Konstantin Hierl

Konstantin Hierl
Konstantin Hierl
Hierl beim Abschreiten einer Front des Reichsarbeitsdienstes auf dem Tempelhofer Feld am 1. Mai 1934, Aufnahme aus dem Bundesarchiv
Hierl neben Hans Frank am 8. Februar 1939 (am Tisch sitzend)

Konstantin Hierl (* 24. Februar 1875 in Parsberg; † 23. September 1955 in Heidelberg) war ein nationalsozialistischer Politiker und Funktionär. Er war ein Cousin des Johann Baptist Hierl, Weihbischof von Regensburg (1911-1936).[1]

Inhaltsverzeichnis

Militärische Karriere

Konstantin Hierl trat nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums in Burghausen und Regensburg 1893 als Fahnenjunker in die bayerische Armee ein. 1895 erfolgte die Beförderung zum Leutnant. Zwischen 1899 und 1902 besuchte er die Kriegsakademie und diente anschließend in verschiedenen Verwendungen. 1908 wurde er Hauptmann im Generalstab und 1909 bis 1911 Kompaniechef im 17. bayerischen Infanterie-Regiment „Orff“. 1911 bis 1914 lehrte er an der Kriegsakademie.

Im Ersten Weltkrieg stieg er als Generalstabsoffizier bei der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht bis zum Rang eines Oberstleutnant auf. Unter anderem war er Generalstabschef des I. bayerischen Reserve-Korps und Bataillonskommandeur im 23. bayerischen Infanterie-Regiment „König Ferdinand der Bulgaren“.

Nach der deutschen Niederlage und der Novemberrevolution 1918 organisierte er ein Freikorps unter seinem Namen, das den Spartakusaufstand in Augsburg und Umgebung niederschlug und die Kontrolle der sozialdemokratischen Regierung Ebert wiederherstellte. Zeitweilig war er Stadtkommandant von München, wo er 1919/20 Adolf Hitler kennenlernte.

Hierl setzte seine militärische Karriere zunächst im Generalstab der Reichswehr und bei der Organisation der „Schwarzen Reichswehr“ fort, schied am 30. November 1923 allerdings aus dem Dienst aus, da er während des Hitler-Ludendorff-Putsches vom 9. November Erich Ludendorff unterstützt hatte. Bis heute ist unklar, ob er am Putsch direkt beteiligt war. Zudem bestanden zwischen ihm und General Hans von Seeckt persönliche und fachliche, wie politische Differenzen, die eine weitere Zusammenarbeit unmöglich machten. So forderte er eine deutliche Einmischung der Reichswehr in das politische Geschehen der Weimarer Republik, eine stärkere Unterstützung paramilitärischer Verbände und Vereine und eine aggressivere Haltung gegenüber den Siegermächten von Versailles.

Tannenbergbund

Bis Herbst 1927 leitete er als bayerischer Landesvorsitzender und reichsweiter Cheforganisator den Tannenbergbund von Erich Ludendorff, bis der sich unter dem Einfluss von Ludendorffs Frau zu einer esoterischen Sekte entwickelte. Er war gleichzeitig Vorsitzender des „Deutschvölkischen Offiziersbundes“ (DVÖ).

NSDAP und NS-Staat

Im Jahre 1929 trat Hierl in die NSDAP (Mitgliedsnummer 126752) ein, zwischen September 1930 und Kriegsende gehörte er dem Reichstag an. Hierl war von 1929 bis 1932 Reichsorganisationsleiter II der NSDAP. 1931–1935 war er Leiter des Freiwilligen Arbeitsdienstes der NSDAP. Nach der "Machtergreifung" wurde er im März 1933 zum Staatssekretär im Reichsarbeitsministerium ernannt und, ein Jahr später, zum Reichskommissar für den Freiwilligen Arbeitsdienst. Als am 26. Juni 1935 die Arbeitsdienstpflicht eingeführt wurde, übernahm Hierl als „Reichsarbeitsführer“ die Leitung des Reichsarbeitsdienstes (RAD), die bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in seiner Hand lag.

Über die politischen Ziele des RAD erklärtete Hierl 1933: "Es gibt kein besseres Mittel, die soziale Zerklüftung, den Klassenhaß und den Klassenhochmut zu überwinden, als wenn der Sohn des Fabrikdirektors und der junge Fabrikarbeiter, der junge Akademiker und der Bauernknecht im gleichen Rock bei gleicher Kost den gleichen Dienst tun als Ehrendienst für das ihnen allen gemeinsame Volk und Vaterland."[2].

1936 wurde Hierl zum Reichsleiter der NSDAP ernannt und erhielt das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP.[3] Von 1943 bis 1945 war er Reichsminister ohne Geschäftsbereich.

Verurteilung und Nachkriegszeit

Im Jahre 1948 wurde Hierl im Entnazifizierungsverfahren als „Hauptschuldiger“ zu fünf Jahren Arbeitslager verurteilt; sein Vermögen wurde eingezogen. Ohne dass dem RAD direkte Kriegsverbrechen nachgewiesen werden konnten, zählten sein Engagement im Tannenbergbund und das Erziehungssystem des RAD als erschwerende Gründe. Nach seiner Entlassung aus verschiedenen Internierungslagern und mehrjährigem Schreibverbot betätigte er sich als Publizist. Die 1955 herausgegebenen Memoiren mit dem Titel „Im Dienst für Deutschland 1918–1945“ trafen wegen ihrer völkischen Tendenzen auf Kritik, zur Erforschung der Geschichte des Reichsarbeitsdienstes trugen sie wenig bei.

Hierl war in erster Ehe mit Euphrosine Gloß, in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Vera Hartegg verheiratet und hatte keine Kinder.

Sonstiges

Die Gemeinde Hierlshagen entstand am 3. Januar 1936 im Sprottebruch bei Primkenau im Landkreis Sprottau, Niederschlesien. Sie heißt heute Ostaszów. Hierlshagen wurde durch den Reichsarbeitsdienst errichtet und nach Konstantin Hierl benannt.

Schriften

  • Geleitwort. In: Singend wollen wir marschieren … Liederbuch des Reichsarbeitsdienstes. Im Auftrage des Reichsarbeitsführers herausgegeben von Thilo Scheller[,] Oberstfeldmeister in der Reichsleitung des Reichsarbeitsdienstes. Zweite, veränderte Auflage. „Der nationale Aufbau“ Verlag. Leipzig [1937], S. 3; auf S. 6 eine Titelliste der 10 von Hierl bestimmten "Pflichtlieder im Reichsarbeitsdienst".
  • Ausgewählte Schriften und Reden. hrsg. v. Herbert von Stetten-Erb, 2 Bände, Eher, München 1941 (2. Aufl. 1942/43).
  • Schuld oder Schicksal? Studie über Entstehung und Ausgang des 2. Weltkrieges. Vowinckel-Verlag, Heidelberg 1954.
  • Gedanken hinter Stacheldraht. Eine Lebensschau. Vowinckel-Verlag, Heidelberg 1953.
  • Im Dienst für Deutschland (1918-1945). Vowinckel-Verlag, Heidelberg 1954.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Lehner, J. B.: Excellenz Weihbischof J. B. Hierl 80 Jahre alt, in: Die Oberpfalz, Jg. 30 (1936), S. 14-15;
  2. K. Hierl, Der Arbeitsdienst, die Erziehungsschule zum deutschen Sozialismus, in: ders., Ausgewählte Schriften und Reden, Bd.2, München 1943, S.96.
  3. Klaus D. Patzwall: Das Goldene Parteiabzeichen und seine Verleihungen ehrenhalber 1934-1944, Studien der Geschichte der Auszeichnungen Band 4, Verlag Klaus D. Patzwall, Norderstedt 2004, ISBN 3-931533-50-6, S.71

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