- Johannes Lilje
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Dr. theol. Johannes (Hanns) Ernst Richard Lilje (* 20. August 1899 in Hannover; † 6. Januar 1977 ebenda) war ein deutscher evangelisch-lutherischer Theologe, Kunsthistoriker, Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche von Hannover und stellvertretender Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Inhaltsverzeichnis
Leben
Nach dem Abitur an der Leibnizschule Hannover[1] leistete Hanns Lilje 1917 und 1918 seinen Wehrdienst an der Westfront ab, wo er mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet wurde.[2] Nach seiner Rückkehr studierte er Theologie und Kunstgeschichte in Göttingen, Leipzig und Zürich und wurde am 28. November 1924 in den evangelischen Pfarrdienst ordiniert. Von 1925 bis 1927 war er Studentenpfarrer an der Technischen Hochschule Hannover, 1927 bis 1935 Generalsekretär der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung und 1935 bis 1945 Generalsekretär des Lutherischen Weltkonvents. 1932 promovierte er mit einer Arbeit zu Luthers Geschichtsanschauung in Zürich zum Doktor der Theologie (Dr. theol.).[2] Im selben Jahr wurde er Vizepräsident des Christlichen Studentenweltbundes.
Lilje sah die Regierungsbeteiligung durch die Nationalsozialisten voraus und stand ihr zunächst positiv gegenüber. Er schrieb: „Es ist mit großer Bestimmtheit zu erwarten, dass der Nationalsozialismus noch im Laufe dieses Jahres, vermutlich schon im Frühjahr, in irgendeiner Form an der Regierung beteiligt wird. Die Frage, ob das wünschenswert ist, ist mit Ja zu beantworten.“[3]
Als sich nach der Machtübernahme 1933 abzeichnete, dass die Nationalsozialisten die Gleichschaltung der Kirchen durch die »Glaubensbewegung Deutsche Christen« anstrebten, relativierte er seine Meinung und wurde Mitbegründer der „Jungreformatorischen Bewegung“.[4] Am 9. Mai 1933 trat er zusammen mit Walter Künneth auf einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit und gab den Gründungsaufruf bekannt. Den Aufruf zur Sammlung unterschrieben viele Theologen unterschiedlicher Richtungen, später traten auch Dietrich Bonhoefer und Martin Niemöller bei.[2]
Von 1944 bis 1945 saß er wegen seiner seelsorgerlichen Kontakte zu Mitgliedern des Kreisauer Kreises in Gestapohaft in Berlin und Nürnberg. Roland Freisler und der Volksgerichtshof, von denen Lilje verurteilt wurde, werden von ihm in seinem Buch Im finstern Tal beschrieben.
Lilje wurde 1945 Oberlandeskirchenrat in Hannover sowie Mitglied des Rates der neugegründeten Evangelischen Kirche in Deutschland, und gehörte deshalb im Oktober 1945 zu den Mitunterzeichnern des Stuttgarter Schuldbekenntnisses. Er setzte sich allerdings auch für verurteilte NS-Täter ein, darunter Massenmörder wie Paul Blobel und Franz Six.[4]
Seit 1947 war er Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, ab 1947 Mitglied des Exekutivkomitees des Lutherischen Weltbundes, seit 1948 Mitglied des Zentralkomitees des Weltrates der Kirchen und seit 1950 Abt zu Loccum. Im selben Jahr nahm er seinen Wohn- und Amtssitz im Dachenhausenpalais (bis 1968) in Hannover.
1951 gehörte er mit Eberhard Müller und Reinold von Thadden zu den Gründern des Kronberger Kreises.
1949–1967 war er stellvertretender Ratsvorsitzender der EKD, von 1955 bis 1969 leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), 1952–1957 dessen Präsident. Bis 1966 Mitglied des Präsidiums der Konferenz Europäischer Kirchen, seit 1961 Mitglied des Exekutivkomitees, seit 1968 Mitglied des Präsidiums des Weltrates sowie von 1945–1957 Präsident des Zentralausschusses für die Innere Mission.[2]
Hanns Lilje war eine bedeutende Persönlichkeit des Protestantismus im 20. Jahrhundert. Er bestach durch sein weltläufiges Auftreten, seine geschliffene Sprache und seine prägnante Argumentation. Zu spüren bekam er Anfeindungen der DDR-Regierenden, die ihn wegen seiner Zustimmung zur westdeutschen Wiederbewaffnung, die die bis 1961 gesamtdeutsche EKD anfangs ablehnte, als „NATO-Bischof“ denunzierten. Deshalb konnte er auch nicht Ratsvorsitzender der EKD werden. Im Frühjahr 1961 wäre er eigentlich der legitime Nachfolger von Bischof Otto Dibelius in dieser Funktion gewesen, was durch das Veto der Mitgliedskirchen aus der DDR verhindert wurde. An seiner Stelle wurde der Ostberliner Präses Kurt Scharf zum neuen Ratsvorsitzenden gewählt. Seinen Kredit hatte er u. a. mit einem fragwürdigen „Spiegel“-Interview verspielt, in dem sein Verständnis dafür, wenn Ostdeutsche gegenüber DDR-Staatsfunktionären „zur Flinte greifen“, thematisiert wurde.
Hanns Lilje war elffacher Ehrendoktor, Träger des Großen Verdienstkreuzes mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, des Großkreuzes des Verdienstordens der BRD sowie der Niedersächsischen Landesmedaille. 1974 wurde er mit der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Medaille der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. ausgezeichnet.
77-jährig starb er am 6. Januar 1977. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Klosterfriedhof in Loccum.
Der Rat der Stadt Hannover benannte 1978 den an der Westseite der Marktkirche gelegenen Platz "Am Markte" in "Hanns-Lilje-Platz" um. Außerdem ist er Namensgeber des Hanns-Lilje-Heims in Wolfsburg, des Hanns-Lilje-Hauses in Hannover und der 1989 gegründeten Hanns-Lilje-Stiftung.
Werke
- Das Technische Zeitalter (1928)
- Luthers Geschichtsanschauung (1932)
- Mission als göttlicher Auftrag (1935)
- Der Weg der Kirche Jesu Christi im Kriege (1939)
- Das Letzte Buch der Bibel (1940)
- Der Königspriester - Eine indische Novelle (geschrieben im Hausgefängnis der Gestapo Winter 1944/45)
- Der Krieg als geistige Leistung (1941)
- Wanderer auf dem Wege (1946)
- Luther, Anbruch und Krise der Neuzeit (1946)
- Im finstern Tal (1947)
- Nihilismus (1947)
- Goethes Glauben (1949)
- Kirche und Politik (1951)
- Freiheit und Bindung in der Ordnung der Wirtschaft (1954)
- Christ in the world of labour (1954)
- Welt unter Gott, Rechenschaft einer Reise (1956)
- Kirche und Welt (1956)
- Die christlichen Grundlagen der Wirtschaftsgesinnung (1957)
- Der Autoritätsbegriff in der modernen Demokratie (1959)
- Christianity in a divided Europe (1961)
- Leib-seelische Ganzheit (1961)
- Atheismus-Humanismus-Christentum (1962)
- Martin Luther, Eine Bildmonographie (1964)
- Begegnungen (Herausgeber; 1949)
Literatur
- Eduard Lohse: Lilje, Hanns. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, S. 562 f.
- Gertraud Grünzinger: LILJE, Hanns. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 5, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-043-3, Sp. 63–69.
- Heinz Brunotte und Erich Ruppel: Gott ist am Werk. Festschrift für Landesbischof D. Hanns Lilje zum 60. Geburtstag am 20. August 1959. Hamburg 1959.
- Horst Hirschler: Tod und Begräbnis des Abts Lilje. In: Horst Hirschler und Ernst Berneburg (Hrsg.): Geschichten aus dem Kloster Loccum. Studien, Bilder, Dokumente. Hannover 1980, S. 40–43.
- Eduard Lohse: Predigt vom 12. Januar 1977 (zum Begräbnis Hanns Liljes) über Psalm 100,2. In: Horst Hirschler und Ernst Berneburg, Ernst (Hrsg.): Geschichten aus dem Kloster Loccum. Studien, Bilder, Dokumente. Hannover 1980, S. 38–40.
- Ronald Uden: "Hanns Lilje als Publizist. Eine Studie zum Neubeginn der kirchlichen Nachkriegspublizistik." Erlangen, 1998, Zugl. Universität Erlangen-Nürnberg, Diss.
- Ronald Uden: "Hanns Lilje - Bischof der Öffentlichkeit." Hannover 1998.
- Johannes Jürgen Siegmund: Bischof Johannes Lilje, Abt zu Loccum. Eine Biographie. Göttingen, 2003, Zugl. Neuendettelsau, Kirchliche Hochschule, Diss., 2001.
Einzelnachweise
- ↑ Welche Schule für mein Kind?, Verlagsbeilage der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 12. Januar 2011, S. 4
- ↑ a b c d Ronald Uden: Hanns Lilje - Bischof der Öffentlichkeit
- ↑ Das politische Gesicht der Zeit, 1932, Seite 72
- ↑ a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, S. Fischer Frankfurt/Main, S. 372
Weblinks
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Commons: Johannes Lilje – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Literatur von und über Johannes Lilje im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Internet-Auftritt der Hanns-Lilje-Stiftung
August Marahrens (1925–1947) | Hanns Lilje (1947–1971) | Eduard Lohse (1971–1988) | Horst Hirschler (1988–1999) | Margot Käßmann (1999–2010) | Ralf Meister (seit 2011)
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