drei weitere Spitzenköche in Deutschland trugen. Das Restaurant hatte 2009 außerdem 19 Punkte des Gault-Millau sowie eine Reihe weiterer Auszeichnungen. „Starcookers Deutschland“ zählt Küchenchef Thomas Bühner zu den zehn besten Köchen Deutschlands.[6]

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung kürte Sven Oetzel aus dem La Vie zum Sommelier des Jahres 2010.

Anfang November 2011 erhielt das Restaurant den dritten Michelin-Stern.[7]

Literatur

  • Ilsetraut Lindemann: Die Osnabrücker Tenge-Familie In: Osnabrücker Land 1990 - Heimat-Jahrbuch Heimatbund Osnabrücker Land e. V., Kreisheimatbund Bersenbrück e. V. (Hrsg.) Osnabrück, Quakenbrück 1989, S. 202-211
  • Harald Willenbrock: Ein Stern über der Stadt In: Osnabrück und das Osnabrücker Land, Merian extra 2005, S. 80-83

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Stolpersteine in Osnabrück
  2. David Schraven: „Duzfreund mit harter Hand“ In: Die Welt vom 18. Dezember 2007
  3. Umbau des Gebäudes 2006
  4. Zweiter Michelin-Stern für „la vie“
  5. Jürgen Dollase: Michelin 2009 - Heinz Winkler auf zwei Sterne degradiert In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. November 2008
  6. Starcookers Deutschland (Link nicht mehr abrufbar)
  7. http://www.noz.de/lokales/58520160/dritter-stern-fuer-das-osnabruecker-la-vie-buehner-kocht-sich-an-die-weltspitze
52.2771568.041181

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