Johannes von Damaskus

Johannes von Damaskus

Johannes von Damaskus (* um 650 in Damaskus; † 4. Dezember vor 754 in Mar Saba) mit dem Beinamen Chrysorrhoas (Χρυσορρόας „der Gold Verströmende“), arabisch Yaḥyā ibn Manṣūr, lateinisch Ioannes Damascenus, war ein berühmter Theologe und Kirchenvater. In der katholischen Kirche gilt er als letzter der Kirchenväter und wird seit 1890 auch als Kirchenlehrer verehrt. Er stammte aus einer vornehmen christlichen Familie von Damaskus. Die zweite Hälfte seines Lebens verbrachte er als Mönch im Kloster Mar Saba südöstlich von Jerusalem.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Die wichtigste Quelle für sein Leben ist eine Biographie, die der Patriarch Johannes VII. von Jerusalem im 10. Jahrhundert auf der Basis einer arabischen Lebensbeschreibung verfasste. Sie zeigt bereits stark legendenhafte Züge. Aus Johannes' eigenen Schriften lässt sich wenig über seine Person entnehmen.

Zur Zeit von Johannes' Geburt gehörte seine Heimatstadt bereits zum islamischen Reich; unter Kalif Muawiya I. (661–680) wurde Damaskus Hauptstadt. Johannes' Vater Sargun (Sarjun) ibn Mansur bekleidete ein hohes erbliches Amt als Schatzmeister Muawiyas, und Johannes war ein Spielgefährte des Sohnes des Kalifen, des späteren Kalifen Yazid I. Yazid wurde zwischen 642 und 647 geboren, Johannes war wohl nicht wesentlich jünger. Dem entspricht die Überlieferung, wonach er im Alter von 104 Jahren starb. Als Johannes dreiundzwanzig Jahre alt war, suchte sein Vater nach einem Gelehrten, der für seine weitere Ausbildung sorgen konnte. Nach der Überlieferung begegnete Sargun einem gelehrsamen italienisch-griechischen Kriegsgefangenen, einem Mönch namens Kosmas. Er kaufte ihn frei und machte ihn zum Lehrer seines Sohnes. Unter der Anleitung von Kosmas machte Johannes große Fortschritte auf den Gebieten der Musik, Astronomie, Theologie und befasste sich auch mit der Metaphysik und der Logik des Aristoteles. Er soll auch Größen wie Diophant von Alexandrien in der Algebra und Euklid in der Geometrie studiert und verstanden haben.

Nach dem Tod des Vaters übernahm Johannes das Amt des Protosymboulos (Hauptrates) von Damaskus. Eine unter Kalif Abd al-Malik (685–705) einsetzende christenfeindliche Tendenz am Hof führte dazu, dass Johannes den Staatsdienst verließ.

Zusammen mit seinem Adoptivbruder Kosmas trat er noch vor 700 in das Kloster Mar Saba bei Jerusalem ein. Die dortigen Mönche waren jedoch relativ wenig an Bildung interessiert; verschiedene Legenden erzählen, Johannes, der bei seinem Eintritt ins Kloster ein bekannter Gelehrter war, sei anfänglich am Schreiben gehindert worden. Später entstanden jedoch zahlreiche Werke, insbesondere Hymnen, Gebete und andere liturgische Texte, die bis heute in der Orthodoxen Kirche in Gebrauch sind.

Der Patriarch Johannes V. von Jerusalem weihte ihn zum Priester.

726 begann im Oströmischen Reich der sogenannte byzantinische Bilderstreit. Die gegen die Verehrung von Ikonen gerichtete Politik der ikonoklastischen Kaiser Leo III. (717–741) und Konstantin V. (741–775) unterwarf die Reichskirche einer Zerreißprobe. Die bilderfreundliche Opposition wurde vor allem von Mönchen getragen, besonders solchen, die wie Johannes außerhalb des byzantinischen Machtbereichs in islamischem Gebiet lebten. Johannes wurde zu einem der prominentesten Verfechter der Bilderverehrung.

Mit Hilfe seiner guten Kenntnisse der islamischen Kultur und deren Schriften stellte er im zweiten Kapitel seines Buches Die Quelle der Weisheit mit dem Titel Über die Häresien die These auf, Mohammed sei von einem nestorianischen Mönch beeinflusst gewesen. Inhaltlich verweist er unter anderem darauf, dass es – abgesehen von Mohammed selbst – niemanden gab, der die Herabsendung des Koran bezeugen konnte.[1]

Werk

Johannes von Damaskus, griechische Ikone

Johannes von Damaskus verfasste eine Reihe von theologischen Werken. Seine Schriften handeln vor allem von Dogmatik und Apologetik; überliefert sind auch Predigten, Hagiographisches und geistliche Dichtung. Eine Reihe von ihm zugeschriebenen Werken sind zweifelhaft oder unecht. Zu seinen bekanntesten Werken gehören:

  • Quelle der Erkenntnis, ein dreiteiliges Werk, das die damalige kirchliche Dogmatik umfassend darstellt. Der erste Teil (Dialektik) behandelt die nichtchristliche antike Philosophie; der zweite (Buch über die Irrlehren) beschreibt 100 Häresien (die Echtheit des Kapitels 101, das den Islam unter die Häresien einreiht, ist seit langem umstritten); der dritte Teil, die Ekdosis (Genaue Darlegung des rechten Glaubens), legt die kirchliche Lehre detailliert dar, wobei Johannes die Glaubensinhalte in der Reihenfolge des Glaubensbekenntnisses ordnet.
  • Drei Reden gegen die Verleumder der heiligen Bilder, das wichtigste Werk zur Verteidigung der Bilderverehrung
  • Spezielle Schriften gegen einzelne Häresien (Nestorianer, Jakobiten, Manichäer)
  • Oktoechos (Gottesdienstbuch von acht Tönen); der Anteil des Johannes ist nicht geklärt; nur ein Teil der darin enthaltenen Kanones des Stundengebets kann ihm mit Sicherheit zugewiesen werden.
  • Die Erzählung von Barlaam und Josaphat, d.h. die griechische Version dieser berühmten Legende indischen Ursprungs, wird Johannes traditionell zugeschrieben; die Verfasserschaft ist umstritten.

Theologie

Johannes war vorwiegend Kompilator. Er legte – einer damals sehr verbreiteten Denkweise folgend – Wert darauf, nichts Eigenes, nichts Originelles vorzutragen, sondern nur die überlieferte kirchliche Dogmatik, insbesondere die Lehren des Konzils von Chalkedon, systematisch darzustellen und gegen Häresien zu verteidigen. Dabei orientierte er sich stark an den Ansichten der Kirchenväter und übernahm sehr viel – auch wörtlich – aus fremden Werken. Wo er mit Fragen konfrontiert war, die in der patristischen Literatur nicht geklärt waren, wie etwa im Bilderstreit, entwickelte er aber auch eigenständige Gedanken. Seine Arbeit in der Quelle der Erkenntnis beschreibt er so: „Wie eine Biene werde ich alles sammeln, das mit der Wahrheit übereinstimmt, und dabei sogar Hilfe aus den Schriften unserer Gegner entgegennehmen. ... Ich biete euch nicht meine eigenen Schlussfolgerungen, sondern die, die von den hervorragendsten Theologen erarbeitet wurden, während ich sie nur gesammelt und so weit wie möglich in einer Abhandlung zusammengefasst habe.“

Im Bilderstreit argumentierte Johannes, dass das Bilderverbot im Alten Testament nur zur Verhinderung von Götzendienst, zu dem manche Juden damals neigten, erlassen worden sei; es habe mit dem Auftreten Christi seine Gültigkeit verloren. Vieles im Alten Testament sei bildhaft, und der Sinn von Abbildern sei, auf die Urbilder hinzuweisen. Gott sei zwar unsichtbar, aber er habe selbst durch die Inkarnation seines Sohnes ein sichtbares Bild von sich gemacht. Dieses dürfe daher auch gemalt werden. Auch die Abbildungen von Heiligen seien legitim; zwar gebühre die anbetende Verehrung nur Gott, doch dürfe man einfache Verehrung auch seinen Dienern erweisen. Die vor den Heiligenbildern erwiesene Ehrerbietung gelte nicht dem abbildenden Gegenstand, sondern stets der abgebildeten Person.

Rezeption

Wegen seiner Haltung im Bilderstreit wurde Johannes bald nach seinem Tod auf dem ikonoklastischen Konzil von Hiereia (754) verflucht. Der Zorn Kaiser Konstantins V. äußerte sich darin, dass er Johannes als Mánzeros (Bastard, aus dem Hebräischen) beschimpfte (eine Anspielung auf den Namen von Johannes' Großvater Mansur). Nach dem Sieg der Bilderverehrer wurde Johannes 787 auf dem Zweiten Konzil von Nicäa rehabilitiert, die Beschlüsse von Hiereia wurden für nichtig erklärt. Das Zweite Konzil von Nicäa wird im Osten wie im Westen als Siebtes Ökumenisches Konzil anerkannt.

Die handschriftliche Überlieferung der Werke ist sehr reich. Abgeschrieben wurden vor allem die Ekdosis, von der 237 vollständige Handschriften und Hunderte von Handschriften mit Auszügen und Fragmenten erhalten sind, und die Dialektik (218 Handschriften). Auch Marienpredigten des Johannes und der ihm zugeschriebene Barlaam und Josaphat waren stark verbreitet. Die Quelle der Erkenntnis wurde in mehrere Sprachen übersetzt (Georgisch, Armenisch, Kirchenslavisch. Arabisch). Die Ekdosis wurde in den östlichen Kirchen, besonders auch in der russischen, zur maßgeblichen Darstellung der Dogmatik.

Die Ekdosis wurde schon vor 1145 von dem ungarischen Mönch Cerbanus teilweise ins Lateinische übersetzt; Burgundio von Pisa fertigte um 1153/1154 die erste vollständige Übersetzung an (lateinisch De fide orthodoxa; diese Bezeichnung ist inzwischen jedoch veraltet; in neueren wissenschaftlichen Arbeiten lautet der lateinische Name der Ekdosis nun Expositio fidei). Petrus Lombardus kannte die Übersetzung Burgundios und zog sie bei der Abfassung seines Sentenzenwerks heran. Um 1235/1240 überarbeitete Robert Grosseteste Burgundios Text und übersetzte auch die Dialektik. Die Dialektik und die Ekdosis gehörten zu den wenigen mittelalterlichen griechischen Werken, die im Mittelalter in lateinischer Übersetzung zugänglich waren und das Denken der Scholastiker beeinflussten; bei Thomas von Aquin in der "Summa Theologica" ist er der meistzitierte Kirchenvater. Die Ekdosis wurde im Spätmittelalter nach dem Muster der Sentenzen des Petrus Lombardus in vier Bücher geteilt und als Sententiae Damasceni (Sentenzen des Damaszeners) bezeichnet.

Johannes von Damaskus wird im Westen und im Osten als Heiliger verehrt. Er wurde 1890 von Papst Leo XIII. zum Kirchenlehrer und Patron der Theologiestudenten des Ostens ernannt.

Gedenktag

Im alten römisch-katholischen, liturgischen Kalender (bis 1969) wurde er am 27. März gefeiert, heute ist es in der römisch-katholischen ebenso wie in der orthodoxen Kirche der 4. Dezember.

Literatur

  • Bonifatius Kotter (Hrsg.): Die Schriften des Johannes von Damaskus. 5 Bände. Berlin 1969–1988. (Maßgebliche kritische Gesamtausgabe)
  • Frederic H. Chase Jr. (Hrsg.): Saint John of Damascus: Writings. (Fathers of the Church. Band 37.) Washington, DC 1958. (Englische Übersetzung der Quelle der Erkenntnis.)
  • Raymond LeCoz (Hrsg.): Écrits sur l'Islam. Mit Kommentar. Sources chrétiennes 383, Éd. du Cerf, Paris 1992, ISBN 2-204-04676-0.

Deutsche Übersetzungen

  • Gerhard Feige (Hrsg.): Drei Verteidigungsschriften gegen diejenigen, welche die heiligen Bilder verwerfen. Benno, Leipzig 1994, ISBN 3-7462-0553-0.
  • Dionys Stiefenhofer (Hrsg.): Des heiligen Johannes von Damaskus Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens. Kösel, München 1923. (als E-Book verfügbar)
  • Gerhard Richter (Hrsg.): Philosophische Kapitel. Hiersemann, Stuttgart 1982, ISBN 3-7772-8203-0 .(Übersetzung der Dialektik.)
  • Reinhold Glei (Hrsg.): Schriften zum Islam. von Johannes Damaskenos und Theodor Abu Qurra. Kommentierte griech.-dt. Textausgabe (Corpus Islamo-Christianum, Series Graeca 3). Echter, Würzburg; Oros, Altenberge 1995, ISBN 3-429-01511-1.

Mittelalterliche lateinische Übersetzungen

  • Saint John Damascene: De fide orthodoxa. Versions of Burgundio and Cerbanus. Hrsg. Eligius M. Buytaert. Paderborn 1955.
  • Saint John Damascene: Dialectica. Version of Robert Grosseteste. Hrsg. Owen A. Colligan. Paderborn 1953.

Weblinks

 Commons: Johannes von Damaskus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Information zu Person und Werk

Werke

Einzelnachweise

  1. St. John of Damascuss Critique of Islam; deutsche Übersetzung: Kritik von St. Johannes von Damaskus am Islam

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