Jonathan Franzen

Jonathan Franzen
Jonathan Franzen Frankfurter Buchmesse 2010

Jonathan Franzen (* 17. August 1959 in Western Springs bei Chicago) ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Einem breiten Publikum bekannt wurde er mit seinem 2001 erschienenen dritten Roman Die Korrekturen, der den National Book Award gewann, Finalist für den Pulitzer-Preis war und sich weltweit 2,85 Millionen mal[1] verkaufte. Dem nachfolgenden Roman Freiheit wurde bei seinem Erscheinen 2010 außergewöhnliche Aufmerksamkeit durch die amerikanischen Medien zuteil.[2] Kritiker zählen ihn zu den besten Büchern des Jahres.[3]

Thematisch steht in Franzens Romanen das Auseinanderfallen dysfunktionaler Familien im Mittelpunkt, deren Mitglieder als Einzelpersonen und in ihrem Verhältnis zueinander beleuchtet werden. Zugleich weisen seine breit angelegten Werke – sowohl Die Korrekturen als auch Freiheit umfassen jeweils über 700 Seiten – auf Zusammenhänge und Ähnlichkeiten zwischen dem Einzelschicksal ihrer Charaktere und gesellschaftlichen sowie politischen Entwicklungen hin. Unter anderem beschäftigen sie sich mit Problemen, die mit Globalisierung, Kapitalismus, Umweltverschmutzung und dem „Krieg gegen den Terror“ einhergehen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Franzen wurde in Western Springs, Illinois als jüngster von drei Brüdern geboren und wuchs in Webster Groves, Missouri auf, einem Vorort von St. Louis. Er studierte am Swarthmore College und erwarb 1981 mit Auszeichnung einen Bachelor of Arts in Germanistik. 2005 verlieh das College ihm die Ehrendoktorwürde.[4] Nach seinem Abschluss studierte Franzen im Rahmen des Fulbright-Programms an der Freien Universität Berlin und spricht daher bis heute sehr gut Deutsch.[5] 1982 heiratete er die Schriftstellerin Valerie Cornell und nahm einen Wochenendjob am seismologischen Labor des Department of Earth and Planetary Sciences der Harvard University an, um den gemeinsamen Lebensunterhalt zu bestreiten.[6] Die beiden trennten sich 1994 jedoch und sind inzwischen geschieden.

1988 erschien Franzens erster Roman, The Twenty-Seventh City (dt.: Die 27ste Stadt), der einige wohlwollende Kritiken erhielt, jedoch keine breite Leserschaft fand. Sein zweiter Roman, Strong Motion (dt.: Schweres Beben), wurde 1992 weder von Kritikern noch vom Publikum begeistert aufgenommen. Dennoch gelang es ihm 1996 aufgrund eines 200-seitigen Entwurfs, die Rechte an seinem neuen Roman The Corrections (dt.: Die Korrekturen) an den Verlag Farrar, Straus and Giroux zu verkaufen. Als das Werk 2001 schließlich erschien, unmittelbar vor den Terroranschlägen des 11. September, brachte es ihm bei Publikum und Kritikern gleichermaßen den Durchbruch. Unter anderem wählte Oprah Winfrey den Roman für Oprah’s Book Club aus, was in der Regel einen starken Anstieg der Verkaufszahlen nach sich zieht. Nachdem Franzen in einem Interview seiner ambivalenten Einstellung gegenüber dieser Nominierung Ausdruck verliehen hatte, zog Winfrey die Einladung in ihre Fernsehshow jedoch wieder zurück und besprach statt dessen ein anderes Buch. Diese Kontroverse zog ein breites Medienecho nach sich, in dessen Rahmen Franzen teils heftig für seine Kommentare kritisiert wurde.

Unmittelbar nach Erscheinen von Die Korrekturen nahm Franzen die Arbeit an einem neuen Roman auf, verwarf jedoch zunächst alles, was er schrieb.[1] Statt dessen veröffentlichte er 2002 eine Sammlung von Essays, How to Be Alone (dt.: Anleitung zum Alleinsein) und 2006 eine Sammlung autobiografischer Erzählungen, The Discomfort Zone (dt.: Die Unruhezone: Eine Geschichte von mir), die sich von seiner Kindheit und Jugend, über das Zusammenleben mit und der Trennung von seiner Frau, bis zum Tod seiner Eltern und der Zeit nach dem Erfolg von Die Korrekturen erstrecken. Im August 2010 erschien schließlich unter außergewöhnlicher Aufmerksamkeit der amerikanischen Medien Franzens vierter Roman, Freedom (dt.: Freiheit). Nachdem Franzen Winfrey ein Vorabexemplar geschickt hatte, wählte sie das Buch, diesmal mit seiner ausdrücklichen Zustimmung, wiederum für ihren Buchclub aus. Im selben Jahr wurde der Schriftsteller Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Heute lebt Franzen zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der Schriftstellerin Kathryn Chetkovich, abwechselnd an der Upper East Side in New York City und in der Nähe von Santa Cruz, Kalifornien.

Werk

1988 veröffentlichte Franzen seinen Debütroman The Twenty-Seventh City, 1992 folgte der Roman Strong Motion.

Mit seinem dritten, hochgelobten Roman The Corrections gelang Franzen 2001 der internationale Durchbruch. Für den Roman bekam er im selben Jahr den National Book Award verliehen. Schon vorher hat ihn die Zeitschrift The New Yorker auf die Liste der wichtigsten Schriftsteller des 21. Jahrhunderts gesetzt.

2002 veröffentlichte Franzen die Essay-Sammlung How to Be Alone. 2006 folgte die autobiographische Erzählung The Discomfort Zone - A Personal History. Mit Spring Awakening legte Franzen im Herbst 2007 eine Neuübersetzung von Frank Wedekinds Frühlings Erwachen vor.

2009 hatte Franzen zusammen mit Adam Haslett und Daniel Kehlmann die Tübinger Poetik-Dozentur inne.

2010 erschien Franzens Roman Freedom.[7]

In deutscher Übersetzung erscheinen die Bücher Jonathan Franzens im Rowohlt Verlag.

The Twenty-Seventh City

The Twenty-Seventh City (dt.: Die 27ste Stadt) spielt in St. Louis, einer Stadt im Mittleren Westen, die in der Geschichte der USA einst eine wesentlich bedeutendere Rolle spielte, in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts aber auf Platz 27 der wichtigsten amerikanischen Städte abgefallen ist.

Ausgangspunkt des Geschehens: Die in Indien aufgewachsene und in der Polizei tätige Halb-Amerikanerin S. Jammu wird zur neuen Polizeichefin gewählt und beginnt nun, ein Netz aus Intrigen und Korruption über die Stadt zu legen. Im Mittelpunkt steht dabei der Korruptionsprozess gegen den Bauunternehmer Martin Probst, einen der einflussreichsten Männer der Stadt. Obwohl Probst gewarnt wird, gelingt es Jammu, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Doch Probst bleibt hin- und hergerissen zwischen den verschiedenen Kräften, die versuchen, die Stadt unter ihre Kontrolle zu bringen.

Wie auch in Franzens anderen Romanen spielt der Untergang der Familie, in diesem Falle der Probsts, eine Hauptrolle. Die ständigen Perspektivwechsel, die als Hauptstilmittel eingesetzt werden, liefern ein vielschichtiges Bild der amerikanischen Gesellschaft auf persönlicher wie politischer Ebene am Ausgang des 20. Jahrhunderts.

The Corrections

The Corrections (dt.: Die Korrekturen) erzählt die Geschichte der Familie Lambert aus einer Kleinstadt im Mittleren Westen der USA. Nach 50 Jahren als Ehefrau und Mutter hat Enid Lambert den Wunsch, ein letztes Weihnachtsfest mit ihrem schwer an Parkinson erkrankten Mann Alfred und den drei Kindern zu verbringen. Gary, Chip und Denise führen jedoch längst ihre eigenen Leben, in denen es einige Probleme und Krisen zu bewältigen gibt.

Der älteste Sohn Gary ist ein erfolgreicher Banker in Philadelphia. Allerdings steckt seine Ehe in einer tiefen Krise. Zudem leidet Gary unter Depressionen, die er vehement leugnet. Chip verliert seine Stelle als Literaturdozent, nachdem eine Affäre mit einer Studentin bekannt wird. Als er auch als Drehbuchautor scheitert, zieht es ihn unter dubiosen Umständen nach Litauen. Dort wird er in einen groß angelegten Internetbetrug verwickelt. Denise, die jüngste der drei Geschwister, verliert aufgrund einer Affäre mit ihrem Chef und dessen Frau ihren Job als Gourmetköchin.

Das Scheitern der Figuren steht im Mittelpunkt des Romans. Die Kinder versuchen dabei jedoch die Lebensmodelle der Eltern zu „korrigieren“, um eigenen Krisen vorzubeugen bzw. aus dem Weg zu gehen. Ein Bemühen, das letztlich jedoch nicht gelingt. Am Ende bleibt ein bewegendes Bild einer Familie zurück, das nicht nur geprägt ist durch die Schicksale der einzelnen Mitglieder, sondern auch durch deren vielschichtige Beziehungen zueinander.

Freedom

Der Roman Freedom ist wie auch sein Vorgänger The Corrections im täglichen Leben einer Mittelklasse-Familie der heutigen USA angesiedelt. Orte der Handlung sind das Verwaltungszentrum des Bundesstaats Minnesota, St. Paul (Minnesota), sowie die Städte Washington und New York. Das bitter-süße, dramatische Schicksal der Ehe von Walter und Patty Berglund steht im Zentrum der Handlung. Von der Mitte der 1980er Jahre bis zur Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten im Jahr 2009 wird das gegensätzliche Paar nacheinander aus der Sicht verschiedener Figuren geschildert, v.a. aus der Patty Berglunds selbst. In ihren heimlichen, intimen Konflikten entfaltet sich hochdramatisch ein ethisches Dilemma, das der Titel „Freiheit“ anspricht: wie weit Freiheit ausgelebt und anderen zugemutet werden darf.

Die schonungslos, aber höchst respektvoll gezeichneten Figuren decken in ihrer Gesamtheit ein breites Spektrum sozialer Herkunft und politischer Ansichten ab. Patty ist eine begnadete Basketballerin, Tochter einer bekannten Politikerin der Demokratischen Partei und schwarzes Schaf ihrer angesehen jüdischen Familie mit Beziehungen zum Kennedy-Clan. Ein zentraler Kontrapunkt zum romantischen Liberalismus der Hauptfigur, des Juristen und Umweltschützers Walter Berglund, sind die illusionslosen Schilderungen seines besten Freundes, des Rockmusikers und Frauenhelden Richard Katz. Für Walter ebenso spannungsvolle Einblicke in das Denken konservativer, weißer Amerikaner verdankt der Leser den ungewollten Verstrickungen Walters und seines Sohnes Joey in Geschäfte mit dem Rüstungskonzern LBI. Hier wirft der Roman zeitaktuelle ethisch-politische Fragen im Zusammenhang mit der Invasion des Irak im Jahr 2003 und mit dubiosen Regierungsaufträgen auf. Die Frage nach den Grenzen industriellen Wachstums, die Walter zeit seines Lebens umtreibt, bleibt auch in diesem umfangreichen Zeit- und Gesellschaftsroman ungelöst.

Bibliografie

  • 1988 Twenty-Seventh City (Roman. dt.: Die 27ste Stadt, 2003).
  • 1992 Strong Motion (Roman. dt.: Schweres Beben, 2005).
  • 2001 The Corrections (Roman. dt.: Die Korrekturen, 2002).
  • 2002 How to Be Alone (Essays. dt.: Anleitung zum Einsamsein, 2002 und Anleitung zum Alleinsein, 2007).
  • 2006 The Discomfort Zone: A Personal History (dt.: Die Unruhezone. Eine Geschichte von mir, 2007).
  • 2010 Are we feeling better now? Fiktion und Autobiografie (zusammen mit Adam Haslett, dt. Originalausgabe)
  • 2010 Freedom

Weblinks

 Commons: Jonathan Franzen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Interviews
Rezensionen

Einzelnachweise

  1. a b Lev Grossman: Jonathan Franzen: Great American Novelist In: Time, 12. August 2010
  2. Robin Pogrebin: First in a Decade: A Living Novelist on Time’s Cover In: The New York Times, 11. August 2010
  3. The New York Times: The 10 Best Books of 2010, 1. Dezember 2010
  4. Alisa Giardinelli: Jonathan Franzen '81 First Living American Novelist on Time Cover in Decade. In: Swarthmore News, 16. August 2010. Webseite des College, abgerufen am 5. Dezember 2010.
  5. http://www.fr-online.de/kultur/literatur/der-umgaengliche/-/1472266/4732280/-/index.html
  6. Emily Eakin: Jonathan Franzen's Big Book In: New York Times, 2. September 2001
  7. Jonathan Franzen ist so populär wie noch nie Welt Online, 16. August 2010, abgerufen am 17. August 2010

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  • Franzen, Jonathan — ▪ American author born Aug. 17, 1959, Western Springs, Ill., U.S.       American novelist and essayist whose sprawling, multilayered novels about contemporary America elicited critical acclaim.       Franzen grew up in Webster Groves, Mo., a… …   Universalium

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  • Franzen — /ˈfrænzən/ (say franzuhn) noun Jonathan, born 1959, US novelist; works include Freedom (2010) …  

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