Independent Media Center

Independent Media Center
Logo der deutschsprachigen Ausgabe. Es wird international in Variationen verwendet.

Indymedia oder auch Independent Media Center (IMC) (auf Deutsch: Unabhängiges Medienzentrum) ist ein globales Netzwerk von unabhängigen Medienaktivisten und Journalisten, welches sich zugleich als Teil der sozialen Bewegungen des Graswurzel-Journalismus sieht. Indymedia ist aus den globalisierungskritischen Bewegungen hervorgegangen und ist im Spektrum der neuen sozialen Bewegungen und der linken Alternativbewegung beheimatet. Indymedia wird laut deutschen und österreichischen Verfassungsschutzberichten auch von Linksextremisten als Kommunikationsmedium genutzt.[1]

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Zielsetzung

Indy-Center in Edinburgh während des G8 im Juli 2005. Während vieler Großereignisse werden von Aktiven aus aller Welt solche Medienzentren aufgebaut, die für alle offen sind.

Das Netzwerk der verschiedenen Gruppen hat sich der unabhängigen, zunächst unzensierten, unkommerziellen Berichterstattung verschrieben und versteht sich als Teil des globalen antikapitalistischen Widerstands. Den Grundstein für dieses Netzwerk legten Hacker und Journalisten Ende November 1999 durch die Berichterstattung über die Proteste anlässlich der WTO-Ministerkonferenz in Seattle. Zunächst als temporäre Medienplattform gedacht, wuchs Indymedia innerhalb weniger Jahre zu einem weltumspannenden Netzwerk mit mehr als 150 lokalen Ablegern auf allen Kontinenten. Dabei sieht sich Indymedia als Plattform, die bereits bestehende alternative Medienprojekte vernetzen will.

Ursprünglich wurden viele Artikel unter die OpenContent License veröffentlicht. Ab dem Jahre 2004 können sich die Autoren zwischen verschiedenen Creative-Commons-Lizenz-Varianten entscheiden oder die Beiträge in der Public Domain freigeben. Das Logo ist für die nichtkommerzielle Verwendung lizenziert.

Indymedia steht gemäß eigener Grundsätze jedermann zur freien Verbreitung von Informationen zur Verfügung:

Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt.

Verbreitung

Mitte 2001 existierten etwas mehr als zehn, Ende 2002 schon rund 100 lokale Independent Media Center auf der ganzen Welt, verteilt auf 31 Länder und sechs Kontinente. Anfang 2005 sind es bereits 165 lokale Projekte sowie verschiedenste globale Schwerpunktseiten, z. B. zur Koordination von Übersetzungen, zu den Themen Ökologie oder Biotech oder zu Indymedia-Radio-Projekten, TV- und Videoprojekten, Zeitungsprojekten, zu Technik- und Netzwerkprozess, und weitere. Zusätzlich existieren zahlreiche Blogs von Indyaktivisten.

Das Land mit den meisten IMCs sind derzeit die Vereinigten Staaten von Amerika mit 60, gefolgt von Kanada mit zwölf. Während in den USA die IMCs lokal organisiert sind, gründeten sich in Europa und Lateinamerika zunächst landesweite Indymedia-Netzwerke. Viele Länder-IMCs sind derzeit dabei sich zu dezentralisieren. Die einzelnen Gruppen finanzieren sich selbstständig, und zwar vorwiegend aus Spenden. Das Mitwirken an Indymedia ist dabei vollkommen unentgeltlich.

Spektrum

Die IMCs betreiben sowohl Print- als auch Audio- und Videojournalismus, sind aber überwiegend durch ihre Internet-basierten Nachrichten bekannt geworden: Die Internetseiten werden nach dem Open-Publishing-System erstellt, was bedeutet, dass dort jeder Informationen veröffentlichen kann.

Dadurch entspricht ein Teil der Veröffentlichungen nicht unbedingt journalistischen Standards, Berichte sind subjektiv gefärbt, teils in Umgangssprache verfasst, und spiegeln auch interne Grabenkämpfe wider. Gelegentlich wird bei einigen Indymedia-Seiten die Postingfunktion dazu missbraucht, antisemitische oder rassistische Texte oder Spam zu veröffentlichen. Der Moderationspolitik entsprechend werden diese jedoch in das „Müllarchiv“ verschoben. Bei einigen Indymedia-Seiten ist es üblich, dass Artikel zunächst auf einer „Openposting-Seite“ erscheinen und dann, wenn sie den Kriterien entsprechen, auf die Startseite gestellt werden. Kriterium ist bei den meisten Seiten: Der Artikel sollte ein selbstverfasster Bericht sein.

Indymedia beschreibt sich dabei selbst: „Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.

Indymedia bietet so bei medial vernachlässigten gesellschaftlichen und politischen Konflikten den direkt Betroffenen eine barrierefreie und anonyme Möglichkeit, ihre Situation zu schildern. Das Spektrum der Autoren reicht von Bürgerrechtlern, Autonomen- und Antifa-Gruppen über Umweltschutz- und Tierrechtsgruppen, Initiativen für mehr oder für direkte Demokratie, protestierenden Studenten, Marxisten, Globalisierungskritikern bis zu (anarchistischen) Gewerkschaftern, Hausbesetzern, Bauwagenplatzbewohnern, Belegschaften streikender Betriebe und Einzelpersonen.

Einschätzung durch Verfassungsschutzbehörden

Deutschland:

Indymedia wird vom Bundesverfassungsschutz als ein „von Linksextremisten verstärkt genutzte[s] Internetportal“ bezeichnet.[2] Das Innenministerium Nordrhein-Westfalens meint, „`Indymedia` richtet sich vor allem an linksalternative und linksextremistische Nutzer und Konsumenten und versteht sich als frei zugängliches Nachrichtenmedium, das eine Gegenöffentlichkeit zu den kommerziellen Medien schaffen will.“ Zusammen mit anderen Internetportalen wird auch Indymedia „als Vernetzungs-, Agitations- und Mobilisierungsmedium für linksextremistische Inhalte“ benutzt.[3] Der Verfassungschutz des Landes NRW bezeichnet das Portal als eine der wichtigsten Internet-Informationsseiten der linksextremistischen Szene.[4]

Österreich:

„Indymedia Austria“ stellt laut dem Verfassungsschutzberichten des Österreichischen Innenministeriums eine der „bekanntesten und am häufigsten genutzten Internetplattformen des linksextremen Spektrums in Österreich dar.[5]

Konflikte mit staatlichen Organen

Großbritannien:

Am 7. Oktober 2004 hatte das FBI auf Drängen italienischer und Schweizer Behörden die Server von Indymedia vorübergehend beschlagnahmt. Der britische Host-Provider Rackspace, dessen Hauptsitz sich in Texas befindet, wurde mittels Zwangsanordnung dazu aufgefordert, die Server an die US-Behörden zu übergeben. Indymedia wurde von dem Vorgehen überrascht, 20 ihrer Websites waren plötzlich nicht mehr erreichbar. Auf Anfrage teilte der Provider Rackspace den Betreibern der Seite Indymedia mit, dass er diese nicht über die Anordnung informieren durfte. Zu dem damaligen Zeitpunkt hatten Schweizer als auch italienische Behörden das Netzwerk unter anderem wegen Terrorismus-Verdachts im Visier. Darüber hinaus sah sich Indymedia in der Vergangenheit aufgrund zahlreicher Aktionen bereits mehrfach mit der US-Bundespolizei konfrontiert. Dies führte dazu, dass das Sicherheitskonzept des Projekts neu überdacht wurde. Vor dem G8-Gipfel in Schottland wurden erneut Festplatten eines Indymedia-Servers beschlagnahmt.

Italien:

Auch verschiedene lokale Indymedia-Zentren bekamen immer wieder Probleme mit den Behörden. Während der Proteste in Genua anlässlich des G8-Gipfels wurde beispielsweise neben einer Schlafunterkunft für Aktivisten auch das IMC von Polizeieinheiten in einer umstrittenen Aktion durchsucht und die Pressearbeit behindert.[6] Ein RAI-3-Bericht dokumentierte die Aussagen von Augenzeugen. Demzufolge „stürmte die Polizei um Mitternacht zwei Schulgebäude in der Via Battisti, wo Mitglieder der GSF und ihre Pressestellen und auch die unabhängige Medienplattform Indymedia untergebracht waren. Den Anwälten der GSF [Genoa Social Forum], Parlamentariern und Journalisten wird der Eintritt verweigert. Mehr als fünfzig Verletzte sollen aus der Schule herausgebracht worden sein. Nach Meinung eines Anwaltes der GSF sei die Polizei auf der Suche nach Dokumentationsmaterial und äußerst nervös und gewalttätig. Sämtliche Tonbänder von Indymedia sollen konfisziert worden sein.[7]. In Italien wird Indymedia von der Alleanza Nazionale, früher Regierungspartei unter Silvio Berlusconi, als „Terroristen-Netzwerk“ bezeichnet.

Mexico

In Oaxaca wurde nach Angaben der Tagesschau und Amnesty International ein Reporter absichtlich durch einen Polizisten erschossen.[8] [9] Indymedia protestierte in dieser Gegend mit anderen linksgerichteten Gruppierungen gegen die Regierung.

Argentinien:

In den Jahren 2002 und 2003 wurden fünf Indymedia-Journalisten von Polizisten mit Gummigeschossen oder durch andere Misshandlungen schwer verletzt, als sie über diverse Proteste berichteten.[10]

Auszeichnungen

Indymedia Deutschland erzielte Nominierungen und Preise, u. a. die Nominierung für den Grimme Online Award und einen Preis der Rosa-Luxemburg-Stiftung. 2002 wurde Indymedia.de von der Jury des poldi-Awards zur „besten Online-Initiative im Bereich "Wissenschaft, Bildung und Kultur"“ gekürt. [11] Die Verleihung des Poldi führte unter anderem zu Kritik von Ronald Schill und vom CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, der dies mit „verfassungsfeindlichen Inhalte[n]“, die er bei Indymedia sieht, begründete.[12][13] Florian Rötzer sah diese Kritik bei Telepolis als Versuch, einen „politische[n] Skandal auf[zu]bausch[en]“ und meinte, der Jury müsse „Anerkennung gezollt werden, eine sicherlich in vielen Hinsichten für eine Politik der Mitte nicht angenehme, manchmal auch problematische, aber der linken und globalisierungskritischen Bewegung eine Stimme verleihende Publikationsinitiative […] mit einem Preis ausgezeichnet zu haben“.[14] Auch in anderen Ländern gab es zahlreiche Auszeichnungen für die Arbeit des Mediennetzwerkes. Nach dem 2006 Indymedia-Reporter Brad Will in Oaxaca, Mexico durch Beamte der Stadt erschossen wurde, wurde Indymedia vom mexikanischen Journalistenverband und der Antonio Sáenz de Miera Foundation für die „cooperation without orders“ ausgezeichnet. [15]

Im Mai 2008 wurde indymedia Deutschland als eines von sechs herausragenden deutschen Internetprojekten mit einer .org Domain ausgezeichnet. Neben indymedia wurden auch: netzpolitik.org, Human Rights Watch, die Wikimedia-Stiftung, bundesrepublik.org sowie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ausgezeichnet. Die Veranstaltung fand im Haus der deutschen Wirtschaft in Berlin statt. Eingeladen wurde durch die Public Interest Registry (PIR), welche seit fünf Jahren für die Vergabe von. org Domains zuständig ist.[16]

Siehe auch

Weblinks

Literatur

  • Susanne Högemann: Indymedia Deutschland. Vom vielbeachteten Start zum unbeachteten Medium. Vdm Verlag Dr. Müller, 2007, ISBN 978-3836412469 (als Diplomarbeit online verfügbar)

Quellen

  1. Deutscher Verfassungsschutzbericht 2003 (PDF-Datei), S. 155, Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen, Österreichischer Verfassungsschutzbericht 2005 (PDF-Datei), S. 46
  2. Deutscher Verfassungsschutzbericht 2003 (PDF-Datei), S. 155
  3. Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen: Internet und elektronische Kommunikation (abgerufen am 19. Mai 2007)
  4. Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2004, S. 151
  5. Österreichischer Verfassungsschutzbericht 2005 (PDF-Datei), S. 46
  6. Telepolis: Angriff auf unbequeme Journalisten in Genua, 23. Juli 2001
  7. Der Standard: Nachlese: Blutige Polizei-Razzia im Pressebüro des Genoa Social Forum, 21. Juli 2006
  8. Wikinews: Indymedia-Reporter in Oaxaca mit hoher Wahrscheinlichkeit absichtlich von Polizisten erschossen
  9. Amnesty International: Urgent Action Nr. UA-227/2006-3
  10. Amnesty International: Argentinien. Journalisten. Presseakkreditierung – Die falschen Empfehlungen? Drohungen, Attacken und Einschüchterungen gegen Mitglieder der Presse (pdf), Juni 2004
  11. politik-digital: Jurypreis für Wissenschaft, Bildung & Kultur: indymedia.de, 29. August 2002
  12. Die Welt: Politiker vergeben Medienpreis an linksextreme Internet-Seite, 13. September 2002
  13. Die Welt: Affäre um linksextreme Website weitet sich aus, 14. September 2002
  14. Florian Rötzer: Update: Für Rechtspopulist Schill ist sogar die RAF bei Indymedia noch aktiv, 17. September 2002
  15. Artikel "Mexican journalists give recognition to Indymedia Mexico and to Brad Will", 8. Dezember 2006
  16. Coole Webseiten sind „.org“anisiert (auf indymedia am 17.05.08)

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