INPOL-neu

INPOL-neu

INPOL-neu ist das bundesländerübergreifende Informationssystem der Polizei beim Bundeskriminalamt, das 2003 das veraltete System INPOL ablöste. INPOL-neu ist als Verbunddatei aufgebaut. Das Verbundsystem besteht aus den beiden Bereichen: INPOL-zentral beim Bundeskriminalamt und das bei der jeweiligen Landespolizei betriebene System INPOL-Land (oft auch als POLAS oder POLIS bezeichnet).

Inhaltsverzeichnis

Entwicklungsgeschichte

Bereits Ende der 1980er Jahre wurden die technischen Grenzen des 1972 bundeseinheitlich eingeführten Polizeisystems INPOL erreicht. 1992 wurde die Neukonzeption beschlossen. Im Mai 1995 wurde das technische Grobkonzept für das Nachfolgesystem vorgelegt. Seit 1996 arbeitete beim BKA eine 130 Personen starke Gruppe an dem Projekt. Die Programmierung begann 1998.[1]

INPOL-neu wurde zunächst (bis mindestens 2001) vom Systemhaus debis federführend, später von der Telekom-Tochter T-Systems, weiterentwickelt. Bereits bei einem ersten Probelauf im April 2001 brach das ursprünglich vom Bundeskriminalamt federführend entwickelte System INPOL-Neu nach wenigen Minuten zusammen und stürzte ab.

Ein vernichtendes Gutachten des international tätigen Beratungsunternehmen KPMG stellte fest, dass das System zu unausgereift und komplex war. Es wurde mittels Verringerung der Funktionalität eine Reduzierung der Komplexität vorgeschlagen. Im Oktober 2001 drohte zwischenzeitlich das komplette Kippen des Projekts.[2] Daraufhin wurde beim BKA eine neue Version entworfen, die auf dem von Hessen und Hamburg entwickelten und betriebenen Computersystem POLAS basiert.[3] Dies geschah unter Harald Lemke, dem damaligen IT-Direktor des BKA, der bereits bei der Hamburger Polizei das Projekt POLAS noch erfolgreich wenden konnte.

Das bundesweit einheitliche Informationssystem INPOL-neu ging erst 2003 mit zweijähriger Verspätung an den Start.[4] Damit hat es endgültig das aus dem Jahr 1972 stammende System INPOL-aktuell abgelöst.

Die neue Anwendung ist erstmals grafikfähig und kann so Bilddateien von Personen wiedergeben. Seit 2006 ist die Anwendung INPOL-neu 5.0 in Betrieb, entwickelt und betrieben wird die Software vom Bundeskriminalamt.

Kosten

Die mangelhafte Abstimmung zwischen Bund und Ländern kostete den Steuerzahler rund 50 Millionen Euro[5]. Der Bundesrechnungshof hat die Kosten für INPOL-neu auf etwa 60 Millionen Euro beziffert.

Laut dem Magazin Focus sollen (unter Berufung auf BKA-Insider) mindestens 140 Millionen Mark zu den vorgesehenen Kosten von 100 Millionen Mark hinzugekommen sein.[6]

Inhalte, Aufbau, Aufgaben

Alle wichtigen Meldungen über Straftaten und Straftäter, die nicht nur lokalen oder regionalen Charakter haben, werden in INPOL-neu gespeichert.

Beispielsweise werden Angaben über Straftäter, Kriminalakten, Fälle und Haftstrafen gesammelt und gespeichert.

Über INPOL-neu werden zwei Datenbanken zur Verfügung gestellt: eine für kriminalpolizeiliche Recherchen sowie eine Datei für Standardanfragen. Neben einer schnellen und unkomplizierten Bewältigung polizeilichen Anwendungen sollen auch Querbezüge zwischen mehreren Tatverdächtigen, Tatorten und -waffen möglich sein.

INPOL-neu soll auch automatisiert Beziehungsgeflechte zwischen gesuchten Personen, Gegenständen und offenen Fällen herstellen können.[7]

Das System ermöglicht Anfragen, beispielsweise für eine Funkstreife vor Ort oder bei einer Grenzkontrolle an einem deutschen Flughafen zu folgenden Fragestellungen: Wer wird gesucht? Wonach wird gefahndet? Besteht ein Haftbefehl? Fahndet das Ausland? Liegt der Verdacht der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation vor? Ist das Fahrzeug gestohlen?

Zu den Aufgaben und Funktionen von INPOL-neu gehören:

  • Fahndungssystem
  • Informations- und Recherchesystem

Zugriffe, Datenaustausch und Datenübermittlung

Der Zugriff auf INPOL-neu erfolgt entweder über die spezifische Zugangssoftware AGIL (genauer: über die in der Arbeitsgruppe INPOL-Land abgestimmte Software) oder unmittelbar über das Vorgangsbearbeitungssystem des Bundeslandes.

Angeschlossen an INPOL-neu sind:

Die Mitarbeiter dieser Behörden haben unterschiedliche Zugriffe auf INPOL-neu. Der unterschiedliche Zugang zu der Datenbank soll über hierarchische Zugangsberechtigungen geregelt sein, sodass nicht jeder Nutzer jede Information erhalten kann.

Der weitaus größte Teil der insgesamt in INPOL-neu verarbeiteten Daten stammt aus der Anbindung der bei den Länderpolizeien betriebenen Datenbanken.

Über INPOL-neu existiert der Zugriff auf nationale und internationale Datenbestände:

Zudem besteht die Möglichkeit für unmittelbaren Zugriff auf polizeiexterne Datenquellen:

Daten und Fakten

Von 270.000 Arbeitsplätzen[8] in ganz Deutschland können Polizisten auf INPOL-neu zugreifen. Im Idealfall ist jeder polizeiliche Arbeitsplatz angeschlossen.

Die INPOL-Personenfahndungsdatei beinhaltete Ende 2006[9] u. a. folgende Bestände:

  • 628.200 Festnahmeersuchen
  • 178.200 Ausschreibungen zur Aufenthaltsermittlung

In der INPOL-Sachfahndungsdatei sind etwa 10,66 Mio. Gegenstände erfasst, die wegen eines möglichen Zusammenhangs mit Straftaten gesucht werden. In der Sachfahndung enthalten sind etwa:

Im April 2001[10] waren

  • 790.000 Personenfahndungen, davon 580.000 auf Ausweisungsverfügungen gegen untergetauchte Ausländer gespeichert.

In der Sachfahndungsdatei waren 2001 rund 8 Millionen Gegenstände erfasst, die im Zusammenhang mit Straftaten standen:

  • 3,6 Millionen verschwundene Ausweispapiere
  • 1 Million Fahrräder
  • 160.000 gesuchte Schusswaffen
  • 40.000 Lastwagen
  • 37.000 Krafträder

Technik

Das Bundeskriminalamt verfügt über insgesamt zehn HP/UX-Server mit insgesamt mehr als 20 CPUs und mehr als 20 Gigabyte Arbeitsspeicher. Daran hängen, laut Auskunft eines Entwicklers, „etliche Terabyte an Plattenkapazität“.[1]

Aus Kunden-Referenzen und Profilen ist bekannt, dass u.a. folgende Systeme und Technologien eingesetzt werden bzw. wurden:

Rechtsgrundlage

BKA-Gesetz

Das Bundeskriminalamt betreibt INPOL-neu in seiner Rolle als Zentralstelle für den elektronischen Datenverbund zwischen Bund und Ländern. Die Verbunddatei wird im § 11 BKA-Gesetz (BKAG) geregelt.

Datenschutzrechtliche Aspekte

Bei INPOL-neu werden alle Daten in einem gemeinsamen Daten-Pool gespeichert und Länder- und Bundesdateien sind nicht mehr so eindeutig voneinander getrennt wie in INPOL. Da die einmal eingegebenen Daten rechtlich im Besitz der Länder bleiben müssen, ist die geplante zentrale Speicherung im Auftrag der Länder beim BKA datenschutzrechtlich zumindest umstritten.[11]

Die Polizeigesetze (Landesebene) sehen vor, dass Landesdaten nur in den Ländern genutzt werden sollen. Vor allem aus datenschutzrechtlichen Gründen mahnen Datenschützer daher seit 1999 angesichts eines nun zentralen Datenbestandes beim BKA an, abgestufte Nutzerberechtigungen sowie Pseudonymisierungsfunktionen zu beachten. Inwieweit dies umgesetzt worden ist, ist nicht verlässlich bekannt oder geprüft.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Fass ohne Boden, Telepolis, 25. Januar 2001
  2. INPOL-Projekt des Bundeskriminalamts vor dem Aus?, Computerwoche, 43/2001, Oktober 2001
  3. BKA übernimmt Polizei-Software von Hamburg und Hessen, heise online, 1. Februar 2002
  4. Schily: Umstellung auf neues Polizei-Computersystem abgeschlossen, heise online, 18. August 2003
  5. IT-Vorhaben der Polizei – eine Leidensgeschichte, Computerwoche, 41/2007, Oktober 2007
  6. BKA wegen neuem Computersystem mit Defizit, heise online, 18. Februar 2001
  7. Neues Polizei-Computersystem so einfach wie Internet, heise online, 13. März 2002
  8. Deutsche Polizei erhält neues Computernetz, PC-Welt, 1. August 2003
  9. Polizeiliches Informationswesen beim BMI
  10. Hintergrund - Das neue Polizei-Informationssystem, heise online, 4. Januar 2001
  11. BKA räumt massive Schwierigkeiten mit neuem Computersystem ein (Update), heise online, 9. April 2001

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