2. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten

2. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten

Der 2. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten verbietet als Teil der Bill of Rights der Bundesregierung, das Recht auf Besitz und Tragen von Waffen einzuschränken. Er wurde mit den anderen ersten zehn Zusatzartikeln am 15. Dezember 1791 verabschiedet. Das genaue Ausmaß dieses Verbots ist eine der umstrittensten Fragen im amerikanischen juristischen und politischen Diskurs.

Inhaltsverzeichnis

Text

Der Originaltext des seit seinem Inkrafttreten unveränderten Artikels lautet:

“A well regulated Militia being necessary to the security of a free State, the right of the people to keep and bear Arms shall not be infringed”

„Da eine wohl organisierte Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden.“

Kontroverse

Verschiedene Eigenschaften des Second Amendment werden kontrovers diskutiert. In den Vereinigten Staaten herrscht eine erbitterte Diskussion darüber, ob der Waffenbesitz eingeschränkt werden darf oder nicht. In der folgenden Darstellung werden zu einigen umstrittenen Aspekten des Second Amendment die verschiedenen Standpunkte kurz dargestellt.

A well regulated militia…

Man kann in den Worten A well regulated militia, being necessary for… eine Zweckbestimmung sehen. Dementsprechend ist die Bewaffnung von Einzelpersonen erlaubt, falls sie dem Zweck dient, eine well regulated militia zu bilden. Dies bedingt, dass die Einzelperson, die sich aufs Recht zum Waffenbesitz und Waffentragen beruft, Mitglied einer solchen Miliz ist.

Die damaligen Milizen sind die Vorläufer der heutigen Nationalgarde der Vereinigten Staaten, und bis 1905 waren diese Milizen die hauptsächlichen Streitkräfte der Vereinigten Staaten. Befürworter einer Schusswaffenregulierung halten daran fest, dass das Second Amendment nur den „organisierten Milizen“ das Recht gibt, Waffen zu tragen. In diesem Sinne können etwa die Armee und die Polizei als „Rechtsnachfolger“ der Milizen angesehen werden, da sie als einzige offensichtliche Gemeinsamkeiten mit den well regulated militia[s] haben. Allerdings sind heutige Polizisten und die meisten Soldaten in den USA Festangestellte der Regierung; sie sind daher wiederum nicht mit Milizen oder Nationalgardisten zu vergleichen. Eine weitere Unklarheit bringt die Tatsache, dass eigentlich jeder 18- bis 45jährige Bürger der USA zum militärischen Dienst aufgeboten werden kann – also „gibt“ es die Milizen noch.

Im Urteilstext von District of Columbia v. Heller (siehe unten) interpretierte der Oberste Gerichtshof den Begriff "well-regulated" wie folgt:

"Das Adjektiv well regulated impliziert nichts mehr als die Pflicht, eine angemessene Disziplin und Training zu besitzen."

Ob sich diese "Disziplin" und "Training" bloß auf die Pflichten als Waffenbesitzer beschränkt, ist strittig. "Well regulated" ist zwar ein archaischer Begriff für "trainiert" und "diszipliniert", doch Alexander Hamilton versteht im Federalist Nr. 29 unter "well regulated" auch die Ausbildung in einer militärischen Einheit:

"Ein angemessenes Beherrschen militärischer Manöver ist eine Angelegenheit, die Zeit und Übung notwendig macht. Für dessen Erreichen genügt nicht ein Tag, und auch nicht eine Woche Zeit."[1]

Hamilton schreibt auch, dass eine solche Ausbildung wegen des Aufwands und des dabei entstehenden wirtschaftlichen Schadens kaum der generellen Bevölkerung zugemutet werden könne. Es ist anzumerken, dass gerade viele Freizeitmilizen in den USA, in welchen interessierte Menschen – zumeist Befürworter des freien Schusswaffenbesitzes – Schusswaffengebrauch und Survival lernen, kaum über eine stabile Führung und geordnete Trainingsprogramme verfügen.

Nach Maßgabe der Klausel a well regulated militia kann das Recht auf Waffenbesitz und Waffentragen von der militärischen Ausbildung oder von einer Einteilung in eine Armee-Einheit abhängig gemacht werden. Wenn man aber unter "militia" die Gesamtheit der wehrfähigen Bevölkerung versteht, sind diese Bedingungen natürlich hinfällig.

…the right of the people…

Die Verfechter einer liberalen Schusswaffenpolitik berufen sich auf den zweiten Teil, wo offensichtlich dem „Volk“ das Recht gegeben wird, Waffen zu tragen. Dieses Recht dürfe nicht eingeschränkt werden. Diese Gruppierungen neigen allerdings dazu, zu übersehen, dass damals praktisch jeder erwachsene männliche Bürger ein Angehöriger der Miliz war, so dass die Begriffe militia und people im historischen Zusammenhang des Second Amendment möglicherweise als gleichbedeutend anzusehen sind. Aus diesem Grund, so kann vermutet werden, haben sich die Autoren der amerikanischen Verfassung der Einfachheit halber nicht auf eine Unterscheidung festgelegt.

Waffenbesitzer erklären auch, dass die anderen Artikel der Bill of Rights nur Individualrechte beschreiben würden, also Rechte, die von Einzelpersonen wahrgenommen werden (wie etwa die Redefreiheit oder das Recht auf Verweigerung einer Zeugenaussage). Es wäre deshalb nur logisch, dass das Second Amendment hier keine Ausnahme darstellt und auch das Recht auf das Waffentragen nicht nur Milizen, sondern auch Individuen unabhängig von einer Mitgliedschaft in einer solchen Organisation zustehen würde.

Im Fall United States v. Verdugo-Urquirdez (1990) hat der Supreme Court entschieden, dass der Begriff the people sowohl die Bürger der Vereinigten Staaten als auch Ausländer, die sich legal im Lande aufhalten, umfasst. Allerdings ging es in diesem Fall um die Interpretation des Fourth Amendment. Gegner einer einschränkenden Gesetzgebung behaupten jedoch, dies sei ein klarer Beweis dafür, dass das Second Amendment ein Individualrecht beschreibe.

…to keep and bear arms…

Auch bei den Worten to keep and bear arms (wörtlich: "Waffen besitzen und tragen") gibt es Probleme bei deren Interpretation. Eine Interpretation sieht darin das Recht der Zivilbevölkerung, zwecks Verteidigung Waffen zu besitzen. Die entgegengesetzte Meinung besagt, dass das Wort "arms" selber die Ausrüstung einer Armee bezeichnet.

Im Urteil zum Fall United States v. Emerson (2001) schrieben die Richter des U.S. Court of Appeals of the Fifth Circuit:

"Es gibt vielzählige Vorkommen des Passus 'bear arms' im Zusammenhang mit dem Waffentragen durch Zivilisten. Frühe Verfassungen oder Deklarationen in mindestens zehn Bundesstaaten sprechen vom Recht der "people", "citizen" oder "citizens" "to bear arms in defense of themselves and the state" ["Waffen zu tragen zur Verteidigung von sich selbst und dem Staat"], in solchen oder ähnlichen Worten. Dies reflektiert in schlüssiger Weise, dass der gewöhnliche Gebrauch der Worte 'bear arms' sich in keiner Weise auf das Waffentragen im Militärdienst beschränkte."[2]

Garry Wills, ein Autor und Geschichtsprofessor der Northwestern University hingegen sah in den Worten "bear arms" einen klaren Bezug zum Militär. Er schrieb über den Ursprung des Begriffs "bear arms":

"Der lateinische Begriff 'arma ferre' ist über gesetzgeberische und andere Kanäle tief in die europäische, kriegsbezogene Sprache eingedrungen. 'Bearing arms' [wortwörtlich "Waffen tragen"] ist ein Synonym fürs Kriegführen, so dass Shakespeare einen 'gerechten Krieg' 'justborne arms' [wörtlich: "gerecht getragene Waffen"] nannte und einen Bürgerkrieg 'self-borne arms' ["selbst-getragene Waffen"]. Auch außerhalb des Begriffs 'bear arms' reflektiert der Gebrauch des Wortes oftmals die lateinischen Ursprünge: 'Sub armis' für 'to be under arms' ("unter Waffen stehen", d.h. Soldat sein), 'arma capere' für 'to take arms' ("zu den Waffen greifen"; Mobilmachung), oder 'arma ponere' für 'to lay down arms' ("die Waffen niederlegen"; kapitulieren). 'Arms' ist ein Beruf wie jemand das "Gesetz" oder die "Kirche" wählt. [...] Niemand steht gegen einen Hasen 'unter Waffen'."[3]

Da der Begriff "arms" und vor allem "bear arms" so stark mit dem militärischen Gebrauch verknüpft sei, könne man davon ausgehen, dass der Passus the right of the people to keep and bear Arms bedeutet, das Volk dürfe eine Armee besitzen oder deren Ausrüstung bereithalten.

Bedeutung des Begriffs arms („Waffen“)

Im Sprachgebrauch und zeitlichen Kontext des späten 18. Jahrhunderts bezog sich der Begriff arms („Waffen“) auf Steinschlossgewehre, einschüssige Pistolen, Schwerter, Bajonette sowie Kanonen und analoge Geschütze. Dies sind alle Waffen, die es zur damaligen Zeit gab. Befürworter einer einschränkenden Gesetzgebung behaupten deshalb, dass sich die Intention des Second Amendment nur auf den Besitz dieser Waffen bezieht und der Besitz anderer Waffen, insbesondere modernerer Neuentwicklungen, nicht geschützt sei. Bei einer wortwörtlichen, nicht auf den zeitlichen Kontext bezogenen Auslegung des Second Amendment wäre ansonsten auch der Besitz von Schusswaffen wie z. B. automatischen Gewehren, aber auch Granaten- und Raketenwerfern, Sprengstoffen und jeglichen Massenvernichtungswaffen wie Atombomben und Giftgas für Privatpersonen freizugeben.

Kritiker dieser Argumentation wenden ein, dass dieser Logik folgend das First Amendment die Presse- und Meinungsfreiheit nur bei Verwendung von Buchdruck und Pferdekutschen schützen würde. Die freie Nutzung von neueren Entwicklungen wie Radio, Fernsehen und Internet wäre dann analog zur oben beschriebenen Argumentation nicht vom First Amendment garantiert.

Bedeutung des Verbs to infringe

Dem Webster’s Dictionary von 1828 ist zu entnehmen, dass das Verb to infringe eine „totale, vollständige Abschaffung eines Rechts“ bedeutet, jedoch nicht eine „Einschränkung“ oder „Kürzung“ eines Rechts. Letztere Bedeutung entspricht aber dem heutigen Sprachgebrauch. Auch hier zeigt sich der Konflikt bezüglich der Auslegung in Bezug auf den Geltungsbereich des Second Amendment: bei einer Interpretation im historischen Kontext und Sprachverständnis wäre es dem Staat nicht erlaubt, den Waffenbesitz und das Waffentragen zu verbieten, während Einschränkungen zulässig wären. Nach dem heutigen Gebrauch des Begriffs ist es dem Staat hingegen untersagt, den Waffenbesitz einzuschränken.

Historischer Kontext nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs

Im späten 18. Jahrhundert garantierte das Second Amendment den Besitz von Waffen durch Angehörige einer Miliz. Jeder männliche Bürger der Vereinigten Staaten war ein solcher Angehöriger. Da die Waffen vom einzelnen Milizsoldaten gepflegt und aufbewahrt wurden, wurde – laut der Urteilsbegründung von United States v. Miller (1939) – ein Gesetz notwendig, das dem Miliz-Angehörigen den Besitz seiner persönlichen Waffe garantiert. Der Verlust der Waffe war nämlich mit dem Ausschluss aus der Miliz verbunden, was in der Folge zu einem Prestigeverlust des Soldaten führte. Außerdem bestand die gesamte amerikanische Armee zu jener Zeit ausschließlich aus Milizionären. Die Bewaffnung der Streitkräfte sollte so sichergestellt werden.

Diese Sichtweise wird insbesondere von den Vertretern des freien Waffenbesitzes nicht geteilt, da sie insofern eine „altertümliche“ und damit obsolete Grundlage für das Second Amendment liefert.

Wichtige Urteile im Zusammenhang mit dem Second Amendment

United States v. Cruikshank (1875)

Im April 1873, während einer hart umkämpften Gouverneurswahl im US-Bundesstaat Louisiana, tötete die dem Ku-Klux-Klan nahestehende rassistische Gruppierung White League über 100 Schwarze. Nach diesem Colfax-Massaker – benannt nach dem Dorf Colfax, wo es stattfand – wurden der Anführer Cruikshank und andere Rädelsführer wegen Verstößen gegen das Enforcement Act von 1870 verurteilt. Dieses Gesetz erhebt die Handlungen, die die Ausübung von Grundrechten verhindern, zu einem Verbrechen.

Konkret wurden Cruikshank und seine Mitverschwörer wegen 32 Verstößen angeklagt, unter anderem, weil sie das Recht der Schwarzen, Waffen besitzen zu können, ablehnten. Der Supreme Court befand, dass das Second Amendment nur die Kompetenz des US-Kongresses, das Waffentragen einzuschränken, beschränke und nicht jene von Individuen wie Cruikshank. Deshalb konnte der Staat Louisiana nicht dazu gezwungen werden, das Recht auf Waffentragen durchzusetzen. Mittels eines Gesetzes der Bundesregierung – also dem Enforcement Act – kann die Vereitelung der Grundrechte durch den Ku-Klux-Klan nicht bestraft werden. Des Weiteren entschied das Oberste Gericht, dass das Recht, Waffen zu tragen, bereits vor der Verfassung existiert habe und somit hinsichtlich seiner Existenz unabhängig von der Verfassung wäre.

Presser v. Illinois (1886)

In diesem Fall hat das Supreme Court die Haltung im Fall Cruikshank nochmals bekräftigt – nämlich dass das Second Amendment für sich allein betrachtet nur die Bundesregierung daran hindere, den Waffenbesitz einzuschränken, nicht jedoch die Bundesstaaten. Es hat allerdings einschränkend ein vom Second Amendment unabhängiges Argument gegen die Einschränkung des Waffenbesitzes durch Gesetze der Bundesstaaten genannt:

„[...] Die Staaten können nicht, auch wenn die verfassungsrechtliche Garantie zu diesem Punkt nicht betrachtet wird, die Bevölkerung [the people] vom Besitzen und Tragen von Waffen abhalten, weil dies die Fähigkeit der Vereinigten Staaten, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten und die Möglichkeit der Menschen [wiederum the people], ihre Pflichten gegenüber der Regierung zu erfüllen, einschränken würde. [...]“

In diesem Fall von 1886 muss man sich darüber im Klaren sein, dass es dazumal noch Milizen gab. Diese wurden im Notfall vom Gouverneur dazu eingesetzt, um im betreffenden Bundesstaat die öffentliche Ordnung wieder herzustellen, sollten die regulären Polizeikräfte überfordert sein. Die Dienstleistung in der Miliz kann als Pflichterfüllung gegenüber der Regierung verstanden werden.

United States v. Miller (1939)

Bis zum Fall District of Columbia v. Heller (2008, siehe unten) wurde das Second Amendment – als hauptsächliche Argumentationsbasis – in einem einzigen Gerichtsfall angewendet, nämlich in United States v. Miller (1939). Zwei Männer, Jack Miller und Frank Layton, waren des Bankraubs verdächtigt und wurden von der Polizei beschattet. Sie wurden verhaftet, als sie mit einer nicht registrierten, abgesägten Schrotflinte die gemeinsame Grenze von zwei US-Bundesstaaten überschritten.

Sie verstießen damit gegen den National Firearms Act von 1934, welcher nach dem Valentinstag-Massaker verabschiedet wurde. Das Gesetz verlangte die Registrierung von gewissen Typen von Schusswaffen sowie eine Abgabe von 200 US-Dollar Gebühren, welche bei Anmeldung und Verkauf der Waffe fällig wurde. Die $200 wurden als eine verbietende Maßnahme verstanden, weil eine typische Schusswaffe damals weniger als $10 kostete.

Miller sah den National Firearms Act als eine Maßnahme, welche dem Second Amendment direkt widerspricht, weil sie den Besitz von Schusswaffen verhindere. Im erstinstanzlichen Verfahren bekam Miller Recht, weil er aufgrund des Second Amendment Waffen besitzen dürfe. Der damalige Justizminister (Attorney General) der Vereinigten Staaten appellierte an den Supreme Court und hielt unter anderem folgende Punkte fest:

  • Das Second Amendment schützt nur den Besitz von militärischen Waffen, welche für den Gebrauch in einer organisierten Miliz geeignet sind,
  • und die „doppelläufige Stevens-Schrotflinte, Kaliber 12, mit einer Lauflänge von weniger als 18 inch, mit der Identifikationsnummer 76230“ wurde nie in irgendeiner Miliz-Organisation eingesetzt.

Das Supreme Court hob das erstinstanzliche Urteil auf und erklärte, dass das National Firearms Act mit dem Second Amendment nicht im Konflikt stehe. Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs sei nur der Besitz militärischer Waffen von der Verfassung geschützt, und die Schrotflinte von Jack Miller sei kein Bestandteil der ordentlichen militärischen Ausrüstung und könne nicht zur „allgemeinen Verteidigung“ verwendet werden.

Die von Richter McReynolds verfasste Mehrheitsmeinung des Gerichts (siehe Weblinks) enthält eine Reihe von interessanten Informationen über den historischen Kontext des Second Amendment.

District of Columbia v. Heller (2008)

Am 26. Juni 2008 verkündete der Oberste Gerichtshof sein Urteil im Fall District of Columbia v. Heller. Zum ersten Mal beschäftigte sich der Supreme Court mit der Frage, ob das Recht auf Waffentragen bzw. -besitz ein Individualrecht des Bürgers sei, oder ob es bloß den Waffenbesitz der Mitglieder staatlich organisierter Milizen garantiere.

Im konkreten Fall wollte Dick Heller, ein privat angestellter Sicherheitsfachmann aus Washington D.C., seine Pistole zu Hause aufbewahren. Er ersuchte um eine Genehmigung dafür, wurde aber wegen des Firearms Control Regulations Act (1975) abgewiesen. Robert A. Levy, ein Mitglied des libertären Cato Institute, begann 2002 ein Exempel zu suchen, um das Firearms Control Regulations Act durch einen Richterspruch zu Fall zu bringen; und fand so Dick Heller. Levy finanzierte die Prozesse aus seinem Privatvermögen.

Die Entscheidung räumt dem Bürger das Recht auf Waffenbesitz und grenzt staatliche Einschränkungen ein. Das Urteil ist kontrovers – es wurde mit 5 gegen 4 Stimmen gefällt – und einschließlich der Minderheitsbegründung etwa 150 Seiten lang.

Zitat von Richter Antonin Scalia:

“In sum, we hold that the District's ban on handgun possession in the home violates the Second Amendment, as does its prohibition against rendering any lawful firearm in the home operable for the purpose of immediate self-defense.[4]

„Zusammengefasst erachten wir das Verbot des Distrikts [hier: District of Columbia], Handfeuerwaffen zu Hause besitzen, als ein Widerspruch zum zweiten Verfassungszusatz; ebenso das Verbot, jede gesetzlich erlaubte Schusswaffe zu Hause für die unmittelbare Selbstverteidigung gebrauchsbereit zu halten.“

Das Firearms Control Regulations Act verbietet Privatpersonen den Besitz von Schusswaffen zu Hause. Ausgenommen davon sind lediglich Dienstwaffen ehemaliger und aktiver (Polizei-)Beamter sowie Schusswaffen, die vor 1975 registriert wurden – und diese mussten entweder demontiert sein oder mit einer Abzugssperre versehen sein. Nach der Meinung des Supreme Court ist aber der Besitz einer Waffe, die sofort einsatzbereit ist und zur Selbstverteidigung einer Privatperson dient, vom Second Amendment ausdrücklich erlaubt. Das Gericht basierte den Entscheid auf vier grundlegende Annahmen:

  • Die Formulierung „the people“ bedeute ausdrücklich die Bevölkerung der Vereinigten Staaten, weil die Verfassung ein Dokument sei, welches sich ausdrücklich an das Volk richtet und von diesem verstanden werde;
  • „militia“ beschreibe die Gesamtheit aller Männer, die physisch in der Lage sind, sich gemeinsam zu verteidigen – daher bestehe kein grundlegender Widerspruch zum Begriff „people“;
  • historisches Material stütze den neuerlichen Entscheid, weil analoge Regelungen schon in den Verfassungen der Einzelstaaten und vor dem Second Amendment bestanden;
  • und keiner der drei vorherigen Entscheide (United States v. Cruikshank 1875, Presser v. Illinois 1886, United States v. Miller 1939) nehme den aktuellen Richterspruch vorweg.

Die Sondervoten der Richter John Paul Stevens und Stephen Breyer greifen diese Argumentation von zwei Seiten an. Stevens geht davon aus, dass aus der Erwähnung der „militia“ im Second Amendment eine Zweckbestimmung folgt. Das Recht, Waffen zu besitzen und zu tragen, wird nur zu militärischen und nicht zu zivilen Zwecken eingeräumt. Er stützt seine Argumentation auf folgende Punkte:

  • aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und historischem Kontext gehe hervor, dass es den Verfassungsvätern darum ging, der Bedrohung der einzelstaatlichen Souveränität durch ein stehendes Heer des Bundes entgegenzuwirken (vgl. 13. Artikel der Virginia Declaration of Rights);
  • Mit den Urteilen des Supreme Court in Sachen United States v. Cruikshank, Presser v. Illinois und United States v. Miller seien Präzedenzfälle geschaffen worden, denen zufolge der Waffenbesitz staatlich reguliert werden kann und das Second Amendment nur den Besitz von Waffen für militärische Zwecke schützt.

Breyer argumentiert, dass – unterstellt man, das Second Amendment schütze auch den Waffenbesitz für private Zwecke – die gesetzliche Regelung in Washington, D.C. als Maßnahme zur Bekämpfung der Gewaltkriminalität als verhältnismäßige Einschränkung des Second Amendment nicht verfassungswidrig ist. Besitz und Tragen von Waffen war, aus unterschiedlichen Gründen, in größeren Städten bereits in der Kolonialzeit streng reglementiert. Einschränkungen des Second Amendments im Interesse der öffentlichen Sicherheit müssen daher zulässig sein.

Unmittelbar nach seiner Verkündung wurden Klagen gegen Staaten, Kreise und Gemeinden eingereicht, in denen Waffenverbote galten; eine der ersten Klagen ist McDonald v. Chicago. Wie sich die Rechtslage entwickelt, wird sich erst in Jahren zeigen, nachdem die obergerichtlichen Auffassungen und Vorgaben in den Untergerichten umgesetzt werden. Der Beklagte, der District of Columbia, wird nun eine Waffenregistrierung einführen, jedoch keine halbautomatischen Waffen zulassen.

McDonald v. Chicago (2010)

Die Stadt Chicago beschränkte in einer Verordnung aus dem Jahr 1982 den Besitz von Handfeuerwaffen auf Personen, die von der Stadt hierfür eine Lizenz erhalten hatten. Gleichzeitig wurde das Erteilen dieser Lizenz für fast alle Arten von Waffen, darunter auch Gewehre und Schrotflinten, untersagt. Otis McDonald klagte als Einwohner der Stadt im Jahr 2008 erfolglos gegen diese Verordnung vor dem zuständigen Bundesbezirksgericht. Gegen die Entscheidung legte McDonald beim Court of Appeals for the Seventh Circuit erfolglos Rechtsmittel ein. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der Feststellung, dass der 2. Zusatzartikel als Teil der Bundesverfassung nur den Bund, nicht aber die einzelnen Bundesstaaten oder einzelne Gemeinden binde. Daher könne die Verordnung der Stadt Chicago nicht verfassungswidrig sein. Gegen diese Entscheidung legte McDonald Rechtsmittel beim Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten ein.

In seiner am 28. Juni 2010 veröffentlichten Entscheidung befand der Oberste Gerichtshof letztlich zugunsten des Klägers. Ähnlich wie die anderen Zusatzartikel der Bill of Rights ist auch der zweite Artikel auf Bundesstaaten und deren untergeordnete, politisch selbstverwaltete Verwaltungseinheiten anzuwenden. Grundlage hierfür sind die Bestimmungen des später verabschiedeten 14. Zusatzartikels, der allen Menschen in den Vereinigten Staaten dieselben Rechte garantierte. Voraussetzung dafür sei nach Ansicht des Gerichtshofs, dass ein Recht „fundamental“ oder „tief in der Geschichte und den Traditionen unserer Nation verwurzelt“. Diese Formulierung wurde aus dem Fall Duncan v. Louisiana übernommen, in dem die Anwendbarkeit des ebenfalls zur Bill of Rights gehörenden 6. Zusatzartikels auf die Bundesstaaten festgestellt wurde.

Der Gerichtshof hat den Fall mit dieser Entscheidung an das untergeordnete Gericht zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Eine endgültige Entscheidung darüber, inwiefern die Verordnung der Stadt Chicago gegen die amerikanische Verfassung verstößt, steht noch aus. Die Bedeutung für die einzelne Gesetze und Verordnungen zum Waffenrecht, wie sie zum Zeitpunkt der Entscheidung in vielen Bundesstaaten und Gemeinden existierten, wird ebenfalls erst in nachfolgenden Gerichtsprozessen feststellbar sein.

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  1. http://www.foundingfathers.info/federalistpapers/fed29.htm
  2. http://laws.findlaw.com/5th/9910331cr0.html
  3. Wills, Garry (2002). A Necessary Evil: A History of American Distrust of Government. New York: Simon & Schuster. S. 257.
  4. http://www.supremecourtus.gov/opinions/07pdf/07-290.pdf (PDF)

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