Herrschaft Jever

Herrschaft Jever
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Territorium im Heiligen Römischen Reich

Herrschaft Jever
Wappen
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Karte
Jever Ostfriesland 1500.png
Herrschaft Jever und Umgebung um 1500
Sprache/n Deutsch

Die Herrschaft Jever war ein Territorium des Heiligen Römischen Reiches. Es war zunächst von der Einteilung des Reiches in Reichskreise ausgenommen, wurde aber 1548 dem Burgundischen Reichskreis angeschlossen.

Die Herrschaft Jever erstreckte sich am westlichen Ufer des Jadebusens im Osten der Ostfriesischen Halbinsel und grenzte im Süden an Oldenburg und im Westen an das politische Territorium Ostfriesland. Sie bildete sich im 15. Jahrhundert aus den drei Gauen Rüstringen, (genau: dem „Viertel Bant“ von Rüstringen), Östringen und Wangerland sowie der Insel Wangerooge. Residenzsitz war die Stadt Jever. Sie umschloss die Herrschaft Kniphausen, die erst 1858 zum Amt Jever kam. Das Wappen bestand aus einem goldenen gekrönten Löwen auf blauem Grund.

Die nördliche Hälfte des heutigen Landkreises Friesland, das so genannte Jeverland, lässt sich territorialgeschichtlich auf die Herrschaft Jever zurückführen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Grabmal Edo Wiemkens (d. J.) in der Stadtkirche zu Jever

Im Jahre 1359 soll es Edo Wiemken gelungen sein, die Herrschaftsbereiche der drei Häuptlinge in Rüstringen, Östringen und Wangerland, die auch hier die Zeit der sogenannten Friesischen Freiheit beendet hatten, unter seiner eigenen Regentschaft zu vereinigen (mittlerweile ist dies in der geschichtswissenschaftlichen Diskussion umstritten, und wahrscheinlich gelang die dauernde Einigung der „jeverländischen“ Gebiete erst im 15. Jahrhundert). In den folgenden 200 Jahren verblieb Jever unter der Herrschaft seiner Nachkommen, denen es gelang, die Herrschaftsansprüche der erstarkenden Grafen von Ostfriesland aus der Familie der Cirksena, die die dortige lokale Häuptlingsherrschaft beendet hatten, abzuwehren und sich von der weiteren politischen Entwicklung Ostfrieslands abzusondern.

Von 1517 bis 1531 stand das Gebiet unter starkem politischem Einfluss Ostfrieslands, da der einzige männliche Erbe des vorigen Regenten Edo Wiemken des Jüngeren, Christoph, im Alter von 18 Jahren plötzlich verstorben war und eine Tochter Edos, Maria, mit dem Erben des ostfriesischen Grafen Edzard des Großen, Enno, verlobt wurde. Dieses Heiratsversprechen wurde endgültig im Jahre 1530 mit der Heiratsschließung zwischen Enno II. und Anna von Oldenburg gebrochen. Zuvor war es Enno in einer handstreichartigen Aktion gelungen, die nominell herrschenden Erbfräulein Maria und Anna im Jahre 1527 in ihrer Burg zu Jever gefangenzunehmen.

Nachdem man 1531 aber Besatzer hatte vertreiben können, beschlossen am 12. April 1532 Anna und Maria, das zuvor als Allod bestehende Herrschaftsgebiet dem Herzogtum Brabant und der Grafschaft Holland, die sich in der Hand von Kaiser Karl V. befanden, als Lehnsgebiet unterzuordnen und damit die Reichsunmittelbarkeit aufzugeben. Als Folge davon wurde die Herrschaft Jever 1548 auf dem Reichstag in Augsburg dem Burgundischen Reichskreis angeschlossen. 1573 setzte die verbliebene Regentin Erbfräulein Maria ihren Cousin Graf Johann VII. von Oldenburg entgegen den Ansprüchen des ostfriesischen Grafen testamentarisch als Erben ein. Der Brüsseler Hof als Lehnsherr stimmte dieser Verfügung zu. Graf Edzard II. von Ostfriesland behielt nach Marias Tod im Jahre 1575 seine Herrschaftsansprüche aufrecht, die aber am 12. August 1588 endgültig durch Urteil des Brabanter Lehenhofs abgewiesen wurden. Nun war die Herrschaft Jever mit der Grafschaft Oldenburg verbunden.

Der Sohn und Nachfolger von Graf Johann XVI., Anton Günther, legte testamentarisch fest, dass nach seinem Tode die Herrschaft Jever an seinen Neffen, den Fürsten Johann von Anhalt-Zerbst fallen sollte. Die Herrschaft Kniphausen sollte sein unehelicher Sohn erhalten. 1667 starb Anton Günther, und die gräflich-oldenburgische Linie des Hauses Oldenburg hatte keinen legitimen männlichen Erben. Der dänische König Christian V., der Mitglied einer oldenburgischen Nebenlinie war und die Grafschaft Oldenburg erbte, erhob ebenfalls Anspruch auf die Herrschaft Jever, die er 1675 besetzen ließ.

Der französische König Ludwig XIV., der zwischenzeitlich den Titel des Herzogs von Burgund erworben hatte und damit die Lehnsoberhoheit über Jever hatte, unterstützte ihn, indem er ihn 1682 formell mit der Herrschaft Jever belehnte. Die Beamten des Fürsten von Anhalt-Zerbst wurden vertrieben. Anhalt-Zerbst legte auf dem Reichstag Protest ein. Am 16. Juli 1689 konnte man sich in Kopenhagen auf einen Vergleich einigen. Anhalt-Zerbst erhielt die Herrschaft Jever als reichsunmittelbares Gebiet zurück und konnte seine Anwartschaft auf die Herrschaft Kniphausen wahren, musste aber dafür andere Landstriche, die Dänemark beanspruchte, abgeben und einen Betrag von 100.000 Talern entrichten.

In den Jahren 1685 und 1717 war Jever von schweren Flutkatastrophen betroffen. Der letzte Fürst von Anhalt-Zerbst, Friedrich August, verkaufte während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges Jeveraner Soldaten an Großbritannien.

Nachdem die Linie Anhalt-Zerbst im Jahre 1793 ausstarb, wurde die Herrschaft Jever aufgrund ihres Status’ als Kunkellehen nicht in die Zerbster Teilung mit einbezogen, sondern fiel an die nächste Verwandte, die russische Zarin Katharina II. (die Große), die nun Landesherrin über Jever wurde. Als Statthalterin wurde von Katharina die Witwe des letzten Zerbster Fürsten, Friederike Auguste Sophie, eingesetzt, die diese Funktion bis 1806 ausführte. Zar Alexander I. trat die Herrschaft Jever am 7. Juli 1807 im Frieden von Tilsit an das unter napoleonischer Vorherrschaft stehende Königreich Holland ab und eroberte sie im November 1813 wieder zurück. Von 1810 bis 1813 war das Gebiet ein Teil des Kaiserreichs Frankreich gewesen und hatte zum Département Ems-Oriental gehört.

Nach dem Rückzug der napoleonischen Truppen trat 1813 Russland wieder in seine Rechte ein, gab die Herrschaft Jever aber 1818 an das Großherzogtum Oldenburg ab. Sie wurde jetzt nicht mehr, wie durchgehend bis 1807 praktiziert, in Personalunion regiert, sondern faktisch zu einem oldenburgischen Amt degradiert. Nach 1814 gab es auf dem heute „Jeverland“ genannten Gebiet außer dem Amt Jever noch die Ämter Tettens und Minsen (Sitz Hooksiel) und die Herrschaft Kniphausen (ab 1854 ebenfalls oldenburgisches Amt). Auf Grund einer Verwaltungsreform wurden diese Ämter 1858 im Amt Jever zusammengefasst (ohne Wilhelmshaven), ab 1879 „Verwaltungsamt Jever“. Dazu gehörten die Kirchspiele Accum, Fedderwarden, Heppens, Hohenkirchen, Kleverns, Middoge, Minsen, Neuende mit Bant, Oldorf, Pakens, Sande, Schortens, Sengwarden, Sillenstede, St. Joost, Tettens, Waddewarden, Wangerooge, Westrum, Wiarden, Wiefels und Wüppels.

1902 wurde die Stadt Rüstringen, aus den ehemaligen Landgemeinden Bant, Heppens und Neuende gebildet, ausgegliedert. Die Ämter Jever und Varel wurden 1933 zum „Amt Friesland“ mit Sitz in Jever vereinigt, ab 1939 „Landkreis Friesland“.

Verfassungsentwicklung

Die Landstände von Jever konnten unter der Herrschaft der autochthonen Wiemkens, der Grafen zu Oldenburg, der Fürsten zu Anhalt-Zerbst und des russischen Kaiserhauses ihre Vorrechte bewahren. Erst König Louis Bonaparte von Holland hob diese auf.

Liste der Herren von Jever

Graf Anton Günter aus seinem Apfelschimmel
Zarin Katharina II.
  • Haus Wiemken 1358–1575
    • Edo Wiemken (1358–1410)
    • Sibet Papinga (1410–1433)
    • Hajo Harlda (1433–1438)
    • Tanno Düren (1438–1468)
    • Hajo (1468)
    • Edo Wiemken der Jüngere (1468–1511)
    • Anna (1511–1536)
    • Maria von Jever (1511–1575)
  • Russland 1793–1807
  • Frankreich 1810–1813

Literatur

  • Georg Sello: Die territoriale Entwicklung des Herzogtums Oldenburg. Oldenburg 1917
  • Georg Sello: Östringen und Rüstringen. Ad. Littmann, Oldenburg 1928
  • Jeverländischer Altertums- und Heimatverein: Ein Blick zurück. Beiträge zur Geschichte des Jeverlandes. C.L.Mettcker & Söhne, Jever 1986
  • Albrecht Eckhardt, Heinrich Schmidt (Hrsg.): Geschichte des Landes Oldenburg. 3. Aufl. Holzberg, Oldenburg 1998, ISBN 3-87358-285-6
  • Wolfgang Petri: Fräulein Maria von Jever. Ostfriesische Landschaft, Aurich 1994. ISBN 3-925365-77-X
  • Ernst Schubert, Hans Patze (Hrsg.): Geschichte Niedersachsens. Bd. 2 Teil 1, Hildesheim 1997, ISBN 3-7752-5900-7
  • Hans Patze, Christine van den Heuvel, Manfred von Boetticher (Hrsg.): Geschichte Niedersachsens. Bd. 3 Teil 1, Hildesheim 1998, ISBN 3-7752-5901-5
  • Antje Sander (Hrsg.): Das Fräulein und die Renaissance. Maria von Jever 1500–1575. Isensee Verlag, Oldenburg 2000. ISBN 3-89598-711-5

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