Annie Besant

Annie Besant
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Annie Besant
Annie Besant im Ornat des 33° des schottischen Freimaurerorden „Le Droit Humain“ .

Annie Besant (gebürtig Annie Wood; * 1. Oktober 1847 in Clapham, London; † 20. September 1933 in Adyar, Madras/heute Tamil Nadu, Indien) war eine britische Theosophin [1], Freidenkerin, Freimaurerin, Frauenrechtlerin, Journalistin, Schriftstellerin und Politikerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend und erste Jahre

Annie Besant wurde als Tochter verarmter Eltern geboren; ihr Vater starb, als sie fünf Jahre alt war. Sie wurde von Ellen Marryat, einer Calvinistin, adoptiert und erzogen. Im Alter von 20 Jahren heiratete sie den anglikanischen Geistlichen Frank Besant, Bruder des bekannten sozialkritischen Schriftstellers Walter Besant, und wurde bald Mutter zweier Kinder, Arthur Digby Besant und Mabel Besant-Scott. 1873 kam es aus religiösen Gründen - sie hatte Kontakt zu atheistischen Kreisen aufgenommen - zur Trennung.

Im folgenden Jahr lernte sie den radikalen Freidenker und Journalisten Charles Bradlaugh kennen, wurde Mitglied der Secular Society und übernahm die Leitung der Wochenschrift National Reformer sowie verschiedener linker Presseerzeugnisse. Sie war auch die erste Studentin an der University of London, die einen Bachelor of Science (in Biologie) erwarb.

Als linke Aktivistin in London und George Bernard Shaw

In den 1870er- und 1880er-Jahren gehörte Annie Besant verschiedenen Debattierklubs an, wie sie in dieser Zeit in London Mode waren, u.a. The Zetetical und The Dialectical Society. Sie galt als brillante Rednerin, womit sie auch Geld verdiente und erwarb sich in atheistischen Intellektuellenzirkeln einen gewissen Ruf. Auf einer dieser Veranstaltungen lernte sie 1875 den angehenden Literaten George Bernard Shaw kennen, mit dem sie eine zweijährige Beziehung verband.

Besant förderte den noch mittellosen Schriftsteller, veröffentlichte seine Romane Die törichte Heirat und Künstlerliebe in ihrer Zeitschrift Our Corner und beschäftigte den Freund auch als Rezensenten für die Kunstecke dieses Journals. Beeinflusst von Shaw, wurde sie Mitglied der Fabianer, wo sie ebenfalls alsbald zu den führenden Köpfen gehörte.

Shaw schilderte sie in seinen Tagebuchaufzeichnungen und Briefen als tatkräftige Frau „der raschen Entscheidungen“, aber auch als „vollkommen humorlos“ und „absolut ohne Sexappeal“. Ihre nicht immer spannungsfreien Beziehungen zu Männern nach ihrer glücklosen Ehe sollen ausnahmslos platonisch gewesen sein. Mit Shaw wollte sie sogar eine eheähnliche Gemeinschaft führen und präsentierte ihm einen Punkt für Punkt ausgeklügelten Vertragsentwurf, in der das – ausdrücklich sexfreie – Zusammenleben minutiös geregelt werden sollte. Shaw, der als Lebemann galt und zu jener Zeit noch zu zwei weiteren Frauen Beziehungen unterhielt, lehnte ab und trennte sich von Besant.

Politisch arbeiteten sie zunächst weiter zusammen. Besant, die bei den Fabianern zu jenen Kräften gehörte, die den anarchistischen und den kollektivistischen Flügel zu einem linken Block zusammenschweißen wollten, arrangierte im Dezember 1886 eine Gesamtkonferenz aller sozialistischen Vereinigungen, auf der sich die Marxisten durchsetzen.

Am 13. November 1887 waren Besant und Shaw Hauptakteure des so genannten Blutigen Sonntags von London: Sämtliche linken Gruppierungen waren auf dem Trafalgar Square aufmarschiert, um für Redefreiheit und gegen die restriktive Politik der Tories unter Lord Salisbury, der den liberalen Gladstone als Premierminister abgelöst hatte, zu protestieren. 1.500 Polizisten, 200 berittene Leibgardisten und eine Grenadiergardeabteilung waren gegen die Demonstranten aufgeboten worden. Protestierende ließen sich an die Gitterstäbe eines Hotels ketten, andere wurden brutal zusammengeknüppelt; Besant baute aus Karren und Wagen Barrikaden. Die Demonstration löste sich jedoch im Laufe des Tages auf.

In der Folgezeit forcierte Besant ihre politische Tätigkeit und wurde in der Gewerkschaftsbewegung aktiv. 1888 leitete sie erfolgreich den Match Girl's Strike (Match Workers' Strike) im Kampf gegen Hungerlöhne und menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse in den britischen Zündholzfabriken. Kurz darauf wurde sie in die Londoner Schulbehörde gewählt, wo sie sich für Bildungsreformen einsetzte.

Shaw hatte die streitbare Annie auch nach ihrem Abgang bei den Fabianern nicht vergessen: 1898 gestaltete er die Rolle der Raina Petkoff in seinem Theaterstück Helden nach ihrem Vorbild. Ganz ernst hatte er ihre politische Aktivitäten allerdings nie genommen: „Wie alle großen Volksredner war sie die geborene Schauspielerin“, schrieb er 1947 aus Anlass ihres einhundertsten Geburtstags.

Während ihrer aktiven Zeit in London war Besant auch als Buchautorin tätig gewesen: In The Laws of Population (1877) trat sie für Geburtenkontrolle ein. 1887 schrieb sie gemeinsam mit Charles Bradlaugh das atheistische Pamphlet Why I Do Not Believe in God.

Die Theosophische Gesellschaft und das Wirken in Indien bis zum Tod

1889 verabschiedete sich Besant vollständig und dauerhauft von ihrer bisherigen politischen Arbeit: Nachdem sie das Werk von Helena Blavatsky kennengelernt und eine Rezension über deren Geheimlehre geschrieben hatte, suchte und fand sie den Kontakt zur Autorin. Kurz darauf trat sie bei den Fabianern aus und der Theosophischen Gesellschaft (TG) bei. In der Folgezeit übernahm sie die Herausgabe theosophischer Zeitschriften und erarbeitete sich eine gewisse Stellung innerhalb der theosophischen Bewegung. 1893 vertrat sie diese im Weltparlament der Religionen in Chicago. (Siehe auch: Vivekananda, Anagarika Dharmapala)

Sie reiste zunächst in die USA, dann 1893 nach Indien, wo sie mehrere Jahre als erfolgreiche Rednerin durch das Land tourte. 1894/95 war sie maßgeblich an der Judge Case beteiligt, welche zur Spaltung der TG in die Theosophische Gesellschaft Adyar (Adyar-TG) einerseits und die Theosophische Gesellschaft in Amerika (TGinA) andererseits führte. Besant selbst folgte der Adyar-TG. 1898 gründete sie zusammen mit u.a. Bhagavan Das das Central Hindu College (CHC) in Benares, dem sie sich in den nächsten Jahren hauptsächlich widmete. Für das CHC entwarf sie 1901 den fortlaufenden Text einer Einführung in den Hinduismus, die reformhinduistische und theosophische Züge trägt und 1903 veröffentlicht wurde. Das Central Hindu College wurde 1916 Teil der Banaras Hindu University, die sich damals in ihrer Gründungsphase befand.

Besant hörte 1902 durch Francesca Arundale in London von der freimaurerischen Obedienz Le Droit Humain, die 1893 von Georges Martin und Maria Deraismes gegründet worden war und auch Frauen als Mitglieder akzeptierte. In Paris wurde Besant in die ersten drei Grade aufgenommen und war hauptverantwortlich für die in London begründete erste englische Freimaurerloge des Droit Humain.

1907 wurde Besant nach dem Tod von Henry Steel Olcott Präsidentin der Adyar-TG. 1909 glaubte ihr Mitarbeiter Charles W. Leadbeater in Jiddu Krishnamurti eine theosophisch-hinduistische Art von „Messias“ zu erkennen. Vor allem mit Personal und Studenten des CHC in Benares wurde 1911 zuerst der Order of the Rising Sun und dann der Order of the Star of the East gegründet. Annie Besant behauptete in dieser Zeit zunehmend, selbst über übersinnliche Fähigkeiten zu verfügen, was ihr zusammen mit dem einsetzenden Krishnamurtikult zunehmend Kritik einbrachte und zu Konflikten innerhalb der Adyar-TG und des CHC führte. 1912/13 spaltete sich der größte Teil der deutschen Theosophen unter Rudolf Steiner nach jahrelanger Vorbereitung von der von ihr geführten Theosophischen Gesellschaft Adyar ab, um ausschließlich Steiner und seinen Lehren zu folgen.

Politisch engagierte sich Annie Besant in der indischen Unabhängigkeitsbewegung. 1913 unternahm sie eine Indienrundreise unter dem selbst gewählten Motto Wake up India, 1914 trat sie dem Indischen Nationalkongress (INC) bei. Dort schlug sie 1915 die Gründung von Home Rule Leagues vor und propagierte die indische Selbstverwaltung bei Loyalität gegenüber dem britischen Empire. Nachdem der INC diesen Vorschlag nicht annehmen wollte, initiierte sie diese Bewegung auf eigene Faust (etwa zeitgleich mit einer ähnlichen Initiative Tilaks); 1917 wurde sie deswegen interniert.

Zu dieser Zeit war Besant einer der Köpfe der indischen Nationalbewegung. Nach ihrer Freilassung noch 1917 wurde sie zur Präsidentin des Jahreskongresses des INC gewählt. In der Folgezeit agitierte sie scharf gegen die Nichtkooperationsbewegung Gandhis und verlor an politischer Bedeutung.

Nach der Auflösung des „Order of the Star of the East“ 1929 durch Jiddu Krishnamurti verlor die Adyar-TG in Indien deutlich an Boden. Annie Besant blieb deren Präsidentin bis zu ihrem Tod am 20. September 1933.

Werke (Auswahl)

  • The Political Status of Women (1874)
  • On The Nature And The Existence Of God (1875)
  • Marriage, As It Was, As It Is, And As It Should Be: A Plea For Reform (1878)
  • The Law Of Population (1877)
  • Autobiographical Sketches (1885)
  • „Why I became a Theosophist“ (1889)
  • An Autobiography (1893)
  • The Ancient Wisdom (1898)
  • Sanatana Dharma (with Bhagavan Das), Advanced Textbook, Elementary Textbook, Catechism (1903)
  • Bhagavad Gita (Translation) (1905)
  • Introduction to Yoga (1908)
  • India: A Nation (1917)
  • Okkulte Chemie (mit Charles W. Leadbeater) (1908)
  • The Doctrine of the Heart (1920)
  • Esoteric Christianity
  • Gedankenkraft
  • H.P.Blavatsky und die Meister der Weisheit, Leipzig / 1924

Einzelnachweis

  1. Nach Ursula von Mangoldt war sie die Begründerin der Theosophischen Gesellschaft, Aus: Auf der Schwelle zwischen Gestern und Morgen - Erlebnisse und Begegnungen, Weilheim 1963, S. 100

Literatur

Autobiographisches Fragment 1875-91:

Biographien:

  • John Algeo: The power of thought, a twenty-first century adaptation of Annie Besant’s classic work. Quest Books, Wheaton 2001, ISBN 0-8356-0797-6.
  • Shiri Ram Bakshi (Hrsg.): Annie Besant, Struggle for Independance. Anmol, New Delhi 1997, ISBN 81-7041-142-4.
  • Olivia Bennett: Annie Besant. Hamilton, London 1988, ISBN 0-241-12224-4.
  • Theodore Besterman: Mrs. Annie Besant. A modern prophet. Kegan Paul & Co., London 1934.
  • Jyoti Chandra: Annie Besant, from theosophy to nationalism. K.K. Publications, Delhi 2001.
  • Rosemary Dinnage: Annie Besant. Penguin, Harmondsworth 1986, ISBN 0-14-008663-3.
  • Curuppumullage Jinarajadasa: Biography of Dr. Annie Besant. Theosophical Publishing House, Adyar 1981.
  • Iychettira Madappa Muthanna: Mother Besant and Mahatma Gandhi. Thenpulam Publishers, Vellore 1986.
  • Arthur Hobart Nethercot: The First Five Lives of Annie Besant. Rupert Hart-Davis, London 1961.
  • Ders.: The Last Four Lives of Annie Besant. Rupert Hart-Davis, London 1963.
  • Sri Prakasa: Annie Besant. Bharatiya Vidya Bhavan, Bombay 1954.
  • Chetpat Pattabhirama Ramaswami Aiyar: Annie Besant. Ministry of Information and Broadcasting, Delhi 1963.
  • Anne Taylor: Annie Besant, a biography. Oxford University Press, Oxford 1992, ISBN 0-19-211796-3.
  • Catherine Wessinger: Annie Besant and progressive Messianism (1847-1933). E. Mellen Press, Lewiston 1988, ISBN 0-88946-523-1.
  • Geoffrey West: The Life of Annie Besant. Howe, London 1929.
  • Gertrude Marvin Williams: The Passionate Pilgrim, A life of Annie Besant. John Hamilton, London 1932.

Werke mit biographischen Notizen und anderen Verweisen auf Annie Besant:

  • Heinz-Gerhard Haupt, Dieter Langewiesche: Nation und Religion in der deutschen Geschichte. Campus, Frankfurt am Main et al. 2001, ISBN 3-593-36845-5.
  • Michael Holroyd: Bernard Shaw. Magier der Vernunft, Eine Biographie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-40722-8. (einbändige Bearbeitung der dreibändigen englischen Originalausgabe, London 1988-1991, in Teil III Ausführliches zu Besant)
  • George Bernard Shaw: Annie Besant´s Passage through Fabian Socialism. in: Dr. Annie Besant, Fifty Years in Public Work. London 1924 (unter dem Titel Mrs. Besant as a Fabian Socialist zuerst erschienen in: The Theosophist, Adyar Oktober 1917.
  • Ders.: The Diaries, Band 1 (1885-1897), hrsg. von Stanley Weintraub, The Pennsylvania State University Press, University Park 1986, ISBN 0-271-00410-X.
  • Gauri Viswanathan: Outside the fold. conversion, modernity and belief. Princeton University Press, Princeton 1998, ISBN 0-691-05899-7.

Weblinks

 Commons: Annie Besant – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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