Katharinenkloster Lübeck

Katharinenkloster Lübeck
Die 1837/38 erneuerten gotischen Fassaden des Katharinenklosters, von der Königstraße aus gesehen, vor dem Abriss der Flügel 1880

Das Katharinenkloster in Lübeck bestand als Kloster der Minoriten von 1225 bis zur Reformation 1531.

Inhaltsverzeichnis

Gründung

Noch zu Lebzeiten des Heiligen Franz von Assisi, im Jahre 1225, erhielten die Minoriten (Franziskaner) vom Rat der Stadt ein Grundstück zum Bau von Kloster und Kirche in der Königstraße/Ecke Glockengießerstraße. Dieses war die erste Ansiedlung des Ordens in Norddeutschland. Sie geschah vermutlich von Magdeburg aus, wo die Franziskaner schon seit 1223 ansässig waren. 1256 wurde das Gelände durch eine weitere Schenkung des Rats erweitert.

Bauten

Grundriss des Erdgeschosses 1832; Kirchenschiff (li.) mit Klostertrakt (re.), der heute zum Katharineum gehört, einem Gymnasium.
Leicht idealisierte Darstellung des gotischen Klostereingangs aus dem Lübecker ABC von Carl Julius Milde, 1857

Von den zuerst errichteten Gebäuden ist wenig bekannt. Die der Heiligen Katharina von Alexandrien geweihte Klosterkirche, die heutige Katharinenkirche (St. Katharinen), gehörte seit ihrer Gründung zu den beliebtesten Grablegen der Lübecker Bürger. Über das Bestattungsrecht in der Kirche kam es 1277 zu einem erbitterten Streit der Stadt mit dem Lübecker Bischof Burkhard von Serkem, der beim Papst das Interdikt erwirkte und einen Prozess vor der römischen Kurie anstrengte. Der Prozess endete 1281 mit einem Vergleich, der den Bettelmönchen ihr Begräbnisrecht garantierte und ihre Stellung in der Stadt gegenüber dem Pfarrklerus stärkte. Während eines weiteren Streits (sog. Großer Streit) zwischen 1299 und 1318 unterliefen die nicht dem Bischof unterstehenden Franziskaner zunächst das von diesem erneut über die Stadt ausgesprochene Interdikt, bis sie 1310 vom Papst zur Einhaltung des Interdikts verpflichtet wurden. Dies führte zur Einstellung der Gottesdienste und zum Wegfall der Einnahmen aus Bestattungen. Nachdem sich die Stadt 1318 durch Sühnezahlungen vom Interdikt befreien konnte, kam es ein Jahr später zu einem Vergleich der Franziskaner mit dem Bistum.[1]

Unterstützt durch namhafte Stifter wie den Bürgermeister Segebodo Crispin, wurde ab 1319 zunächst der Ostteil der Klosterkirche mit dem Chorraum, dann das Langhaus im Stil der Backsteingotik neu erbaut. Die Konventsgebäude schließen sich an, ohne dass die genaue Bauabfolge schon geklärt ist. Es wird vermutet, dass der Kapitelsaal im Erdgeschoss des Ostflügels um 1320 entstand. Zwei dreiflügelige Kreuzgänge erschließen die um zwei Innenhöfe angeordneten Räume.

Durch ihre seelsorgerische und caritative Tätigkeit während der Pest-Epidemie um 1350 erhielten die Franziskaner offenbar so viele Legate, dass sie unter dem Guardian Emeke Swartze die Klostergebäude zur Königstraße hin erheblich erweitern konnten. Eine Inschrift im westlichen Kreuzgang berichtet davon:


M, und L, drei C war'n für dich, Herr, an Jahren vergangen,
Als dieses Landes die Pest mehr als die Hälfte erschlagen
Schreib noch drei I: Man bauet das Kloster als neues gen Süden.
Auch eine Bibliothek steht dieser Straß' zugekehrt.
Durch die vom Tod Hingerafften hat Gott dieses Kloster erneuert.
Nahm ihnen fort er den Leib, sei er nun gnädig den Seel'n. [2]


Zur gleichen Zeit (1350-54) ist die Kirche eingewölbt worden. 1356 wurde im Kloster das Provinzkapitel der Ordensprovinz Saxonia abgehalten, an der mehr als 450 Mönche teilnahmen. Es ist vermutet worden, dass gleichzeitig die Einweihung der Neubauten stattfand.

Wohl gegen Ende des Jahrhunderts wurde das fünfjochige, zweischiffige Refektorium im Südflügel neu erbaut und um 1440 mit Wandmalereien, einer Marienkrönung und einer Einhornjagd, ausgeschmückt.[3] Der gemeinsame Dachstuhl über dem Ost- und Südflügel wird dendrochronologisch auf 1422 datiert. Später entstanden noch Wirtschaftsgebäude wie ein Hospital und 1500 der Neubau des zuvor abgebrannten Brauhauses.

Stellung im Ordensverband

Der Konvent wurde Sitz einer der zwölf Kustodien der Ordensprovinz. Zur Lübecker Kustodie gehörten die Konvente entlang der Ostsee: das Graue Kloster (die heutige Große Stadtschule)[4] in Wismar, das Katharinenkloster Rostock, Schwerin,[5] das Johanniskloster (Stralsund) sowie die Klöster in Parchim und Riga, später auch das Klarissenkloster Ribnitz.[6]

Zwischen 1282 und 1322 stellte er drei Provinziale. Neun Provinzkapitel mit jeweils etwa 400 Teilnehmern, einer großen Sakramentsprozession und zahlreichen Festgottesdiensten fanden hier statt. Dabei ist unbekannt, wie viele Mönche ständig im Katharinenkloster lebten. Die Forschung rechnet mit etwa 50.[7]

In den innerfranziskanischen Streitigkeiten des 15. Jahrhunderts um die Observanzbewegung stand das Kloster auf der Seite der weniger strengen Konvente, ohne jedoch Teil des Konventualen-Zweigs im Orden zu werden. Bis 1463 nahm es die nach Papst Martin V. benannten Martinianischen Konstitutionen an und gehörte ab 1518 zur neu eingerichteten martinianischen Provinz Saxonia S. Johannis Baptistae, die jedoch schon bald in der Reformation unterging.

Bedeutung für die Stadt

Das Kloster hatte zwei Lesemeister zur Unterrichtung des Klosternachwuchses und galt als Zentrum der Lübecker Chronistik. Zwischen 1368 und 1380 wirkte hier Bruder Detmar als Lesemeister, den Jakob von Melle als Autor der ältesten Lübecker Chronik identifizierte. Auch die sogenannte Ribnitzer Chronik entstand wahrscheinlich hier, und zwar schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Als ihr Autor gilt der damalige Kustos, Dietrich von Studnitz. Im 15. Jahrhundert gilt das Kloster als Entstehungsort bedeutender mittelniederdeutscher religiöser Texte wie der Inschriften des Lübecker Totentanzes, der Erbauungschriften der Mohnkopf-Offizin des Hans van Ghetelen sowie des 1492 von Steffen Arndes gedruckten Lübecker Passionals, einer mittelniederdeutschen Version der Legenda aurea, und der Kommentare in der Lübecker Bibel (1494), die vermutlich von dem Kustos Nikolaus Bucholt stammen. Noch in der Reformationszeit ist es mit Reimar Kock ein (ehemaliger) Mönch des Katharinenklosters, der die Lübecker Ereignisse festhält.

Wie in anderen Städten wurden die Klosterräumlichkeiten auch zu weltlichen Zwecken genutzt. So fanden im Refektorium Schlichtungsverhandlungen in Streitfällen statt, und der Kapitelsaal wurde für Verlobungsabsprachen benutzt. Besonders die exklusive Zirkelgesellschaft und das Amt der Maler waren dem Konvent durch Gebetsverbrüderungs-Verträge verbunden, aber auch die Ämter der Fischer, Garköche, Küfer (Böttcher) und Bäcker sowie die Marienbruderschaft der Spielleute fanden hier ihre geistliche Heimat.

Auflösung und Nachnutzung

Als Folge der reformatorischen Neuordnung der Stadt durch die Kirchenordnung von Johannes Bugenhagen wurde der Konvent 1531 aufgelöst. Die meisten Mönche verließen das Kloster, der letzte noch zurückgebliebene Franziskaner, Martin Eggemann, starb im Jahre 1559.

Die Klosterräume blieben im Wesentlichen unverändert erhalten, erhielten aber eine neue Nutzung. Es entstand eine Lateinschule, die ab dem 19. Jahrhundert den Namen Katharineum zu Lübeck erhielt. Der Kapitelsaal wurde zum Lektorium, aber auch weiterhin für Verlöbnisse durch das Amt der Maler genutzt, das ihn 1655 renovieren und ausmalen ließ. Die ebenfalls in den Klosterräumen untergebrachten Lehrerwohnungen verschwanden erst bei den großen Umbauten des 19. Jahrhunderts.

Im ehemaligen Dormitorium im Obergeschoss des Kapitelsaals wurde ab 1620 die Stadtbibliothek eingerichtet.

Die Klosterkirche St. Katharinen wurde zu einer Filialkirche von St. Marien und für Schulgottesdienste benutzt, nach einer Profanierung während der Franzosenzeit auch für Ausstellungen. Im 20. Jahrhundert Museumskirche mit gelegentlichen Gottesdiensten, ist sie seit 1. Januar 2006 Teil der Kulturstiftung Hansestadt Lübeck.

So wird der weitläufige Gebäudekomplex an der Königstraße in der Lübecker Altstadt, heute Bestandteil des Weltkulturerbes, von drei kulturellen Einrichtungen genutzt.

Literatur

  • Johannes Baltzer, Friedrich Bruns, Hugo Rahtgens: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Hansestadt Lübeck. Band IV: Die Klöster. Die kleineren Gotteshäuser der Stadt. Die Kirchen und Kapellen in den Außengebieten. Denk - und wegekreuze und der Leidenweg Christi. Lübeck: Nöhring 1928, Faksimile-Nachdruck 2001 ISBN 3-89557-168-7, S. 35-155
  • Hartwig Beseler (Hrsg.): Kunsttopographie Schleswig-Holstein Neumünster 1974.
  • Günther H. Jaacks: St. Katharinen zu Lübeck. Baugeschichte einer Franziskanerkirche. Lübeck: Schmidt-Römhild 1968 (Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck, Band 21)
  • Friedrich Schlie: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin. II. Band: Die Amtsgerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen, Rehna, Gadebusch und Schwerin. Schwerin 1898, Neudruck Schwerin 1992, S. 27 - 68, ISBN 3910179061
  • Heike Trost: Die Katharinenkirche in Lübeck: franziskanische Baukunst im Backsteingebiet. Von der Bettelordensarchitektur zur Bürgerkirche. Kevelaer: Butzon und Bercker (Edition Coelde) 2006 (Franziskanische Forschungen, H. 47), zugl.: Bonn, Univ., Diss., 2004, ISBN 978-3-7666-2106-1
  • Heike Trost: Raumbuch der Räume klösterlichen Ursprungs im Katharineum. (Vervielfältigung 2006)
  • Ingo Ulpts: Die Bettelorden in Mecklenburg. Saxonia Franciscana 6. Werl 1995

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ulpts, Ingo: Zur Rolle der Mendikanten in städtischen Konflikten des Mittelalters: Ausgewählte Beispiele aus Bremen, Hamburg und Lübeck, in: Bettelorden und Stadt. Bettelorden und städtisches Leben im Mittelalter und in der Neuzeit. Hg. von Dieter Berg. Werl 1992, S. 131-151
  2. Übersetzung nach Adolf Clasen: Verkannte Schätze. Lübecks lateinische Inschriften im Original und auf Deutsch. Lübeck 2002, S. 197
  3. Henrik Lungagnini: Die freigelegten mittelalterlichen Wandmalereien im Refektorium des ehemaligen Katharinenklosters. In: Der Wagen 1972, S.37-44
  4. Der Abriss der letzten Gebäudereste des Klosters erfolgte 1891/92, vgl. Friedrich Schlie, II. Bd. S. 168 ff
  5. Abbruch der letzten Gebäude bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, vgl. Friedrich Schlie, II. Bd. S. 526 ff.
  6. Heute als Deutsches Bernsteinmuseum genutzt.
  7. Trost: Katharinenkirche (Lit.), S. 54.
53.86916666666710.689444444444

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