Kohäsionsmilliarde

Kohäsionsmilliarde

Schweizerische Ostzusammenarbeit
Transitionshilfe      Erweiterungsbeitrag
in Mia. SFr.
         in Mia. SFr.
1990–2006      3.45
2007–2011      0.73      2007–2017      1.01.3

Die Kohäsionsmilliarde – offiziell Erweiterungsbeitrag (fr. Contribution à l’élargissement, it. Contributo all’allargamento), auch Kohäsionsbeitrag – bezeichnet einen Betrag in Schweizer Franken, welchen die Schweiz gemäss Bundesratsbeschluss vom 31. März 2004 sowie durch Beschluss des Nationalrats und Ständerats vom 24. März 2006 bereit ist, den zehn neuen Staaten der EU (Beitritt per 1. Mai 2004) zukommen zu lassen. Es werden über zehn Jahre der sogenannten Auszahlungsperiode jährlich im Schnitt 100 Millionen Schweizer Franken ausbezahlt. Projekte und Programme können während den ersten fünf Jahre der sogenannten Verpflichtungsperiode im Partnerland beantragt werden.

Der Erweiterungsbeitrag soll nicht in den Kohäsionsfonds der EU fliessen, die Schweiz entscheidet selbst, welche Projekte oder Programme unterstützt werden. Es sollen keine zusätzlichen Steuermittel aufgewendet werden, da sie aus den beteiligten Departementen (EVD und EDA) erbracht werden muss. Der Erweiterungsbeitrag ersetzt teilweise die bisherige Schweizer Osthilfe – die Transitionshilfe der Ostzusammenarbeit – im Umfang von 1.2 Milliarden Schweizer Franken, da diese in den Ländern Bulgarien, Rumänien und Russland „gute Früchte getragen hat und nun beendet werden kann“.

Mit dem Erweiterungsbeitrag will sich die Schweiz am „Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU“ beteiligen. Empfänger sind die zehn Staaten, die am 1. Mai 2004 der Europäischen Union beigetreten sind – die ehemals kommunistischen Länder Mitteleuropas (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien) und des Baltikums (Estland, Lettland, Litauen) sowie Malta und Zypern. Trotz erfolgreichem Systemwandel weisen sie in manchen Belangen noch immer einen erheblichen Rückstand auf die westeuropäischen Staaten auf. Das durchschnittliche Prokopfeinkommen der neuen Mitgliedstaaten ist etwa halb so gross wie der EU-Durchschnitt.

Rechtliche Grundlage für den Erweiterungsbeitrag ist das Bundesgesetz Ostzusammenarbeit – Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas vom 24. März 2006 – das am 26. November 2006 vom Schweizer Stimmvolk gutgeheissen wurde. Die Schweiz wird eine Milliarde Franken verteilt über eine Auszahlungsungsperiode von zehn Jahren für Projekte in den neuen EU-Ländern zur Verfügung stellen. Die Umsetzung geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten, die die Anträge entgegennehmen, und beginnt voraussichtlich Ende 2007.


Verteilschlüssel Erweiterungsbeitrag
 
in %   in Mio. SFr.

Polen 48.9% 489
Ungarn 13.1% 131
Tschechien 11.0% 110
Slowakei 6.7% 67
Litauen 7.1% 71
Lettland 6.0% 60
Estland 4.0% 40
Slowenien 2.2% 22
Zypern 0.6% 6
Malta 0.3% 3
Reserve 2.0% 20

Total 100.0% 1'000

(Bulgarien und Rumänien

ca. 300)

(Total ca. 1'300)

Auch in den Verhandlungen mit der EU über den Kohäsionsbeitrag der Schweiz hat sich die Schweiz dagegen gestellt, das Bankgeheimnis bei dieser Gelegenheit in Frage zu stellen.

Inhaltsverzeichnis

Abwicklung

Die Finanzierung soll Ende 2007 anlaufen, dabei sehen DEZA / SECO den folgenden Ablauf vor (Quelle: „Grundsätze der Zusammenarbeit“, DEZA / SECO, März 2007):

  • Projekt- und Programmvorschläge nehmen DEZA / SECO nur von der National Coordination Unit (NCU) entgegen
  • DEZA / SECO bewilligen die Finanzierung von Projekten / Programmen
  • Ungebundenheit des Schweizer Beitrags an die erweiterte EU
  • Vergabe von Aufträgen entsprechend WTO / EU Regeln durch die Partnerinstitutionen
  • Delegation der Zahlungsabwicklung an die Partnerstaaten
  • Monitoring / Steuerung / Evaluation sind von zentraler Bedeutung

Erwartete Probleme

Umstritten ist die teilweise Delegation von Aufgaben an Partnerstaaten (ihre NCUs), da sie bei weitem noch nicht frei von Korruption sind.

Thematische Felder

(Quelle: „Grundsätze der Zusammenarbeit“, DEZA / SECO, März 2007)

Sicherheit, Stabilität und Unterstützung der Reformen

  • Ausbau der Verwaltungskapazitäten auf regionaler und kommunaler Ebene
  • Massnahmen zur Sicherung der Grenzen
  • Verbesserung der Bearbeitung von Einwanderungs- und Asylangelegenheiten
  • Zugang zu Informationssystemen im Bereich des Sicherheitsrechts und Verbesserung der Sicherheit auf rechtlicher Ebene
  • Modernisierung des Justizwesens
  • Ausbau der Institutionen und der Kapazitäten für die Bekämpfung der Korruption und des organisierten Verbrechens
  • nukleare Sicherheit
  • Verhütung und Bewältigung von Naturkatastrophen
  • regionale Entwicklungsinitiativen in Randgebieten oder benachteiligten Regionen

Umwelt und Infrastruktur

  • Sanierung und Modernisierung der Basisinfrastruktur (Energieeffizienz, Trinkwasser, Abwasser, Abfallbeseitigung, öffentlicher Verkehr)
  • Verbesserung der Umweltbedingungen, Verringerung des Schadstoffausstosses, Entwicklung und Durchsetzung von Standards und Normen im Bereich der Umweltüberwachung
  • Entsorgung giftiger Abfälle und Sanierung verseuchter Industriegelände
  • regionale, städtische und ländliche Raumordnung und Flächennutzungsplanung, Infrastruktur, Umwelt usw.
  • grenzübergreifende Umweltinitiativen, z. B. „Umwelt für Europa“
  • biologische Vielfalt und Naturschutz

Förderung der Privatwirtschaft

  • Entwicklung der Privatwirtschaft und Förderung der Ausfuhr unter besonderer Berücksichtigung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)
  • Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmöglichkeiten, Unterstützung der KMU im Bereich Unternehmensführung
  • Förderung zertifizierter Erzeugnisse des biologischen Landbaus
  • Förderung von Standards, Normen und Konformitätsbewertung im Bereich der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion; Förderung einer industriellen Produktion, die unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten sowie unter dem Gesichtspunkt der Ökoeffizienz dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung entspricht
  • Verbesserung der Regulierung des Finanzsektors und Ausbau der Finanzmärkte und -institutionen
  • Schutz des geistigen Eigentums

Menschliche und soziale Entwicklung

  • Ausbau der Kapazitäten in der öffentlichen Verwaltung auf zentraler, regionaler und kommunaler Ebene im Hinblick auf das Erreichen von EU-Standards
  • fachliche und berufliche Ausbildung
  • Forschung und Entwicklung (wissenschaftliche Austauschprogramme, Stipendien, Partnerschaften, Zusammenarbeit in der angewandten Forschung usw.)
  • Gesundheit (Modernisierung von Krankenhäusern, Reform der Krankenversicherungssysteme, vorbeugende Massnahmen usw.)
  • Partnerschaften zwischen Städten und Gemeinden
  • Unterstützung internationaler Entwicklungsinitiativen

Grundsätze und Formen der Zusammenarbeit

(Quelle: DEZA)

Grundsätze

Aussenpolitische Ziele

Fünf aussenpolitische Ziele der Schweiz:

  • Friedliches Zusammenleben der Völker
  • Achtung der Menschenrechte und Förderung der Demokratie
  • Wahrung der Interessen der schweizerischen Wirtschaft im Ausland
  • Linderung von Not und Armut in der Welt
  • Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Weitere Grundsätze der Ostzusammenarbeit

Weitere Grundsätze der schweizerischen Ostzusammenarbeit sind (BG Ost):

  • Solidarische Mitverantwortung: die Schweiz beteiligt sich aktiv am Aufbau eines sicheren geeinten europäischen Kontinents. Die Ostzusammenarbeit leistet einen solidarischen Beitrag zur Sicherung von Frieden, Stabilität und Prosperität in Europa.
    (BG Ost, Art. 3, Abs. 1)
  • Bedürfnisgerechte, partizipative Projektarbeit: die Ostzusammenarbeit geht von den Bedürfnissen der Partnerländer und deren Bevölkerung aus. Die lokalen Partner werden in die Planung der Projekte miteinbezogen.
    (BG Ost, Art. 3, Abs. 2)
  • In Ergänzung zu Eigenanstrengungen: die Ostzusammenarbeit strebte keine isolierten Lösungen an. Sie wirkt ergänzend zu eigenen Anstrengungen der Partnerländer und bettet sich in die Reformpolitik der Regierungen ein.
    (BG Ost, Art. 3, Abs. 3)

Formen

Technische Zusammenarbeit

In der Bundesverwaltung ist für die technische Zusammenarbeit die DEZA zuständig, sie strebt partizipative Problemlösungen an bei zentralen Transitionsdefiziten in folgenden Schwerpunkten:

  • Aufbau von demokratischen Strukturen und bürgernahen Institutionen
  • Einkommensförderung und Reform der wirtschaftlichen Strukturen
  • Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen
  • Armutsbekämpfung durch Reform und Stärkung der Gesundheits- und Bildungsbereiche

Dabei arbeitet sie zusammen mit zivilgesellschaftlichen, privaten oder staatlichen Projektpartnern von der Planung bis zur Umsetzung, fördert Eigeninitiativen und Stärkung von lokalen Kapazitäten und Institutionen.

Finanzielle Zusammenarbeit

In der Bundesverwaltung ist für die finanzielle Zusammenarbeit das SECO zuständig, sie unterstützt Schaffung marktwirtschaftlicher Strukturen, fördert Entwicklung des Privatsektors, Aus- und Umbau von Grundinfrastrukturen und leistet einen Beitrag zur Integration der Transitionsländer in die Weltwirtschaft, ihre wichtigsten Finanzinstrumente und Instrumente sind:

  • Finanzierungszuschüsse für Infrastrukturfinanzierungen
  • Kreditgarantien
  • Zahlungs- und Budgethilfe
  • Handels- und Investitionsförderung

Finanzierung

Für die Finanzierung werden, gemäss Entscheid des Bundesrates vom 16. Juni 2006:

  • 60% der Erweiterungshilfe durch Kürzungen bei der traditionellen Osthilfe kompensiert
  • 40% aus dem Bundeshaushalt refinanziert, durch Minderausgaben und/oder Mehreinnahmen.

Für die Mehreinnahmen sieht der Bundesrates vor, die Erträge des Zinsbesteuerungsabkommens mit der EU (Bilaterale II) beizuziehen – z.Z. jährlich ca. 50 Mio. SFr., die Hälfte des jährlichen Budgets der Erweiterungshilfe (bei Auszahlung über 10 Jahre, oder bei 5 Jahren ein Viertel).

Die Kürzungen bei der traditionelle Osthilfe werden zum grossen Teil bei Ländern vorgenommen, die der Bund, im Einklang mit internationalen Organisationen (OECD) nicht (mehr) zur Kategorie der Entwicklungsländer zählt (Bulgarien, Rumänien, Russland). Das Gesamtvolumen der öffentlichen Entwicklungshilfe der Schweiz beträgt jährlich 2.2 Mrd. Franken (2005), die Reduktion wird also weniger als 1% ausmachen.

Referendum

In der Schweiz wurde heftig um diesen Betrag gestritten. Die Rechte pochte darauf, dass in den bilateralen Verträgen nichts von einem finanziellen Beitrag steht und hat Angst vor einer zu grossen Belastung der Bundeskasse, auch weil sie weitere Forderungen der EU fürchtet. Die Linke störte sich vor allem an der Tatsache, dass der Betrag auf Kosten der Entwicklungshilfe bereitgestellt wird.

Die konservative SVP sowie die AUNS haben gegen das Osthilfegesetz (Bundesgesetz Ost, Bundesgesetz Osthilfe) das Referendum ergriffen. Das Schweizer Stimmvolk hat am 26. November 2006 mit einer Mehrheit von 53.4 % das Osthilfegesetz angenommen.

Weitere zwei neue Länder

Anfang Februar 2007 fragte die EU-Kommission die Schweiz an, die Osthilfe auch für die letzten neuen Länder, Rumänien und Bulgarien (Beitritt per 1. Januar 2007), zu leisten. Gemäss Sprecherin der EU-Aussenkommissarin Benita Ferrero-Waldner ginge es um ungefähr 300 Millionen Franken (über 10, oder 5 Jahre).

Diesmal, wie in der Abstimmung vom 26. November 2006 vom Volk genehmigt, hat aber das Parlament das letzte Wort.

In den vergangenen Jahren hat die Schweiz Bulgarien und Rumänien mit jährlich rund 25 Millionen Franken unterstützt. Diese Transitionshilfe lief mit deren EU-Beitritt Anfang 2007 aus, wird jedoch in anderen Länder fortgesetzt.

Quellen, Referenzen

  • IB EDA/EVD: Der Schweizer Erweiterungsbeitrag
  • IB/DEZA/SECO: Präsentation Beitrag der Schweiz an die erweiterte EU, 20. März 2007
  • IB/DEZA/SECO: Informationsblatt Bundesgesetz Ostzusammenarbeit – Transitionshilfe und Erweiterungsbeitrag, Dezember 2005, Februar/Mai 2006

Weblinks


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