Jakobus der Gerechte

Jakobus der Gerechte
Ikonendarstellung des Jakobus

Jakobus der Gerechte (in der Exegese auch als „Herrenbruder Jakobus“ bezeichnet) war als „Bruder des Herrn (Jesus)“ eine zentrale Gestalt der Jerusalemer Urgemeinde.

Inhaltsverzeichnis

„Herrenbruder“

Jakobus steht in Mk 6,3 EU und Mt 13,55 EU als erster in der Reihe der vier „Brüder“ Jesu von Nazareth; daraus kann geschlossen werden, dass er der älteste Jesusbruder war.

Die Entscheidung ob mit „Brüdern“ leibliche Brüder oder nahe Verwandte gemeint sind, wurde in der Exegese lange diskutiert. Die traditionelle katholische (und orthodoxe) Exegese verwies auf die doppelte Bedeutung des aramäischen bzw. griechischen Ursprungswortes sowie auf die in Mk 15,40.47 EU; Mk 16,1 EU genannte Maria, die definitiv nicht die Mutter Jesu war und deren in Mk 15,40 EU genannte Söhne Jakobus und Joses mit den zwei ersten „Brüdern“ aus Mk 6,3 EU im Namen übereinstimmen. Daher sah sie in den Herrenbrüdern entweder Stiefbrüder aus einer früheren Ehe Josefs oder Vettern Jesu.

Der Großteil der Forschung ist mittlerweile bereit, in Jakobus einen leiblichen Bruder Jesu zu sehen. Daher ist der Herrenbruder wohl nicht identisch mit Jakobus dem Kleinen und Jakobus, dem Sohn des Alphäus.

Leben

Vom frühen Leben Jakobus’ ist wenig bekannt. In Mk 3,21.31–35 EU und Joh 7,1–10 EU wird von Jesu Brüdern gesagt, sie hätten nicht an Jesu Sendung und Anspruch geglaubt. Ob dies tatsächlich der Fall war oder an der programmatischen Absicht der Evangelienschreiber liegt, Jesus in die Tradition der in der Heimat abgelehnten Propheten (Elija, Jeremia) einzureihen, bleibt fraglich. Im Hinblick auf 1 Kor 15,7 EU wird zumeist angenommen, dass Jakobus nach einer Auferstehungserscheinung zum Glauben gekommen ist. In Apg 1,14 EU erscheinen die Brüder Jesu im Kreis der Gläubigen und Paulus trifft bei seiner ersten Jerusalemreise im Jahr 35 n. Chr. neben Petrus auch Jakobus (Gal 1,19 EU).

Obwohl ihm als einem von Vieren (neben Petrus, Maria Magdalena und Paulus) in der urchristlichen Gemeinde eine Sonderoffenbarung des Auferstandenen zuerkannt worden war (1 Kor 15,7 EU in unmittelbarer Nähe zum vorpaulinischen sogenannten Urkerygma), spielte er offenbar in der Jerusalemer Gemeinde unter der Leitung des Petrus keine besonders herausragende Führungsrolle.

Erst als während der Verfolgung durch König Herodes Agrippa I. im Jahr 42 n. Chr. der Zebedaide Jakobus getötet wurde und Petrus aus Jerusalem floh, übernahm offenbar Jakobus die Leitung der Gemeinde. Dies legt sowohl der Auftrag des Petrus in Apg 12,17 EU nahe als auch die Berichte über das Apostelkonzil um das Jahr 48 n. Chr. In den biblischen Berichten zu dieser Versammlung wird Jakobus als herausragende Führungspersönlichkeit der Gemeinde gezeichnet. Paulus nennt ihn in Gal 2,9 EU neben Petrus und Johannes eine der drei „Säulen“ der Jerusalemer Gemeinde und in Apg 15,13 EU tritt er mit Autorität in die Debatte ein. Mit großer Wahrscheinlichkeit übernahm er nach dem Weggang des Petrus nach Antiochia um 49/50 n. Chr. die alleinige Leitung: Als Paulus etwa 58 n. Chr. nach Jerusalem kam, um die Kollekte der Missionsgemeinden zu überbringen, übergab er sie dem Jakobus im Beisein der Ältesten (Apg 21,18 EU).

Vermutlich im Jahr 62 n. Chr. berief der sadduzäische Hohepriester Hannas II. das Synhedrium ein, um laut Flavius Josephus Jakobus und einige andere der Gesetzesübertretung anzuklagen und zur Steinigung zu verurteilen. Das Urteil wurde vollstreckt, obwohl die Pharisäer im Rat protestierten und schließlich auch beim römischen Statthalter Albinus die Absetzung Hannas’ erreichten. Da im Jahr 62 n. Chr. ein Wechsel des Prokurators von Judäa von Porcius Festus hin zu Lucceius Albinus stattfand und Albinus den Hohenpriester nach der pharisäischen Intervention absetzte, ist es wahrscheinlich, dass Hannas als Hoherpriester in dieser Vakanzzeit sich und dem Synhedrium das ius poena capitis widerrechtlich angeeignet hatte.

Jakobus’ Nachfolger in der Leitung der Jerusalemer Urgemeinde wurde nach Eusebius (Euseb, HE III 11) Simeon, Sohn des Klopas’ (Kleophas) und naher Verwandter (eventuell ein Vetter) Jesu.

Theologische Position

Auch in der nach- und außerkanonischen Literatur wird seine Toratreue betont, etwa im Bericht des Josephus (Jos, Ant 20, 197-203) oder wenn ihn das Thomasevangelium als „Jakobus den Gerechten“ bezeichnet (EvThom 12, vgl. auch Euseb, HE II 1,3).

Im Gegensatz zu Paulus und Barnabas und bald auch zu Petrus vertrat Jakobus offenbar eine streng judenchristliche Haltung in der Frage des Umgangs mit bekehrten Nichtjuden. In Gal 2,12a EU spricht Paulus davon, dass „Leute des Jakobus“ sich in Antiochia gegen die Tisch- und Mahlgemeinschaft von beschnittenen Judenchristen mit Unbeschnittenen gewendet haben. Ob Jakobus tatsächlich Initiator dieses sogenannten „Antiochenischen Zwischenfalls“ war, bleibt fraglich. Wahrscheinlich ist jedoch in der Tat, „dass die Befürworter einer Beschneidung von [neubekehrten] Christen aus griechisch-römischer Tradition sich durch die theologische Haltung des Jakobus in ihren Forderungen zumindest bestärkt fühlen konnten.“[1] Auch ob die sogenannten „Jakobusklauseln“ der lukanischen Darstellung des Apostelkonzils tatsächlich auf Jakobus zurückgehen und auf dem Apostelkonzil beschlossen wurden, oder erst jüngeren Datums sind, ist nicht eindeutig.

Jakobus sah offenbar die Urgemeinde weiter als Teil des Judentums. Gegen Paulus als Exponenten der beschneidungs- und torafreien Heidenmission (einer Haltung, der sich auch Petrus zuwandte) wollte er die kultischen und rituellen Verpflichtungen aus der Tora auch auf die neubekehrten Nichtjuden angewendet wissen. Josephus berichtet davon, dass Jakobus aus diesem Grund offenbar in hohem Ansehen bei den Pharisäern stand.

Jakobus wird die Verfasserschaft des kanonischen Briefs des Jakobus (Jak) und des apokryphen Protevangeliums des Jakobus sowie des Briefs des Jakobus (EpJac) und zweier Apokalypsen (1ApcJac, 2ApcJac) aus dem Nag-Hammadi-Kodex zugeschrieben.

Die moderne Exegese hält die Verfasserschaft des Herrenbruders beim kanonischen Jakobusbrief heute überwiegend für unwahrscheinlich und schätzt den Brief als eine pseudepigraphische Schrift aus der Zeit um 100 n. Chr. ein, die gleichwohl der theologischen Schule des Jakobus nahe steht. Das Protevangelium ist sicher nicht von Jakobus, sondern vermutlich Mitte des 2. Jahrhunderts entstanden. Der apokryphe Jakobusbrief wird ebenso in die valentinianische Gnosis eingeordnet wie die beiden Apokalypsen.

Das sogenannte Jakobus-Ossuar

2001 wurde ein vermeintliches Jakobus-Ossuar entdeckt, von dem eine Untersuchungskommission allerdings 2003 zu dem Ergebnis kam, es handle sich dabei um eine Fälschung.

Trotzdem geriet das Ossuar 2007 wieder in die Medien, als der Filmproduzent und Regisseur James Cameron in seinem sehr umstrittenen Film „Das Jesus-Grab“ behauptete, das Ossuar stamme aus dem im Jahr 1980 gefundenen Grab im südlichen Jerusalemer Vorort Talpiot, welches er als das Grab Jesu identifiziert haben will.

Nachwirkung

Die katholische Kirche feiert den Gedenktag des Herrenbruders, den sie in ihrem Heiligenkalender mit Jakobus dem Jüngeren identifiziert, am 3. Mai. In der Ostkirche wird der Gedenktag entweder am 23. Oktober oder am Sonntag nach Weihnachten begangen. Als Heiliger wird er mit einer Walkerkeule als Zeichen seines Martyriums abgebildet. Eine Kopfreliquie des Herrenbruders wird in Ancona verehrt.

Die Verwandtschaft mit Jesus von Nazareth brachte dem Herrenbruder Jakobus eine Reihe populärwissenschaftlicher Darstellungen und auch den Roman „Jakobus, Stiefsohn Gottes“ von Nikolaus Glattauer ein.

Quellen

  • Flavius Josephus: Jüdische Altertümer XX.
  • Eusebius von Caesarea: Kirchengeschichte II.

Literatur

  • Alexander Böhlig: Zum Martyrium des Jakobus. In: Ders. (Hg.): Mysterion und Wahrheit. Gesammelte Beiträge zur spätantiken Religionsgeschichte. Leiden 1968, 112–118.
  • Martin Hengel: Jakobus der Herrenbruder – der erste „Papst“? In: Ders.: Paulus und Jakobus. Tübingen 2002, 549–582.
  • Wolfgang Kraus: Zwischen Jerusalem und Antiochia. Die „Hellenisten“, Paulus und die Aufnahme der Heiden in das endzeitliche Gottesvolk. Stuttgart 1999, 134-139.
  • Karl Mühlek: Jakobus, „Bruder des Herrn“. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 2, Hamm 1990, ISBN 3-88309-032-8, Sp. 1522–523.
  • Wilhelm Pratscher: Der Herrenbruder Jakobus und die Jakobustradition. Göttingen 1987.
  • Eugen Ruckstuhl: Artikel „Jakobus, (Herrenbruder)“. In: Theologische Realenzyklopädie. Band 16. Berlin 1987, 485-488.

Einzelnachweise

  1. Udo Schnelle: Theologie des Neuen Testaments. Göttingen 2007, 179.

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