Kollegialstift

Kollegialstift

Ein Kollegiatstift (gelegentlich auch als Stiftskapitel bezeichnet) ist in der Regel eine Gemeinschaft von Säkularkanonikern/Weltgeistlichen, welche von Regularkanonikern „Chorherren“ zu unterscheiden sind. Letztere sind Ordenspriester, welche zumeist nach der Regel des heiligen Augustinus leben. Säkularkanoniker sind deutlich von Mönchen abzugrenzen und gehören keinem Orden an.

Die Kanoniker (gelegentlich auch Stiftsherren genannt) leben an einer bestimmten Kirche, dem Stift, für deren Gottesdienste sie zuständig sind. Neben einer gemeinsamen Messe, dem Kapitelsamt, zählt hierzu auch das gemeinsame Stundengebet. Zugleich verwaltet das Stiftskapitel (also die Versammlung der Kanoniker) das Vermögen der Stiftskirche. Sie können daher das Stift auch jederzeit wieder frei verlassen. Auch behalten sie ihr Privateigentum.

Im Gegensatz zu den mit den Kathedralkirchen verbundenen Erz- und Hochstiften mit je einem Erzbischof oder Bischof an der Spitze steht den Kollegiatkirchen kein Bischof vor, sondern je nach Verfassung ein Propst oder ein Dechant.

Inhaltsverzeichnis

Gemeinschaft und geistliches Leben

Das Gemeinschaftsleben der Kanoniker besteht vor allem im gemeinsamen Gebet. So oft es ihnen möglich ist, kommen sie in der Stiftskirche zum „Chorgebet“ zusammen. Die Kanoniker regelten ihr Gemeinschaftsleben durch „Statuten“. Regelmäßig treffen sie sich zu Besprechungen, den sogenannten „Kapitelsitzungen“, auf denen alle Probleme besprochen und Entscheidungen gefällt werden. Das Stift wird nach außen hin durch Propst bzw. Dechant rechtsverbindlich vertreten. Manchmal versahen sie seelsorgerliche Dienste, waren beispielsweise Pfarrer in benachbarten Pfarrgemeinden. Andere sind mit speziellen kirchlichen Aufgaben, zum Beispiel als Theologieprofessoren, als Kirchenmusiker, oder Seelsorger für bestimmte Personengruppen betraut.

Da die Stiftsmitglieder keinem Orden angehören, haben sie auch kein spezielles Ordensgewand. Zu feierlichen Gottesdiensten tragen sie über der Priesterkleidung einen violetten, vorne zugeknöpften Schulterumhang („Mozzetta“), darüber an einer Kette oder einem Band das Stiftsabzeichen.

Verfassung

Die Anzahl der Kanoniker eines Stiftskapitels war fast immer festgeschrieben. Man strebte meist die Zahl 12 an, welche sich auf die 12 Apostel stützt, oder auch die Doppelung 24. Doch gab es auch durchaus größere und kleinere Stiftskapitel. Die Stiftskapitel werden von Dignitäten geleitet. An erster Stelle steht zumeist ein Propst, an zweiter Stelle ein Stiftsdechant. Kleinere Stiftskapitel besitzen oftmals nur einen Stiftsdechant. Weitere Dignitäten waren oftmals der Scholaster und der Thesaurar. Doch finden sich auch Dignitäten wie Diakonus maior, Diakonus minor ...

Mit der Säkularisation wurden die meisten Stiftskapitel aufgelöst, so dass es heute neben den Domkapiteln nur noch sehr wenige Stiftskapitel gibt, z.B. St. Remigius (Borken) oder das von St. Peter und Paul in Prag-Wyschehrad

Eintritt und Ausscheiden

Die formelle Aufnahme eines Kandidaten geschah mit der Possessio, hierfür waren die Tonsur und zumeist die niederen Weihen Voraussetzung. Nach Absolvierung eines Studiums außerhalb der jeweils eigenen Kirchenprovinz erfolgte nach einigen Jahren die endgültige Aufnahme als vollwertiges Mitglied, die Emanzipation. Hierfür verlangte man in der Regel die Subdiakonatsweihe. Der nun emanzipierte Kanoniker hatte sodann Sitz im Chor, Votum im Kapitel und die Verfügung über seine Einkünfte. Die Mitgliedschaft endete zumeist durch Tod oder Resignation. Letztere geschah in der Kirchengeschichte häufig zu Gunsten eines Verwandten. Gelegentlich war auch die Permutation, d.h. der Stellentausch mit einem anderen Geistlichen an einer anderen Kirche zu beobachten. Ausschlüsse waren eher selten. In solchen Fällen legte man demjenigen die Resignation nahe.

War früher für die Kanoniker der Stiftskapitel die Priesterweihe in der Regel keine Vorschrift, so ist sie heute unerlässlich. Oftmals gab es in den Stiftskirchen fest ausgeschriebene Kanonikate für Subdiakone, Diakone und Priester.

Stifte außerhalb der katholischen Kirche

Außerhalb der katholischen Kirche besteht das lutherische Kollegiatstift in Wurzen (Sachsen). Ursprünglich eine Gründung des Bischofs von Meißen, blieb es auch nach der Reformation erhalten. Seine Mitglieder sind lutherische Laien und Geistliche. Auch Westminster Abbey in London ist ein Kollegiatstift (The Collegiate Church of St. Peter, Westminster).

Literatur

  • Peter Moraw: Über Typologie, Chronologie und Geographie der Stiftskirche im deutschen Mittelalter. In: Untersuchungen zu Kloster und Stift. Göttingen 1980, S. 9–37 (Veröff. d. Max-Planck-Instituts f. Gesch. 68, Studien zur Germania Sacra 14).
  • Wolfgang F. Rothe: Kollegiatkapitel im deutschen Sprachraum. Eine kirchenrechtliche Bestandsaufnahme. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, 124. Bd. (2007), Kanonistische Abteilung 93, S. 246–278.
  • Alfred Wendehorst / Stefan Benz (Hrsg.): Verzeichnis der Säkularkanonikerstifte der Reichskirche. 1997. 216 S., ISBN 3-7686-9146-2.
  • Sönke Lorenz, Thomas Zotz (Hg.): Frühformen von Stiftskirchen in Europa: Funktion und Wandel religiöser Gemeinschaften vom 6. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts. Festgabe für Dieter Mertens zum 65. Geburtstag. Leinfelden 2006, ISBN 978-3-7995-5254-7.
  • Hannes Obermair, Klaus Brandstätter, Emanuele Curzel (Hg.): Dom- und Kollegiatstifte in der Region Tirol - Südtirol - Trentino in Mittelalter und Neuzeit. Schlern-Schriften 329, Innsbruck 2006, ISBN 3-7030-0403-7.
  • Heinz-Dieter Heimann (Hg.): Brandenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Berlin 2007. ISBN 978-3-937233-26-0

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