- Kolumbien-Krieg
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In Kolumbien findet seit über vierzig Jahren ein bewaffneter Konflikt statt, dessen Beginn auf die Jahre 1964 bis 1966 datiert wird.
Inhaltsverzeichnis
Beteiligte Parteien
- Die kolumbianische Polizei und das Militär,
- die Autodefensas Unidas de Colombia (AUC), ein Dachverband paramilitärischer Gruppierungen unterschiedlichen Ursprungs, und
- die Guerillagruppen Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo (FARC-EP) und Ejército de Liberación Nacional (ELN).
Die Drogenmafia ist keine eigenständige Partei in diesem Konflikt, ist aber mit einer oder mehreren dieser Parteien verbündet, bzw. hat sie ganz oder teilweise zersetzt, da die Aktivitäten der Guerilleros und der Paramilitärs seit Anfang der 1980er Jahre verstärkt durch den Anbau und den Verkauf von Drogen, insbesondere Kokain, finanziert werden.
Chronik des Konflikts
Seit der Unabhängigkeit gab es mehrere Bürgerkriege, die, neben Konflikten um die Landfrage, aus den traditionellen Rivalitäten zwischen liberaler und konservativer Partei resultierten. Wichtige Daten im Konflikt sind:
- 1899–1902 Krieg der Tausend Tage, gewaltsame Aneignung von Kleinbauernland durch Großgrundbesitzer im Zuge des Kaffeebooms mit geschätzten 100.000 Opfern in den Mittleren Anden
- 1928 Arbeitskampf auf den Bananenplantagen der United Fruit Company, Massaker von Ciéngaga/Santa Marta
- 1948–1952 Bürgerkrieg zwischen Konservativen und Liberalen, ausgelöst durch die Ermordung des liberalen Präsidentschaftskandidaten Jorge Eliécer Gaitán und seine angekündigte Agrarreform und den darauf folgenden blutigen Unruhen in der Hauptstadt (auch als Bogotazo bekannt). Die Gewalt setzte sich in den folgenden Jahren in ländlicheren Gebieten fort und ist heute als La Violencia bekannt.
- 1960–1970 sog. Smaragdkrieg (Guerra de las Esmeraldas) in der Region Boyacá, welcher zur Bildung des Cartel de Esmeralderos führte
- seit 1983 Drogenkrieg und Gründung von paramilitärischen Einheiten, welche die Beseitigung oppositioneller Gruppen verfolgen (sog."Schmutziger Krieg")
Strukturen des Konflikts
Die linksgerichteten Guerillagruppen kämpfen gegen das kolumbianische Militär. Die rechtsgerichteten Paramilitärs stehen im Konflikt mit den Guerillagruppen. Beide Parteien verüben jedoch auch Anschläge auf die Zivilbevölkerung und verletzen die Menschenrechte.
Es wird davon ausgegangen, dass etwa 20.000 Menschen auf Seiten der Guerilleros und - selbst nach ihrer vermeintlichen Demobilisierung - circa 8.000 bis 9.000 Menschen auf Seiten der Paramilitärs kämpfen. Die Guerillagruppen sind in Kolumbien stark vertreten und kontrollieren Teile des Landes. Nach eigenen Aussagen handelte es sich dabei Anfang des Jahrzehnts um die Hälfte des Territoriums, mittlerweile ist ihre territoriale Kontrolle aber deutlich gesunken. Insbesondere in den Grenzgebieten zu Ecuador, Venezuela und Panama sind die Guerilleros stark vertreten; in diesen Gegenden wird auch besonders viel Koka angebaut. Die kolumbianische Regierung behauptet, dass die Guerilla durch Venezuela und Ecuador geduldet, bzw. unterstützt wird, was die jeweiligen Regierungen jedoch zurückweisen.
Die Paramilitärs werden von Teilen des kolumbianischen Militärs geduldet, wenn nicht sogar unterstützt. Nachgewiesen wurde auch eine direkte Unterstützung durch transnationale Unternehmen, darunter Chiquita.[1] Da die Betroffenen kein Interesse hatten, diese Verbindungen offenzulegen, gibt es hier viele Mutmaßungen. Seit 2002 haben die in der AUC zusammengeschlossenen Gruppierungen ihre Entwaffnung angekündigt. Im Gegenzug können sie mit einem reduzierten Strafmaß rechnen. Auch die Paramilitärs finanzieren sich zum großen Teil aus dem Kokaanbau und dem Handel mit Kokain. Viele Drogenbarone haben sich in die paramilitärischen Strukturen eingekauft beziehungsweise sich zu diesen bekannt, um die den Paramilitärs gewährte Strafminderung genießen zu können und einer Auslieferung an die USA zu entgehen. Obwohl die Demobilisierung im April 2006 offiziell abgeschlossen wurde, gibt es weiterhin paramilitärische Gruppen in Kolumbien.[2] Der UN-Menschenrechtskommissar für Kolumbien geht sogar davon aus, dass die Demobilisierung nicht zu einer verringerten Präsenz der Paramilitärs geführt habe.[3] Der Paramilitarismus hat das Parlament, die Polizei und die Streitkräfte unterwandert.[4] Paramilitärs behaupten, sie hätten 35 % der Parlamentarier gekauft. Neun Parlamentarier müssen sich wegen ihrer Verbindungen zu Paramilitärs vor Gericht verantworten. Die Anschuldigungen lauten auf Konspiration, Erpressung, Entführung in besonders schweren Fällen und Geldwäsche. Weitere 32 Politiker sollen eine Übereinkunft mit Paramilitärs getroffen haben.[5]
Die USA unterstützen die kolumbianische Regierung mit Waffenlieferungen, Hubschraubern, Piloten und Ausbildern. Dies geschieht mit dem offiziellen Ziel, den Drogenanbau und die Drogenkriminalität zu bekämpfen. Insbesondere die Guerillagruppen, die sich selbst als linksgerichtet bezeichnen, werden von den USA als Narcoterroristas („Drogenterroristen“) bezeichnet, um den kriminellen Charakter der Organisationen in den Vordergrund zu stellen. Eine zentrale Rolle im bewaffneten Konflikt in Kolumbien spielt der sog. Plan Colombia der kolumbianischen Regierung aus dem Jahre 1999, der es der Armee ermöglicht, im Inneren in polizeilichen Aufgabenbereichen aktiv zu werden. Die USA unterstützen den Plan Colombia mit mehreren Milliarden Dollar Militärhilfe finanziell, personell und mit Rüstungslieferungen. Ein Teil der personellen Unterstützung wird durch private Sicherheits- und Militärunternehmen geleistet. Bedeutender Bestandteil des Plan Colombia ist die Vernichtung von Drogenanbaufeldern durch Besprühung mit Pflanzenvernichtungsmitteln im Rahmen der Bekämpfung des Drogenhandels.
Massaker
- Ciénaga Massaker: Massaker an Bananenarbeitern von 1928 («Matanza de las Bananeras») am 6. Dezember 1928 in Ciénaga bei Santa Marta. Ausgelöst durch einen Streik der Bananenarbeiter gegen die United Fruit Company ließ General Cortés Vargas nach der Sonntagsmesse auf die streikenden Bananenarbeiter mit Maschinengewehren feuern. Die Opferzahlen sind strittig: 47 bis 2.000 Opfer.
Garcia Marquéz verarbeitete den Stoff literarisch in seinem Werk "Hundert Jahre Einsamkeit". - Urabá Massaker: 1988 wurden bei Streiks 20 Bananenarbeiter von Paramilitärs ermordet.
- Segovia Massaker: 1988 tötete das Bataillon Bomboná der XIV. Brigade in einem Park von Segovia/Antioquia 43 Menschen mit Maschinenpistolen und Handgranaten.
- Trujillo Chainsaw Massaker: In den Jahren 1988-91 wurden 107 bis 300 Personen in Trujillo/Valle del Cauca durch Mitglieder des Cali-Kartells und der AUC getötet und mit Motorsägen verstümmelt.[6]
- Villatina Massaker: 1992 wurden in Medellin aus Rache an mehreren Polizistenmorden durch Jugendgangs 8 Kinder und 1 Erwachsener durch die Polizei hingerichtet.
- Riofrio Massaker: 1993 wurden 13 Menschen durch Heer und Paramilitärs ermordet.
- La Gabarra Massaker: 1996 töteten AUC und FARC 43 Personen.
- El Aro Massaker: 1997 wurden bei Itanguo/Antioquia 15 FARC-Anhänger und ihre Familien von rechtsgerichteten Paramilitärs ermordet.
- Mapiripán Massaker: 1997 infiltrierten die AUC im Departamento Meta in vom Heer eroberte Zonen und töteten die Dorfbewohner von Mapiripán mit Macheten und Motorsägen. Die Opferzahlen sind unbekannt, da die Leichen in einen Fluss geworfen wurden.
- Villanueva Massaker 1998: 11 Tote durch AUC-Säuberungen.
- Santo Domingo Massaker: 1998 tötete das Heer 17 Dorfbewohner.
- Playón de Orozco Massaker: 1999 wurden 27 Menschen ermordet.
- Macayepo Massaker: 2000 kostete eine AUC-Liquidierungswelle 100 Menschen das Leben.
- El Salado Massaker: Im Jahr 2000 wurden 40 Kleinbauern von Paramilitärs ermordet.
- Chengue Massaker: 2001 starben 27 Menschen bei einer Säuberungsaktion.
- Alto Naya Massaker: 2001 wurden 120 Menschen aus der Landbevölkerung bei Alto Naya ermordet.
- Bojayá Massaker: 2002 tötete die AUC in der Provinz Chocó 119 Menschen.
- Bahia Portete Massaker: 2004 ermordete die AUC 12, vielleicht sogar 30 Bauern.
- Villa Lucía/Apartado Massaker: 2002 hielt eine Todesschwadron im Departement Apartado einen Bus von Bananenarbeitern an und massakrierte 22 von ihnen. Ungeklärt ist, ob das Massaker von Chiquita Brands in Auftrag gegeben wurde.
- Tibú Massaker: 2004 massakrierten die FARC bei Catatumbo in Guajira Wayuu-Indios in verschiedenen Dörfern.
- Candelaria Massaker: 2004 wurden bei Candelaria im Valle del Cauca 11 Personen im Drogenkrieg von Paramilitärs ermordet.
- Putumayo Massaker: 2004 starben viele Menschen in einer Reihe von Massakern in der stark umkämpften Putumayo Region.
- San José de Apartadó Massaker 2005: Im Februar 2005 wurden 8 Menschen, darunter der Leiter der Friedensgemeinde San José de Apartadó, sowie 5 Kinder brutal ermordet und zerstückelt. Im November 2007 wurde ein ranghoher Offizier dafür verurteilt.
Opfer
Im kolumbianischen Konflikt sind seit 1964 etwa 200.000 Menschen umgekommen. Außerdem werden insbesondere zur Finanzierung des Konfliktes, aber teilweise auch zur Destabilisierung des politischen Systems bis zu 3.000 Personen jährlich von den bewaffneten illegalen Gruppierungen entführt und teilweise auch getötet.
Bekannte Geiseln sind unter anderem Íngrid Betancourt und Pablo Moncayo. Moncayos Vater, Gustavo Moncayo, machte 2007 auf sich und das Schicksal seines entführten Sohnes aufmerksam, indem er in 46 Tagen von seinem Heimatdorf Sandoná in das über 1000 Kilometer entfernte Bogotá wanderte, um für die Freilassung der FARC-Geiseln zu demonstrieren.[7] Íngrid Betancourt wurde am 2. Juli 2008 nach sechs Jahren Geiselhaft zusammen mit drei US-Amerikanern und elf kolumbianischen Militärangehörigen von den kolumbianischen Streitkräften in einer Kommando-Aktion befreit.[8]
Regionalisierung des Konflikts
Der durch den Plan Colombia erhöhte militärische Druck zwang die Guerilla zunehmend, sich auf ecuadorianisches und venezolanisches Territorium zurückzuziehen; auch die Paramilitärs und Regierungskräfte Kolumbiens respektieren oftmals nicht die Landesgrenzen zu den Nachbarländern.
Bereits 1998 war es zu einer Verletzung des brasilianischen Hoheitsgebietes gekommen, als kolumbianische Kampfflugzeuge von Brasilien aus die Rückeroberung der Grenzstadt Mitú unterstützten, welche von der FARC tagelang besetzt gehalten worden war.
In der Grenzregion von Kolumbien und Panama kam es wiederholt zu Übergriffen der Paramilitärs gegen die Zivilbevölkerung auch auf panamesischem Territorium und zu Kämpfen zwischen Guerilla und paramilitärischen Verbänden.[9] Die kolumbianischen Paramilitärs der AUC raubten in Panama mehrere Hubschrauber.[10]
Die Präsenz kolumbianischer Paramilitärs in Venezuela wurde erstmals im Dezember 1997 offiziell bestätigt, nachdem sieben Paramilitärs in Apure unter dem Verdacht einer Entführung festgenommen worden waren. Der damalige Chef und Gründer der kolumbianischen AUC-Paramilitärs Carlos Castaño erklärte 1997, sich mit 140 Unternehmern, Viehzüchtern und Großgrundbesitzern in Barinas, Táchira und Zulia getroffen zu haben, um paramilitärische Strukturen in diesen Bundesstaaten aufzubauen.[11] Im Jahr 2000 entführten die AUC den venezolanischen Industriellen Richard Boulton.[12] 2002 bestätigte Castaño, eine venezolanische Partnerorganisation namens AUV auszubilden. Deren Kommandant „Antonio“ erklärte im Dezember 2003, seine Gruppe könne auf 2500 Bewaffnete zählen. Ihr Ziel sei, Hugo Chávez und seinen Vizepräsidenten José Vicente Rangel zu erschießen und bald in den Städten zu agieren. Ein hochrangiger Funktionär der kolumbianischen DAS-Polizei erklärte, seine Behörde, rechte Todesschwadronen, die Uribe-Regierung und venezolanische Oppositionelle hätten gemeinsam auf einen gewaltsamen Sturz von Chávez hingearbeitet. Es habe sich dabei um eine „von ganz oben“ abgesegnete Politik gehandelt. 2004 wurden in Caracas mehr als 100 kolumbianische Paramilitärs in venezolanischen Armeeuniformen verhaftet, als sie einen bewaffneten Aufstand vorbereiteten.[13][14] Die Mehrzahl der etwa 200 politischen Morde in den vergangenen Jahren in Venezuela geht auf das Konto - von häufig kolumbianischen - Todesschwadronen.[15][16] Kolumbianische Paramilitärs sind in Venezuela fast im gesamten Land anwesend, besonders im Grenzgebiet. Sie verdrängen die einheimische Kriminalität aus Aktivitäten wie Wucher, Drogen- und Menschenhandel sowie Glücksspiel. Weitere Betätigungsfelder sind das Kassieren von Schutzgeldern, Schmuggel von Benzin und Nahrungsmitteln nach Kolumbien, Entführungen, Geldwäsche und Erpressung. In einigen Fällen kollaborieren sie mit Soldaten der venezolanischen Armee und der Guardia Nacional. Sie werden von venezolanischen Viehzüchtern unterstützt und arbeiten mit Einschüchterungs- und Abschreckungsmaßnahmen sowie selektiven Morden an Bauern und revolutionären Kadern.[11]
Zwischen Kolumbien und Ecuador waren wiederholt Spannungen aufgetreten, weil kolumbianische Truppen und Kampfflugzeuge die Grenze bei Gefechten mit der Guerilla überschritten hatten. Zur Vergiftung des Verhältnisses zwischen beiden Ländern trug auch das Besprühen von Kokapflanzungen aus Flugzeugen mit dem Pflanzengift Glyphosat in der Grenzregion bei, was zu schweren Schäden in der Landwirtschaft und zu anhaltenden gesundheitlichen Problemen der Anwohner der betroffenen Grenzregion führte. Vor den Kämpfen in Kolumbien und der Vergiftung durch Glifosat sind zehntausende Kolumbianer nach Ecuador geflüchtet.[17]
Am 1. März 2008 verübte das kolumbianische Militär ohne Wissen der ecuadorianischen Behörden einen nächtlichen Luftangriff auf ein Lager von FARC-Rebellen auf ecuadorianischem Hoheitsgebiet mit anschließender Offensive von Bodentruppen. Dabei wurden der Sprecher des Oberkommandos der FARC, Raúl Reyes, der mit internationalen Akteuren in Verhandlungen über die Freilassung von Entführten stand, sowie 23 weitere Menschen getötet, darunter FARC-Rebellen und Zivilisten, unter anderen ein ecuadorianischer Staatsbürger namens Franklin Aisalla, der nach kolumbianischen Angaben ein langjähriges FARC-Mitglied gewesen sei. Zwei der Getöteten, Raúl Reyes und Franklin Aisalla, wurden vom kolumbianischen Militär nach Kolumbien gebracht, die anderen am Tatort zurückgelassen. Drei Frauen überlebten den Angriff, der die Guerilleros im Schlaf überraschte. Eine der drei überlebenden Frauen berichtete, dass Überlebende von kolumbianischen Soldaten hingerichtet worden seien.[18][19][20][21][22]
Im offiziellen Untersuchungsbericht der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wurde diese Anschuldigung nicht aufgegriffen, sondern lediglich berichtet, dass die Zeugin sich zur Zeit der Befragung noch im Schockzustand befand und keine klare Aussage machen konnte.[23] Nicaragua gewährte den drei Frauen, eine Studentin der Universidad Nacional Autónoma de México und zwei Kolumbianerinnen, die nach eigenen Angaben für häusliche Arbeiten im Camp zuständig waren, Asyl.[24]
Laut Veröffentlichung eines vorläufigen Ergebnisses forensischer Untersuchungen, die von ecuadorianischen Behörden unter Beteiligung zweier französischer Gerichtsmediziner durchgeführt wurden, seien mehrere der vom kolumbianischen Militär zurückgelassenen Toten in verwundetem Zustand von hinten erschossen worden. Die Untersuchungen an dem ecuadorianischen Staatsbürger hätten ergeben, dass ihm wohl in kniender Position der Schädel mit einem viereckigen Gegenstand eingeschlagen wurde, nachdem er schon eine Schussverletzung im Rücken hatte, die aber nicht tödlich war.[25] Die kolumbianische Regierung wies diese Anschuldigungen zurück. Es existierten Videoaufnahmen der Operation, die auch zeigten, wie mit den Verwundeten umgegangen wurde. Man äußerte die Verwunderung darüber, dass Ecuador das Obduktionsergebnis erst zwei Monate nach der Operation veröffentlichte und betonte, dass die eigenen Obduktionen an den Körpern von Franklin Aisalla und Raúl Reyes streng nach dem Minnesota-Protokoll durchgeführt worden seien.[26][27] Die forensischen Untersuchungen der ecuadorianischen Behörden am Leichnam von Franklin Aisalla waren möglich geworden, nachdem die Eltern des Getöteten ihn auf einem Zeitungsfoto als ihren Sohn erkannt hatten und klar geworden war, dass es sich um einen ecuadorianischen Staatsbürger handelte und er daraufhin den ecuadorianischen Behörden übergeben worden war. Der Leichnam des kolumbianischen Staatsbürgers Raúl Reyes wurde von den kolumbianischen Behörden an einem unbekannten Ort bestattet.[28]
Kolumbianische Radiostationen meldeten, dass der Luftangriff auf US-amerikanischen Geheimdienstinformationen basierte: US-Geheimdiensten sei es gelungen, Raúl Reyes über dessen Satellitentelefon zu orten und „ausländische Spionageflugzeuge“ hätten Luftaufnahmen von seinem Aufenthaltsort geliefert. Laut dem Bericht einer vom ecuadorianischen Präsidenten eingesetzten Untersuchungskommission über die Infiltrierung der ecuadorianischen Streitkräfte durch US-Geheimagenten war die CIA über alles vollständig informiert und hat den Angriff unterstützt.[29]Nach ecuadorianischen Angaben hatten die USA für den Angriff „intelligente“ Bomben zur Verfügung gestellt, die nach Erkenntnissen der ecuadorianischen Streitkräfte nicht von kolumbianischen Flugzeugen aus abgeworfen worden sein konnten.[30]
Bei dem Einsatz wurden durch die kolumbianischen Behörden auch Computer und Datenträger erbeutet, die Interpol zur Untersuchung übergeben wurden; laut den kolumbianischen Behörden enthielten diese kompromittierende Informationen über die Verstrickungen der FARC in den Drogenhandel und über die Finanzierung der FARC durch den venezolanischen Staat,[31] was von venezolanischer Seite entschieden dementiert wird. Auch 25 US-Wissenschaftler erklärten im Vorfeld der Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes durch Interpol in einem offenen Brief, dass die kolumbianische Regierung deren Inhalt wesentlich übertrieben habe und dass viele der kolumbianischen Anschuldigungen sich bereits in weiten Teilen als unglaubwürdig erwiesen hätten. Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza erklärte am 10. April 2008, dass es keine Beweise dafür gebe, dass Venezuela die FARC unterstützt hätte und dass bislang kein Mitgliedsstaat der OAS – auch nicht die USA – entsprechende Beweise vorgelegt habe.[32][33] Später veröffentlichte Untersuchungen durch Interpol ergaben, dass in der Zeit zwischen Beschlagnahme der Computer und Übergabe derselben an die kolumbianische Polizei 1479 Systemdateien neu geschrieben, auf 1703 System- oder Benutzerdateien zugegriffen, 5240 Systemdateien verändert und 103 Dateien gelöscht wurden. Die Richtigkeit des Inhalts der Daten sowie deren Herkunft waren nicht Gegenstand der Untersuchung. Der Generalsekretär von Interpol, Ronald K. Noble, erklärte dazu, dass es keine Hinweise auf Manipulation von Benutzerdaten durch die kolumbianischen Behörden gebe,[34][35] weshalb ihn Hugo Chávez als „Vagabunden“ bezeichnete[36] und Ecuador seine Absetzung verlangte, da die von Noble verbreiteten Schlüsse aus den Untersuchungen voreingenommen und eigennützig seien und im Widerspruch zum Untersuchungsbericht seiner Organisation stehen.[37] Ein Sachverständigengutachten der ecuadorianischen Staatsanwaltschaft zeigt an, dass der Rechner von Raúl Reyes durch die kolumbianischen Streitkräfte manipuliert worden war, bevor Ecuador und Interpol die darauf befindlichen Daten untersuchen konnten. Bei allen Dateien seien Erstellungsdatum, Datum der letzten Änderung und Datum des letzten Zugriffs gleich, was gemäß Gutachten unwahrscheinlich ist, da mit jedem Zugriff auf die Datei sich das Datum des letzten Zugriffs ändert. Aus diesem Grund sei auch die Erklärung der kolumbianischen Autoritäten, wonach in der Zeit zwischen dem ersten und dritten März lediglich auf die Computer zugegriffen wurde, um Daten zu kopieren, unmöglich.[38] Etliche Medien berichteten, die Analyse des auf dem Computer gespeicherten E-Mail Verkehrs belege Verbindungen der venezolanischen Regierung zu den FARC, ohne dabei auf die Problematik der Echtheit der Daten hinzuweisen. Einige der E-Mails seien direkt vom FARC-Kommandanten Manuel Marulanda an Hugo Chávez gerichtet gewesen. Laut Washington Post und Economist dokumentierten die Dateien Verbindungen zwischen hochrangigen ecuadorianischen Regierungsmitgliedern und den FARC, auch wenn der Economist hervorhebt, dass Reyes Computer keine Mails von venezolanischen Amtspersonen enthielt, da dieser nur über Mittelspersonen kommunizierte.[39][40] Auf Wunsch Ecuadors kündigte die OAS inzwischen an, ihrerseits auch den Inhalt der Computer-Dateien untersuchen zu wollen, um die erhobenen Vorwürfe zu untersuchen.[41]
Der ecuadorianische Präsident, Rafael Correa, beschuldigte Kolumbien der Verletzung der Hoheit seines Landes und zog seinen Botschafter aus Kolumbien ab. Der Präsident Venezuelas, Hugo Chávez, ordnete die Schließung der Botschaft seines Landes in Kolumbien und eine verstärkte Militärpräsenz an der kolumbianischen Grenze an. Auch Nicaragua brach die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien ab.[42] [43]
Am 5. März 2008 formulierte die OAS in einer Krisensitzung eine Resolution, in der der kolumbianische Militärschlag gegen die FARC-Rebellen im ecuadorianischen Nachbarland als Verletzung der Souveränität Ecuadors kritisiert wird, ohne darin eine direkte Verurteilung Kolumbiens auszusprechen.[44] Zwei Tage später kam es am Rande eines Gipfeltreffens der Rio-Gruppe mit der Entschuldigung und dem Versprechen Uribes, nie wieder militärische Operationen außerhalb der Grenzen Kolumbiens zu unternehmen, zu einer vorläufigen Beruhigung des Konflikts.[45]
Ende März 2008 reichte Ecuador Klage gegen Kolumbien beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen der Besprühungen mit Glyphosat ein.[46] Außerdem warnte Ecuadors Präsident Correa die FARC, dass Ecuador in Zukunft Militärcamps und -patrouillen der Guerillaarmee auf ecuadorianischem Hoheitsgebiet als Kriegshandlung gegen sein Land betrachten werde. Man werde weder reguläre noch irreguläre ausländische militärische Truppen auf ecuadorianischem Boden dulden.[47]
Am 11. März nahm Venezuela wieder diplomatische Beziehungen mit Kolumbien auf; Ecuador knüpft die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen an die Zustimmung Kolumbiens zu einer völligen Aufklärung des Militärschlags gegen die FARC, was von kolumbianischer Seite verweigert wird.[48][49]
Auch nach dem Angriff vom 1. März 2008 kam es wiederholt zu Übergriffen kolumbianischen Militärs und Paramilitärs auf ecuadorianisches Territorium.[50][51][52]
Dokumentarfilm
- La Sierra ist ein 2005 hergestellter US-amerikanisch-kolumbianischer Dokumentarfilm, der vom Leben dreier jugendlicher Bandenmitglieder des „Bloque Metro“ im Viertel Sierra in der Millionenstadt Medellín erzählt. Die Dokumentation wurde bei mehreren internationalen Filmfestspielen ausgezeichnet.
Literatur
- Dario Azzellini und Boris Kanzleiter (2003): Das Unternehmen Krieg, Assoziation A, ISBN 3-935-936-17-6 (Online [5])
- Raul Zelik (2009): Die Informalisierung des Ausnahmezustandes. In: jour fixe initiative berlin (Hg.): Krieg. Münster, 2009. ISBN 978-3-89771-490-8
Quellen
- ↑ Zu umfassenden Informationen über Verbindungen der Paramilitärs mit Armee, Drogenhandel und Transnationalen Unternehmen siehe Dario Azzellini: Kolumbien Versuchslabor für privatisierte Kriegführung. In: Dario Azzellini und Boris Kanzleiter (2003): Das Unternehmen Krieg, Assoziation A, ISBN 3-935-936-17-6. Kostenloser download: http://www.azzellini.net/pdf/Unternehmen_Krieg.pdf
- ↑ Vgl. Raul Zelik: Die Informalisierung des Ausnahmezustandes. In: jour fixe initiative berlin (Hg.): Krieg. Münster, 2009. Seite 115-130
- ↑ Informe de la Alta Comisionada de las Naciones Unidas para los Derechos Humanos sobre la situación de los derechos humanos en Colombia, 20.1.2006
- ↑ Vgl. Raul Zelik: Die Informalisierung des Ausnahmezustandes. In: jour fixe initiative berlin (Hg.): Krieg. Münster, 2009. Seite 115-130
- ↑ Peter B. Schumann: Paramilitärs und Parlamentarier auf der Anklagebank, Deutschlandfunk, 12.03.2007
- ↑ Colombia Support Network: On the Trujillo Massacre
- ↑ Der Standard: Kopf des Tages: Gustavo Moncayo marschiert für Frieden und für seinen Sohn, 07. August 2007
- ↑ Spiegel-Online: Guerilla-Geisel Betancourt nach sechs Jahren frei vom 2. Juli 2008
- ↑ Bruno Rütsche: Auswirkungen des Plan Colombia auf die Nachbarländer. In: Kolumbien-Monatsbericht. ask, Januar / Februar 2001. Abgerufen am 7. November 2008.
- ↑ Eric Jackson: Government plays down gruesome find in Jaque. In: volume 8, number 23. The Panama News, Dezember 2002.: „Police have repeatedly seized of arms bound for the AUC, and have foiled some but not all of several paramilitary attempts to steal aircraft here. In one thwarted helicopter theft, a Colombian consular employee was implicated.“. Abgerufen am 7. November 2008. (englisch)
- ↑ a b Dario Azzellini: Tod aus Kolumbien. In: Junge Welt. 22./24. November 2008. Abgerufen am 4. Dezember 2008.
- ↑ Colombian rebels free captured tycoon. In: BBC. 15. Juli 2002. Abgerufen am 7. November 2008.
- ↑ Raul Zelik: By any means necessary. Konkret, April 2008. Abgerufen am 6. November 2008.
- ↑ Raul Zelik: Krimi in Caracas. Lateinamerika Nachrichten, Juni 2004. Abgerufen am 6. November 2008.
- ↑ Raul Zelik: Provokateure, Paramilitärs, Putschisten. In: Der Freitag. 07. März 2008. Abgerufen am 6. November 2008.
- ↑ Dario Azzellini: Venezuela am militärischen Kreuzweg. Interview mit Dario Azzellini von Marcelo Colussi. In: Argenpress. Februar 2008. Abgerufen am 10. November 2008.
- ↑ Lateinamerika Nachrichten: Vergiftete Beziehungen, Ausgabe: Nummer 392 - Februar 2007
- ↑ Telesur: Ejército ecuatoriano rescata dos guerrilleras heridas en bombardeo que mató a Raúl Reyes, 2. März 2008
- ↑ Portal ALBA: Sobrevivente Mexicana asegura que militares remataron a Guerrilleros heridos, 14. März 2008
- ↑ elpais.com: Bogotá afirma que en el ataque a las FARC falleció un ecuatoriano vom 24.3.2008
- ↑ TeleSUR: Canciller ecuatoriana reiterará condena a Colombia ante la OEA, 13. März 2008
- ↑ Michael Fox: Hypocrisies of a US-backed Venezuela-Colombia Crisis, venezuelanalysis.com, 12. März 2008
- ↑ Untersuchungsbericht der OAS vom 17. März 2008 [1] (spanisch)
- ↑ IPS: NICARAGUA: Asylum for Survivors of Attack on FARC Camp vom 14. Mai 2008
- ↑ teleSUR: Primeras autopsias revelan que Franklin Aisalla murió por golpes en el cráneo, 6. Mai 2008
- ↑ El País de Cali.: Gobierno rechazó versión ecuatoriana sobre ataque a campamento vom 7. Mai 2008
- ↑ El Tiempo.com Colombia rechaza versión de ejecución extrajudicial de ecuatoriano en ataque a 'Raúl Reyes' vom 7. Mai 2008
- ↑ teleSUR: Sepultan a Raúl Reyes en fosa sin nombre aun cuando fue reclamado por su ex esposa 18. März 2008
- ↑ CIA soll Sicherheitskräfte von Ecuador infiltriert haben. In: NZZ Online. 31. Oktober 2008. Abgerufen am 31. Oktober 2008.
- ↑ Junge Welt: Wüstensturm im Urwald, 25. März 2008
- ↑ Die Welt vom 7. März 2008 [2]
- ↑ amerika21: Hat Uribe gelogen?, 28. April 2008
- ↑ teleSUR: Intelectuales de EEUU piden a medios cobertura imparcial sobre computadoras de FARC
- ↑ Pressemitteilung von Interpol vom 15. Mai 2008. [3]
- ↑ Venezuela aktuell: USA bestätigen Verletzung des Luftraums - Regierung in Caracas unzufrieden, 21. Mai 2008
- ↑ teleSUR: Chávez: Estamos obligados a colocar relaciones con Colombia en profunda revisión, 15. Mai 2008
- ↑ teleSUR: Ecuador confirma que pedirá destitución del secretario general de la Interpol
- ↑ Cadena SER: El ordenador del comandante de las FARC, Raúl Reyes, fue manipulado por el ejército colombiano, 2. Oktober 2008
- ↑ Washington Post: FARC Computer Files Are Authentic, Interpol Probe Finds, 16. Mai 2008
- ↑ Artikel im The Economist [4], 22. Mai 2008
- ↑ Reuters: OAS says to probe Colombian rebel computer files vom 2. Juni 2008
- ↑ Telesur: Chávez ordenó reforzamiento militar de la frontera colombo-venezolana, 2. März 2008
- ↑ Tagesschau Auch Nicaragua bricht Beziehungen zu Kolumbien ab vom 7. März 2008.
- ↑ Süddeutsche Zeitung 05. März 2008
- ↑ Die Presse: Ecuador-Kolumbien: Die Krise ist vorbei vom 7. März 2008.
- ↑ elpais.com: Ecuador demanda a Colombia en La Haya por las fumigaciones en la frontera vom 31. März 2008
- ↑ El País: El presidente de Ecuador lanza una advertencia a las FARC vom 17. April 2008
- ↑ el pais: Ecuador pospone indefinidamente la reanudación de relaciones con Colombia vom 25. Juni 2008
- ↑ Junge Welt: Ecuador bricht Beziehungen ab vom 27. Juni 2008
- ↑ teleSUR: Ecuador denuncia nuevas incursiones ilegales de Colombia, 20. Mai 2008
- ↑ teleSUR: Ecuador confirma que paramilitares colombianos violaron su soberanía, 29. Mai 2008
- ↑ púlsar-poonal: Erneut Militäraktion Kolumbiens in Ecuador, 24. Oktober 2008
Weblinks
- Kolumbiens vergessener Krieg Artikel von Freia Peters in der Welt am Sonntag, Ausgabe Nr. 34 (2005)
- Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien Umfangreiche schweizer Site über Bürgerkrieg und Menschenrechte in Kolumbien
- Kolumbien - Bürgerkrieg oder Drogenkrieg? AG Friedensforschung an der Uni Kassel
- kolko e. V. Umfangreiche deutsche Site über Bürgerkrieg und Menschenrechte in Kolumbien
- Medios Para la Paz (englisch)
- Colombia Support Network
- Der Kolumbienkonflikt im regionalen Kontext Dossier: Analyse des Konflikts, sowie Reaktionen / Sichtweisen der Beteilligten
Akteure
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