Lykier

Lykier

Lykier ist die antike Sammelbezeichnung für die Bewohner der Landschaft Lykien in Südwest-Kleinasien in der Antike.

Felsgräber von Myra.
Lykischer Sarkophag in Kaş

Inhaltsverzeichnis

Herkunft der Lykier in antiken Quellen

Die Lykier sind bereits in Homers Ilias mehrfach erwähnt. Sie kämpfen dort auf trojanischer Seite unter Führung der Helden Sarpedon und Glaukos. Bereits zwei Generationen vor dem Trojanischen Krieg soll der griechische Held Bellerophon in Lykien große Taten vollbracht haben.

Herodot behauptete, dass die Lykier ehemals auf Kreta lebten, sich einst „Termilen“ nannten und erst durch den Athener Lykos ihren Namen erhielten (I,173). Dafür gibt es jedoch keine Bestätigung in anderen antiken Quellen. Er berichtete auch, dass sie im Gefolge ihres Fürsten Sarpedon in Kleinasien gelandet seien, der sich mit seinem Bruder Minos um die Königswürde auf Kreta gestritten haben soll.

Herkunft der Lykier aus heutiger Sicht

Nach der Sprache waren die Lykier Indogermanen, denn sie sprachen eine indogermanische Sprache, das Lykische, das mit dem Luwischen verwandt ist. Das spricht gegen eine Herkunft aus Kreta. Dagegen spricht auch die Erwähnung der Lukka-Länder in hethitischen Texten des 15. Jh. - 13. Jahrhundert v. Chr., die man heute i.a. mit dem Lykischen Gebiet gleichsetzt.

Die Lukka-Länder der hethitischen Texte lagen ebenfalls in Südwest-Kleinasien und waren ungefähr deckungsgleich mit dem antiken Lykien (inklusive Teilen Pisidiens). Wahrscheinlich leitet sich die Bezeichnung Lykier von Lukka ab. Diese Lukka-Länder konnten nie von den Hethitern erobert werden und waren vor allem gegen Ende des Großreichs ein Unruheherd. Ob sie hingegen mit den Arzawa-Ländern und den Luwiern im Westen verbündet waren, ist unklar. Die in ägyptischen Texten vorkommenden lukku (lkk) sind höchstwahrscheinlich mit den Bewohnern der Lukka-Länder identisch. Daher geht die heutige Wissenschaft davon aus, dass es sich bei den Lykiern um ein kleinasiatisches Volk handelte.

Bei aller Unklarheit der kontroversen Theorien über die Seevölker ergibt sich doch aus neuerer Sicht eine Verbindungslinie zwischen den aus verschiedenen Quellen stammenden Begriffen Lukku, Lukka-Länder, Seevölker, Philister, Lykier, Mykener bzw. Ägäischer Raum und nicht zuletzt den mythologischen Berichten Homers und Herodots, die ebenfalls vermutlich eine frühe Verbindung zu Kreta und der Griechischen Frühgeschichte widerspiegeln. Sie alle werden zu den Unruhestiftern im Ostmittelmeerraum, bzw. an der Kleinasiatischen Küste, der Levante und dem Nildelta gezählt, die die alten Mächte Hethiter, Ägypten, Zypern (Alaschia) und Ugarit (als hethitischen Vasallen) bedrohten und letztlich teilweise oder ganz zerstörten.

Geschichte

Mitte des 2. Jahrtausend v. Chr. werden die Luqqu erstmals in ägyptischen und ugaritischen Quellen genannt. Die Lukka-Leute kämpfen auf Seiten der Hethiter bei der Schlacht von Kadesch (ca. 1274 v. Chr.). Gegen 1208 v. Chr. griffen Lukku(-Söldner) zusammen mit den Libyern, den Philistern und anderen Völkern vermutlich des nördlichen Mittelmeeres und der Levante Ägypten an ("Seevölker"). Um 1190 v. Chr. hatte der letzte hethitische Großkönig Suppiluliuma II. schwere verlustreiche (Abwehr-?)Kämpfe im Lukka-Bereich zu führen.

Die Geschichte der Lykier in den folgenden Jahrhunderten liegt, mangels Schriftquellen und archäologischer Funde, ziemlich im Dunkeln. Im Bereich des Südostens des Hethitischen Großreichs und auch auf dem Gebiet Lykiens bilden sich Nachfolgestaaten der Hethiter. Griechische Kolonien gab es - im Gegensatz zum östlicheren Südkleinasien und zur westkleinasiatischen Küste - offenbar kaum. Vermutlich gelang es den Lykiern, Kolonisationsversuche, wie die Gründung von Phaselis durch Rhodos erfolgreich abzuwehren.

Ab dem späten 7. Jahrhundert v. Chr. wurde das Lyderreich zur beherrschenden Macht in der Westhälfte Kleinasiens. Offenbar wurden die Lykier aber nicht unterworfen, denn Herodot schreibt, dass Alyattes II. bis 585 v. Chr. alle Gegenden westlich des Halys mit Ausnahme Lykiens unterworfen hatte.

Um 540 v. Chr. wurde Lykien nach erbitterter Gegenwehr von den Persern erobert und die wichtige Stadt Xanthos angeblich zerstört (die von Herodot 120 Jahre später berichtete Zerstörung der Akropolis lässt sich archäologisch nicht nachweisen). Zum ersten Mal in ihrer Geschichte kamen die Lykier nachweisbar in die Abhängigkeit einer fremden Macht. Das persische Regime muss aber als eher moderat gelten, Militär wurde nicht stationiert, die Tribute waren tragbar; und letztlich scheint der Großkönig den Dynasten der lykischen Städte weitgehende Autonomie eingeräumt zu haben. Gerade die Herrscher von Xanthos scheinen lange Zeit mit persischer Hilfe die Vorherrschaft über ganz Lykien beansprucht zu haben; mit wechselndem Erfolg. So erlangten einige Dynasten nicht nur erhebliche Handlungsspielräume, sondern auch großen Wohlstand und Ansehen, wovon viele prächtige Bauten und Felsgräber noch heute zeugen.

469 eroberte der Athener Kimon Xanthos, das erneut (?) zerstört wurde. Vorübergehend schlossen sich einige lykische Städte dem Attischen Seebund an, wechselten aber um 440 wieder die Seiten: 429 konnten die Lykier einen Versuch der Athener, sie erneut zu unterwerfen, abwehren; ab 413 kämpften zumindest Xanthos und Limyra auf persischer Seite gegen Athen.

Anders, als die ältere Forschung annahm, gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass sich bereits zu dieser Zeit die Städte Lykiens zum „Lykischen Bund“ zusammengeschlossen hätten. Dieser ist erst ab 167 v. Chr. sicher bezeugt. Seine politische Kraft und demokratische Grundstruktur, die seit der Antike gerühmt wurde und deren Ruhm bis in die Neuzeit des 18. Jahrhunderts ausstrahlte, entfaltete er erst lange nach dem Ende der so genannten Dynastenherrschaft und der Übernahme des griechischen Polissystems.

Zwischen 380 und 360 konnte Perikles von Limyra Lykien kontrollieren; doch als er in Konflikt mit den Persern geriet, verlor er seine Macht. Das Land wurde vom Großkönig dem karischen Satrapen Mausolos II. unterstellt. Die Zeit der Dynasten war vorbei. 334/33 v. Chr. wurde Lykien dann widerstandslos von Alexander dem Großen eingenommen und zusammen mit Pamphylien und Pisidien zu einer Satrapie vereint (vgl. Schlacht bei Issos). Während der Diadochenzeit wechselte die Vorherrschaft der ägyptischen Ptolemäer (ab 309) und der persisch-syrischen Seleukiden (ab 197) einander ab. Nach dem Sieg über den Seleukidenkönig Antiochos III. stellte Rom Lykien 188 v. Chr. unter rhodische Oberhoheit. Im Jahre 167 v. Chr. wurde Lykien dann vom römischen Senat für frei erklärt. Die Lykier hatten sich erfolgreich im Lykischen Bund gegen Rhodos stark gemacht. Sie prägten nun eigene Bundesmünzen. Nach dem Tod Caesars 44 v. Chr. wird Lykien von Brutus unterworfen. Nach innerlykischen Unruhen richtet Claudius 43/44 n. Chr. die Provinz Lycia (ab 72 n. Chr. mit Pamphylien zu Lycia et Pamphylia zusammengelegt) ein. Lykien wird als letzte kleinasiatische Provinz dem römischen Reich eingegliedert. 141 erschüttert ein verheerendes Erdbeben die Gegend. Es folgt eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs, bis 240 erneut ein schweres Erdbeben das Land erfasst. Anfang des 4. Jahrhunderts wird der heilige Nikolaus, einer der 318 Teilnehmer des Konzil von Nicäa Bischof von Myra.

Die lykische Sprache starb im 3. Jahrhundert v. Chr. aus; andere kulturelle Eigenheiten der Lykier hielten sich bis in die Spätantike.

Geographie und Städte

Siehe: Lykien

Lykische Sprache

Siehe: Lykische Sprache

Lykische Kunst und Gesellschaft

Herodot, der im 5. Jahrhundert v. Chr. Lykien offenbar bereist hatte, schreibt in seinem Werk (I,173) auch von ungewöhnlichen Bräuchen der Lykier: Sie sollen sich nach ihren Müttern benannt und ihre weiblichen Vorfahren aufgezählt haben. Außerdem richtete sich der Status eines Kindes nach dem Status der Mutter: Hatte sie Bürgerrechte, bekamen auch ihre Kinder Bürgerrechte. Wenn die Mutter dagegen unfrei war, galten ihre Kinder ebenfalls als Unfreie, auch wenn der Vater ein noch so angesehener Bürger war. In der früheren Forschung wurde daraus geschlossen, dass Frauen eine ehemals sehr hohe Stellung bei den Lykiern eingenommen hätten (Matriarchat). Tatsächlich gab diese Randbemerkung Homers Johann Jakob Bachofen, in einer Zeit, als die zahlreichen Grabinschriften noch unbekannt und nicht entziffert waren, seiner berühmten Arbeit über das Mutterrecht auch den entscheidenden Anstoß. Die heute entzifferten Grabinschriften belegen diesen Brauch allerdings nicht. Doch bestand hier offenbar noch in griechischer Zeit die Sitte, dass ein Mann in die Familie seiner Frau einheiraten konnte, was in der patriarchalisch organisierten alten Welt sonst undenkbar war.

Lykische Funde aus der Zeit vor dem 6. Jahrhundert v. Chr. sind sehr selten und reichen maximal ins 8. Jahrhundert v. Chr. zurück. Daher konnte die Archäologie bisher kaum Licht in die Frühgeschichte Lykiens bringen. Der eigentümlichste Grabtyp ist das Pfeilergrab (bzw. auch als Grabpfeiler bezeichnet), das in archaischer und klassischer Zeit verbreitet ist und offenbar der dynastischen Elite vorbehalten war. Einer der bedeutendsten Vertreter dieses Typs ist das sogenannte Harpyienmonument. Aus klassischer Zeit gibt es viele Felsgräber, die eine typisch lykische Eigenarten aufweisen: sie bilden eine spezifische Holzarchitektur in Stein nach. Die Vorbilder dieser Felsfassadengräber und steinernen Grabhäuser sind wahrscheinlich in Sakralbauten zu suchen, obgleich auch an Wohn- oder Palastbauten als Vorbilder gedacht wurde. Daneben gibt es Sarkophage, die einen spitzbogigen Deckel besitzen. Insbesondere die Felsgräber zeigen häufiger reichen Reliefschmuck und weisen zudem Inschriften in lykischer und später griechischer Sprache auf. Auch einige der frühen Sarkophage besitzen lykische Inschriften. Im Hellenismus und in der Kaiserzeit sind griechische Grabinschriften weit verbreitet, die häufig ein ähnliches Formular aufweisen und den Grabherrn sowie weitere Bestattungsberechtigte nennen. Die Häuser vieler Siedlungen sind in den Fels hinein gebaut.

Ab dem 6. Jh. v. Chr. sind vor allem griechische (zunächst ionische) Einflüsse offenkundig. Persischer Einfluss hält sich dagegen in Grenzen, obgleich Lykien Teil des Achaimenidenreiches war. Ein bedeutendes Beispiel ist das Nereiden-Monument von Xanthos aus dem frühen 4. Jh. v. Chr., das heute weitgehend im Britischen Museum in London aufbewahrt wird. Typisch „lykische“ Elemente in der Kunst sind schwer auszumachen und wenn, ist oft strittig, was „lykisch“ ist.

Literatur

Weblinks


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