Jatropha curcas

Jatropha curcas
Purgiernuss

Purgiernuss (Jatropha curcas)

Systematik
Ordnung: Malpighienartige (Malpighiales)
Familie: Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae)
Unterfamilie: Crotonoideae
Tribus: Jatropheae
Gattung: Jatropha
Art: Purgiernuss
Wissenschaftlicher Name
Jatropha curcas
L.

Die Purgiernuss (Jatropha curcas) ist eine Pflanzenart in der Gattung Jatropha aus der Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae). Der deutsche Name der Art verweist auf die frühere Verwendung der Samen als Abführmittel (Purgativ). Der ebenfalls verwendete Name Brechnuss ist mehrdeutig, da er auch für die Gewöhnliche Brechnuss (Strychnos nux-vomica) und die ganze Gattung der Brechnüsse (Strychnos) verwendet wird. Auch der botanische Name verweist auf die frühere medizinische Verwendung (Kurmittel).

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Die Purgiernuss ist ein sukkulenter Strauch von bis zu 8 m Höhe. Ihre Zweige, die einen leicht milchigen, rosa gefärbten Saft enthalten, sind von einer abschälenden Rinde bedeckt. Die auf 10 bis 15 cm langen Stielen gebildeten, leicht fünflappigen Blätter sind etwa 15 cm lang und breit. Die Nebenblätter sind winzig.

Die mehrfach verzweigten Blütenstände bilden meist ebene Köpfe. Männliche Blüten tragen 3 mm lange Kelchblätter, 6 mm lange, zur Hälfte miteinander verwachsene Kronblätter und acht Staubblätter. Weibliche Blüten tragen 5 mm lange Kelchblätter und 6 mm lange, frei stehende Kronblätter. Alle Kron- und Kelchblätter sind gelblich. Die bis 3 × 2 cm, dreilappigen Kapselfrüchte werden bei Reife schwarz und entlassen elliptische, 1,7 × 1 cm große Samen mit kleiner Caruncula. Die Samen enthalten zu etwa 50% fette Öle.

Toxizität

Die Toxizität der Purgiernuss wird überwiegend von einem Lektin, dem sogenannten Curcin, verursacht. Curcin ist in seiner Struktur ähnlich dem Rizin der Rizinusstaude. Der Samen enthält ebenfalls zahlreiche Diterpene, etwa Curcuson A. Diese haben hautreizende Eigenschaften.

Verbreitung

Das natürliche Verbreitungsgebiet der Art liegt im tropischen Amerika, in der Karibik und von Mexiko bis Chile. Von dort wurde sie durch portugiesische und holländische Seefahrer nach Asien und Afrika gebracht.

Kultivierung und Nutzung

Die Purgiernuss ist sehr robust, genügsam und wenig krankheitsanfällig. Da sie durch ihre Sukkulenz auch länger anhaltende Trockenheit gut übersteht und wegen ihres giftigen Saftes kaum von Tieren gefressen wird, ist sie in tropischen Ländern eine ideale Pflanze zur Aufforstung kahler Landstriche oder zur Wiederaufforstung wegen Dürre oder Bodenerosion aufgegebener Agrarflächen. Häufig wird sie auch als Schutzhecke um andere Nutzpflanzungen gesetzt. Schätzungen nach liegt die potenzielle Anbaufläche der Purgiernuss weltweit zwischen 2 und 3 Millionen Quadratkilometer.

Jatropha curcas Samen

Von großem wirtschaftlichen Interesse ist das aus den Samen gewonnene Öl. Roh kann es als Lampenöl oder als Brennstoff zum Kochen verwendet werden. Weiter verarbeitet wird es zu Seife und Kerzen. Der nach der Extraktion des Öls verbleibende Presskuchen stellt einen sehr guten Dünger dar.

Ein noch ungelöstes Problem stellen die in den Samen und dem daraus gewonnenen Öl enthaltenen Giftstoffe dar. Da diese scharf brennend schmecken und drastisch abführend und brecherregend wirken, ist das Öl nicht zum Verzehr geeignet. Versuche, die Giftstoffe mit einer in tropischen Ländern praktikablen Methode zu entfernen, blieben bisher erfolglos. Neue Hoffnung wird daher in eine erst kürzlich in Mexiko entdeckten Form der Jatropha curcas gesetzt, die die Giftstoffe nicht oder nur in äußerst geringer Konzentration enthält.

Bei uns als Zierpflanze gehalten benötigt die Purgiernuss einen warmen und vollsonnigen Stand. Die Vegetationsperiode dauert etwa von April bis Oktober. Wenn im Herbst die Blätter welken, muss die Pflanze bis zum Frühling warm (min. 15°) und trocken gehalten werden. Wird im Winter gegossen, vergeilt die Pflanze oder kann faulen.

Die Weltbank unterstützt den Anbau von Jatropha curcas mittlerweile unter vier Bedingungen, die alle in Indien gegeben sind:

  • keine Nutzung von fruchtbarem Land
  • geringe Transportkosten
  • angemessene Löhne
  • Vermeidung von Erdölimporten

Gerade in Regionen mit schwacher Infrastruktur kann der Jatropha-Anbau einen positiven ökonomischen und ökologischen Beitrag leisten:

  • Da Jatropha auch auf ertragsschwachen Böden angebaut werden kann, konkurriert die Pflanze nicht direkt mit Flächen, die für die Produktion von Nahrungsmitteln genutzt werden können. Der Anbau von Jatropha kann den Landwirten damit eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen.
  • Weil das Öl nicht genießbar ist, stellt sich bei Jatropha der notorische Konflikt „Tank oder Teller“ („food or fuel“) nicht.
  • Jatrophanüsse können über einen längeren Zeitraum ohne Haltbarkeitsprobleme gelagert und müssen nach der Ernte nicht sofort verarbeitet werden (im Gegensatz z.B. zu Palmöl).
  • Jatrophaöl kann für den Eigenbedarf als direktes Substitut für Diesel verwendet werden und (nach einfacher Modifikation des Motors) in Fahrzeugen und Stromgeneratoren zum Einsatz kommen. Außerdem kann es zum Kochen oder als Energiequelle für Lampen benutzt werden.
  • Dabei ist Jatrophaöl CO2-neutral und verbrennt geruchlos.
  • Die Jatrophapflanze kann zur Regeneration von Bodenqualität beitragen. Der bei der Ölpressung entstehende Presskuchen (Jatropha Seed Press Cake, JSPC) lässt sich zudem als sehr effektives organisches Düngemittel einsetzen.

Nutzung als Treibstoff

Ein besonderes Interesse gilt der Verarbeitung zu Biodiesel und vor allem kaltgepresstem Pflanzenöl, das insbesondere finanzschwachen tropischen Ländern den Import teuren Erdöls erspart, weil es in speziell angepassten Motoren direkt gefahren werden kann. In einer Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Universität Stuttgart-Hohenheim wird daher in einem Forschungs- und Produktions-Projekt im indischen Gujarat der Anbau dieser Pflanze forciert. Mit dem dort erzeugten Kraftstoff können Dieselmotoren betrieben werden, welche die Abgasnorm Euro 3 erfüllen.

Die Samen haben einen Ölanteil von über 30 %, das obendrein mit einer Cetanzahl von etwa 60 (Biodiesel aus Rapsöl hat lediglich etwa 54) eines der effektivsten technisch nutzbaren Pflanzenöle der Welt ist. Der Anbau ist demnach besonders lohnend, nicht nur für die Subsistenzwirtschaft (Ölproduktion für den Eigenbedarf), sondern auch für den Weiterverkauf auf den internationalen Markt. Derzeit (Stand: Juli 2008) liegt die weltweite Anbaufläche bei knapp 1 Million Hektar, etwa 80% dieser Fläche entfallen dabei auf die asiatischen Länder, insbesondere Indien, China und Indonesien[1]. Aber auch in Südamerika und Afrika erfährt der kommerzielle Jatropha-Anbau einen Boom. Neuen Studien zufolge besteht weltweit ein Anbaupotenzial von zirka 30 Millionen Hektar.

Boeing und Air New Zealand haben in einem Forschungsprojekt einen biologischen Flugzeugtreibstoff entwickelt, der je zur Hälfte aus Purgiernussöl und Kerosin besteht. Der erste Flug mit diesem Treibstoff hat am 30. Dezember 2008 stattgefunden. Dazu wurde ein Jumbojet verwendet, bei dem ein Rolls Royce RB211 Triebwerk mit dem neuen Treibstoff betrieben wurde. Der Treibstoff hat einen Gefrierpunkt bei -47 °C und einen Flammpunkt bei 38 °C und hat somit ähnliche Eigenschaften wie die heute am meisten verwendeten Kerosin Sorte JET A-1. Auch Continental Airlines und Japan Airlines planen, im Januar 2009 Testflüge durchzuführen.[2][3][4] [5][6] [7]

Am 9. Januar 2008 teilten die Bayer AG, der amerikanische Agrarkonzern Archer Daniels Midland Co. und der Automobilkonzern Daimler AG mit, in einer Kooperation Jatropha curcas als Einsatzstoff zur industriellen Herstellung von Biodiesel erforschen und entwickeln zu wollen. In diesem Zusammenhang wollen die Unternehmen verbindliche Produktions- und Qualitätsstandards für aus Jatropha produzierten Biodiesel definieren.

Kritik

Die Schweizer Wochenzeitung WoZ analysierte die Vor- und Nachteile. Die magere Ausbeute pro Hektar und der hohe Energieaufwand für Kunstdünger und die Weiterverarbeitung der Samen lassen das Allheilmittel zweifelhaft erscheinen. „Man muss Jatropha als eine Pflanze für lokale Anwendungen im Kleinen sehen, für Lampenöle, Seifen und Ähnliches. Da ist sie sehr sinnvoll“, wird eine Wissenschaftlerin zitiert. „Aber im großtechnischen Maßstab kann es schnell in eine ungewollte Richtung gehen.“ [8]

Aufgrund der positiven Auswirkungen des Jatrophaanbaus erfährt das Thema ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Unterstützung aus der internationalen Entwicklungspolitik und der jeweiligen lokalen Politik. Tatsächlich kann die Kultivation der Jatrophapflanze viele positive Effekte ökologischer, ökonomischer (und sozialer) Art freisetzen, allerdings sollten auch mögliche negative Auswirkungen nicht vernachlässigt werden. Beispielsweise greift das Argument, Jatropha stehe nicht in Konkurrenz mit dem Anbau von Nahrungsmitteln, naturgemäß dann nicht, wenn die Pflanze auf Flächen ausgesät wird, die sich aufgrund der Bodenqualität auch für den Nahrungsmittelanbau eignen. Ein attraktiver Abnahmepreis für Jatrophaöl treibt beispielsweise in einigen Regionen Afrikas viele Bauern dazu, von Nahrungsmittel- auf Jatrophaanbau umzusteigen und dadurch weiter zur lokalen Lebensmittelknappheit beizutragen.

Die Pflanze ist genau wie jede andere Art anfällig für Schädlinge und Krankheiten, was besonders in größeren Monokulturen problematisch werden kann. Darüber hinaus handelt es sich bei Jatropha um eine Wildpflanze, über deren genaue Eigenschaften hinsichtlich Ernteoptimierung, Ertragsmaximierung etc. noch großer Forschungsbedarf besteht – die wissenschaftliche Forschung steht bezüglich der Zucht von Samen und Pflanzen noch weit am Anfang.

Auch der Anbau auf nicht zum Ackerbau geeigneten Flächen steht in der Kritik, weil auch auf diesen Flächen teilweise Konflikte mit Nutzungen durch die örtliche Bevölkerung oder nomadische Volksgruppen bestehen. Entsprechende Konflikte mit etablierten Formen der extensiven Landwirtschaft beschreibt Amnesty international beispielsweise aus Regionen Indiens.[9]

Galerie

Literatur

  • Carl von Linné: Species Plantarum (ed.1) 1: 1006, 1753
  • Alph. Steger, J. van Loon: Das fette Öl der Samen von Jatropha curcas, Fette und Seifen, 49(11): 769-840, 1942
  • J. Heller: Physic nut Jatropha curcas L., 1996, ISBN 92-9043-278-0
  • N.D. Prajapati & Tarun Prajapati (Ed.): A handbook of Jatropha curcas Linn. (physic nut), Asian Medicinal Plants and Health Care Trust, 2005, ISBN 81-89070-05-3
  • Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Sonderheft 294: Möglichkeiten der Dekontamination von „Unerwünschten Stoffen nach Anlage 5 der Futtermittelverordnung (2006)“, 2006
  • Michael Schwelien: Treibstoff aus der Giftpflanze, DIE ZEIT, 31. Dezember 2004
  • Ranty Islam: Indisches Nuß-Öl soll Autos antreiben, DIE WELT, 2. Dezember 2006

Quellen

  1. GEXSI Global Market Study on Jatropha: eine Studie über den derzeitigen Stand des weltweiten Jatrophaanbaus, mit mehreren Fallbeispielen, per Download erhältlich (Stand: Juli 2008)
  2. Jumbo-Jet mit Pflanzenöl im Tank auf NZZ Online
  3. Air New Zealand testet Jatropha-Kerosin auf SPIEGEL Online
  4. Air New Zealand Jet Flies on Jatropha Biofuel auf Environment News Service (englisch)
  5. Boeing und Air New Zealand:Testflug mit Biotreibstoff im Dezember airliners.de
  6. Spezialisten in Frankreich - Air New Zeeland verschiebt geplanten Biotreibstoff-Testflug in Weiter Rätselraten um A320-Unglück - Beide Flugschreiber des abgestürzten Airbus geborgen airliners.de
  7. heise.de: Flugbenzin vom Feld
  8. Die Wochenzeitung: Die entzauberte Nuss, 21. Februar 2008
  9. Manshi Asher: Kleinbauern als Versuchskaninchen.«amnesty - Magazin der Menschenrechte» vom September 2008. Herausgegeben von Amnesty International, Schweizer Sektion

Weblinks


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