- Literaturoper
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Die Literaturoper ist ein im 20. Jahrhundert entstandenes Genre der Oper, bei dem bereits bestehende Bühnenwerke des Theaters ohne wesentliche Veränderungen - allenfalls Kürzungen - in Musik gesetzt werden.
Im weiteren Sinne umfasst der Begriff auch Opern-Bearbeitungen von Romanen und Erzählungen im 20. Jahrhundert, ein Verfahren, das allerdings seit Entstehung der Oper im Prinzip angewandt wurde. Die Literaturoper wurde möglich, als mit Richard Wagner und der von ihm entwickelten durchkomponierten dramatischen Großform verschiedene Konventionen für die Form eines Libretto-Textes schwanden und keine spezielle Operntext-Version eines Stoffes mehr nötig erschien. In der Geschichte der russischen Musik des 19. Jahrhunderts finden sich erste Beispiele für dieses dramaturgische Verfahren. [1] Zu nennen sind hier Dargomyschskis Oper Der Steinerne Gast (nach Puschkin) sowie Modest Mussorgskis Opernfragment Die Heirat und sein Boris Godunow (auch nach Puschkin). [2] [3] Zu den ersten Komponisten, die Theaterstücke direkt vertonten, gehören Claude Debussy, Richard Strauss und Alban Berg. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlangte das Genre eine Blüte, und Komponisten griffen häufig auch auf historische Theaterstücke zurück. Die Produktion in dem Genre hält bis heute an.
Inhaltsverzeichnis
Literaturopern auf Theatertexte
- Claude Debussy: Pelléas et Mélisande nach Maurice Maeterlinck, 1902
- Richard Strauss:
- Salome nach Oscar Wilde, 1905
- Elektra nach Hugo von Hofmannsthal, 1909
- Alexander von Zemlinsky: Eine florentinische Tragödie nach Oscar Wilde, 1917
- Alban Berg:
- Wozzeck nach Büchners Woyzeck, 1925
- Lulu nach Frank Wedekind, 1937
- Francis Poulenc:
- Les mamelles de Tirésias (Die Brüste des Tiresias) nach Guillaume Apollinaire, 1941
- La voix humaine (Die menschliche Stimme) nach Jean Cocteau, 1958
- Carl Orff:
- Antigonae nach Friedrich Hölderlin, 1949
- Oedypus der Tyrann nach Sophokles, 1959
- Prometheus nach Aeschylus, 1968
- Werner Egk: Der Revisor nach Nikolai Gogol Ревизор, 1957
- Wolfgang Fortner: Bluthochzeit nach Federico García Lorcas Bodas de sangre, 1957
- Benjamin Britten: A Midsummer Night's Dream (Ein Sommernachtstraum) nach William Shakespeare, 1960
- Bernd Alois Zimmermann: Die Soldaten nach Jakob Lenz, 1965
- Gottfried von Einem: Der Besuch der alten Dame nach Friedrich Dürrenmatt, 1971
- Aribert Reimann: Lear nach Shakespeares King Lear, 1978
- Adriana Hölszky:
- Bremer Freiheit nach Rainer Werner Fassbinder, 1988
- Die Wände nach Jean Genets Les paravents, 1995
- Manfred Trojahn: Was ihr wollt nach Shakespeares Twelfth Night or What you will, 1998
- Michael Denhoff: Der Pelikan nach August Strindberg
- Sergei Sergejewitsch Prokofjew: L'amour des trois oranges nach Gozzi, 1921
- Hans Werner Henze: Der Prinz von Homburg nach Heinrich von Kleist, 1960
Literaturopern nach Romanen und Erzählungen
- Frederick Delius: Romeo und Julia auf dem Dorfe nach Gottfried Keller, 1907
- Leoš Janáček:
- Kaťa Kabanová (Katja Kabanowa) nach Alexander Nikolajewitsch Ostrowskis Das Gewitter, 1921
- Z mrtvého domu (Aus einem Totenhaus) nach Dostojewskis Записки из Мертвого дома (Aufzeichnungen aus einem Totenhaus), 1930
- Dmitri Schostakowitsch:
- Нос (Die Nase) nach Nikolai Gogol
- Леди Макбет Мценского уезда (Lady Macbeth von Mzensk) nach Nikolai Semjonowitsch Leskow, 1934
- Benjamin Britten:
- Billy Budd nach Herman Melville, 1951
- Death in Venice nach Thomas Manns Tod in Venedig, 1973
- Hans Werner Henze:
- Ein Landarzt, Funkoper nach Franz Kafka, 1951
- Die Bassariden (The Bassarids) nach Euripides' Βάκχαι (Die Bakchen), 1966
- Das verratene Meer, nach Yukio Mishimas 午後の曳航 (Gogo no Eiko), 1986-89
- Hans Zender: Don Quijote de la Mancha nach Miguel de Cervantes, 1993
Einzelnachweise
- ↑ Jürgen Maehder: Salome von Oscar Wilde und Richard Strauss - Am Beginn der deutschen Literaturoper; in: Begleitheft der Staatsoper Stuttgart, Spielzeit 1995/1996, Heft 26, S. 27 u.28
- ↑ Jürg Stenzl: Heinrich von Kleists Penthesilea in der Vertonung von Ottmar Schoeck; in Günter Schnitzler: Dichtung und Musik - Kaleidoskop ihrer Beziehungen, Klett-Cotta, 1979, S. 224 ff.
- ↑ Richard Taruskin: Realism as Preached and Practiced - The Russian Opera Dialogue, Musical Quarterly, LVI, 1970, S. 431-454
Literatur
- Sigrid Wiesmann (Hrsg.): Für und Wider die Literaturoper. Zur Situation nach 1945. Laaber-Verlag, Laaber 1982, ISBN 3-921518-67-9 (Thurnauer Schriften zum Musiktheater 6).
- Carl Dahlhaus: Vom Musikdrama zur Literaturoper. Aufsätze zur neueren Operngeschichte. Überarbeitete Neuausgabe. Piper u. a., München u. a. 1989, ISBN 3-7957-8238-4 (Serie Piper 8238)
- Almut Ullrich: Die „Literaturoper“ von 1970–1990. Texte und Tendenzen. Noetzel, Wilhelmshaven 1991, ISBN 3-7959-0617-2 (Veröffentlichungen zur Musikforschung 11), (Zugleich: Aachen, Techn. Hochsch., Diss.).
Weblinks
Wiktionary: Literaturoper – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenKategorie:- Operngenre
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