KHM 181

KHM 181

Die Nixe im Teich ist ein Märchen (Typ 316 nach Aarne und Thompson). Es ist in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm seit ihrer 5. Auflage von 1843 an Stelle 181 enthalten (KHM 181).

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Ein verarmter, früher wohlhabender Müller begegnet einer Nixe im Teich, die ihm neuerlichen Wohlstand gewährt im Tausch gegen das, was eben in seinem Hause jung geworden ist. Letzteres stellt sich als sein neugeborener Sohn heraus, der aufwächst und als junger Jäger heiratet. Eines Tages gerät er bei der Jagd auf ein Reh versehentlich in die Nähe des Sees, und als er seine Hände darin waschen will, zieht die Nixe ihn hinab. Seine Frau findet heraus, was geschehen ist, wandert in ihrem Schmerz um den See, bis sie einschläft und danach eine weise alte Frau trifft. Diese rät ihr, bei Vollmond einen goldenen Kamm, das zweite Mal eine Flöte und dann ein Spinnrad am Ufer des Sees zu benutzen, worauf erst der Kopf, das zweite Mal der Oberkörper des Mannes erscheint und er schließlich freikommt. Die beiden überleben die Flut des sich erhebenden Sees, indem sie in einen Frosch und eine Kröte verwandelt werden, finden sich aber nicht wieder. Schließlich treffen sie sich als einsame Schafhirten.

Herkunft

Nach ihren Anmerkungen hatten die Brüder Grimm das Märchen, das aus der Oberlausitz stammt, aus der Zeitschrift für deutsches Alterthum (Nr. 2, 1842) von Moriz Haupt. Heute kennt man noch ältere Quellen. Sie bemerken noch, daß der bösen Nixe in anderen Märchen der Teufel entspricht und nennen Die kluge Else.

Interpretation

Die meist versehentliche Auslieferung des ungeborenen Kindes an eine unheimliche Macht durch eine leichtsinnige Einlassung der Eltern ist ein verbreitetes Märchenmotiv (KHM 3 Marienkind, KHM 12 Rapunzel, KHM 31 Das Mädchen ohne Hände, KHM 55 Rumpelstilzchen, KHM 88 Das singende springende Löweneckerchen, KHM 92 Der König vom goldenen Berg, KHM 108 Hans mein Igel). In diesem Fall kommt das Unglück über Nacht, obwohl der Reichtum dann von Jahr zu Jahr schwindet. Der Müller will es sich leichter ums Herz machen, die Nixe verspricht, ihn glücklicher zu machen, als er je gewesen ist, und er eilt getröstet nach Hause. Dort erschrickt er, als er erkennt, dass die Begebenheit seine Familie belastet, und beichtet mit gesenktem Haupt seiner Frau.

Der Vater warnt seinen Sohn vor dem Fehler, den er selbst gemacht hat, und dieser nimmt sich in Acht vor den Nachstellungen der Nixe. Lediglich sein Jägerberuf und vielleicht die frühe Heirat scheinen auf das geheime Erbe seines Vaters hinzuweisen. Sobald er aber versehentlich doch in Kontakt mit dem Teich kommt, wird er sofort hinabgezogen an den Händen, die er sich mit dem Blut eines Rehs beschmutzt hat.

Die Frau des Jägers bietet erst ihre schöne Erscheinung (goldener Kamm), dann sinnliches Flötenspiel auf (ein Phallussymbol, wie auch die Flinte des Jägers). Aber erst der Spindel als Sinnbild des häuslichen, stetigen Lebens hat die Nixe nichts mehr entgegenzusetzen. Es folgt erneut eine plötzlicher Überschwang des Wasserelements, der die beiden zu vernichten droht. Im Gegensatz dazu steht die lange Zeit auf den Feldern als Schäfer, was die Sehnsucht nach familiärem Leben ausdrückt (das Wollhaar der Schafe entspricht wieder der Spindel).

Auffallend ist die Häufung von grünen, nassen Elementen, wie das schlammige, gleichwohl schöne grüne Wasser des Waldsees. Nixen werden meist mit grüner Haut, grünem Haar und tropfendem Rocksaum dargestellt. Grün und glitschig ist auch der Frosch, in den der Jäger verwandelt wird, sowie seine grüne (wohl auch oft verschwitzte) Jagdkleidung. Das scheint die Berührung mit der Nixe anzudeuten, die der Vater an seinen Sohn weitergegeben hat. Das sykotische Miasma kann (z. B. nach Samuel Hahnemann) durch Gonorrhoe ausgelöst werden, eine besonders früher häufige Geschlechtskrankheit mit grünlichem Ausfluss.

Dagegen scheint bei der treuen Frau des Jägers, die zu einer Kröte wird, das Erdelement zu überwiegen.

Ein ähnliches Märchen ist KHM 69 Jorinde und Joringel. Vgl. auch KHM 198 Jungfrau Maleen, KHM 111 Der gelernte Jäger, KHM 12 Rapunzel, KHM 136 Der Eisenhans; zur Jagd auf das Reh auch KHM 113 De beiden Künigeskinner, KHM 60 Die zwei Brüder, KHM 85 Die Goldkinder; zur Erlösung durchs Spinnen auch KHM 49 Die sechs Schwäne, KHM 59a Prinz Schwan, Ariadne

Hedwig von Beit deutet das Kindsopfer des Vaters (Jephtha-Motiv) als Beharren des Bewusstseins auf bisherigem zulasten von neuem, entsprechend den Sohn als schwaches Abbild des Vaters anstelle der Tochter. Missachtung des Unbewussten lässt paradoxerweise dessen dämonischen Aspekt hervortreten. Die Lösung erfolgt durch die gütige Muttergestalt auf instinktiven, auch krummen Wegen.

Zeichentrickserie

Literatur

  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 741-746. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 265, S. 510. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
  • Von Beit, Hedwig: Gegensatz und Erneuerung im Märchen. Zweiter Band von «Symbolik des Märchens». Zweite, verbesserte Auflage, Bern 1965. S. 102-103.
  • Kast, Verena: Wege aus Angst und Symbiose. Märchen psychologisch gedeutet. 1. Auflage. München 1987. S. 81-100. (Walter-Verlag; ISBN 3-530-42100-6)

Weblinks


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