Melchior Hoffman

Melchior Hoffman

Melchior Hofmann, auch: Hoffmann, Hofman, Hoffman; Beiname: Pel(t)zer = Kürschner, (* um 1500 in Schwäbisch Hall; † 1543 in Straßburg) gehört zu den bekannten Führern der Täuferbewegung.

Melchior Hofmann

Inhaltsverzeichnis

Anfänge

Hofmann wurde im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts als Sohn einfacher Eltern geboren. Er erlernte den Beruf eines Kürschners, welchen er auch später - neben seiner Predigt- und Lehrtätigkeit - zur Finanzierung seines Lebensunterhalts ausgeübt hat. Schon in jungen Jahren wendet er sich der reformatorischen Theologie zu.

Zwischenstationen auf dem Weg zum Täufertum

Ab 1523 wirkt Hofmann als lutherischer Sendbote und Schriftsteller im Baltikum, in Skandinavien und in Schleswig-Holstein (Kiel).

Wolmar

Mitte des Jahres 1523 trifft Melchior Hofmann in der livländischen Kleinstadt Wolmar ein. Obwohl es zunächst nur berufliche Interessen sind, die ihn nach Wolmar geführt haben, beginnt er alsbald mit der Verkündigung der lutherischen Botschaft von der Glaubensgerechtigkeit, verbindet diese jedoch mit der Ankündigung des nahen göttlichen Gerichts +über alle, die an der Werkgerechtigkeit der römisch-katholischen Kirche festhalten. In diesem Zusammenhang greift er besonders die geistlichen Stände an. Ihre Vertreter, die geistlichen Fürsten, Ordensritter und Mönche, nennt er Nachtraben, Uhus und Fledermäuse. Nonnen und Beginen sind für ihn Teufelsbräute und Himmelshuren. Die Totenmessen mit ihrem Läuten, Plempern und Heulen bezeichnet er als Ausgeburt der Hölle, ebenso die Ölgötzen der Heiligenbilder. Wolter von Plettenberg, der Herrmeister des Deutschen Ordens und damit zuständige Obrigkeit für Wolmar, verweist ihn deshalb unter Androhung schwerer Strafen aus der Stadt.

Dorpat

Historische Ansicht Dorpats

Ende 1523 oder Anfang 1524 gelangt Hofmann nach Dorpat. Sein Ruf eilt ihm voraus. Der Rat der Stadt, der in dieser Zeit von der Großen Gilde der Kaufleute dominiert wird, duldet jedoch seine Predigt - gegen den Widerstand des Rigaer Erzbischofs Johannes Blankenfeld, der in Personalunion auch Bischof von Dorpat war. Die Schwarzhäupter, die Gilde der hanseatischen Kaufmannsgesellen, zählen zu seinen aktivsten Unterstützern. Als der Vogt des Erzbischofs ihn gefangen nehmen will, verhindern sie gewaltsam seine Verhaftung. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen werden am 10. Januar 1524 von den Knechten des Vogts vier Freunde Hofmanns erschlagen. Diese Bluttat führt zu einer Revolte. Bewaffnete Aufständische stürmen den Dorpater Dom und alle übrigen Kirchen der Stadt. Altäre und Bilder werden zerschlagen, die Häuser der Domkanoniker verwüstet. Der Sitz des Vogtes, das bischöfliche Schloss wird belagert und schließlich von diesem widerstandslos geräumt. Dieser sogenannte Dorpater Bildersturm ist der erste von insgesamt zehn weiteren Aktionen dieser Art, die im Zeitraum zwischen 1524 und 1526 in und um Dorpat stattfinden und deren - allerdings ungewollter - Auslöser Melchior Hofmann ist.

In der Folge dieses Aufruhr wird Hofmann seitens der Dorpater Obrigkeit aufgefordert, ein theologisches Gutachten über seine Lehrtätigkeit beizubringen. Er wendet sich zunächst an die beiden reformatorischen Theologen Andreas Knöpken und Sylvester Tegetmeier, deren Empfehlungsschreiben jedoch vom Rat der Stadt Dorpat nicht als ausreichende Beglaubigung angesehen werden. Hofmann beschließt, sich in Wittenberg, dem Zentrum der lutherischen Reformation, ein Zeugnis über die Zuverlässigkeit seiner Lehre zu besorgen.

Wittenberg

Im späten Frühjahr 1525 reist Hofmann nach Wittenberg. Es gelingt ihm, Luthers Vertrauen zu gewinnen, sodass er nicht nur das verlangte Zeugnis erhielt, sondern auch den Briefen der Reformatoren Martin Luther und Johannes Bugenhagen ein eigenes Sendschreiben hinzu fügen durfte (zur Linden, aaO, S. 61). Dieses Sendschreiben trägt den Titel JHesus. Der Christlichen gemeyn zu Derpten ynn Lieflandt (= Dorpat) wunschet Melchior Hofmann gnad und fride, sterkung des glaubens von Godt dem vater und dem Hern Jhesu Christo. Amen. In diesem Schreiben bekennt Hofmann sich zu den lutherischen Grundsätzen, betont allerdings neben der Rechtfertigung allein aus Glauben die Bedeutung der Heiligung. Dieses Sendschreiben gilt als älteste uns erhaltene Schrift des Kürschners aus Schwäbisch Hall.

Zweiter Aufenthalt in Dorpat

Hofmann kehrt noch im Sommer 1525 nach Dorpat zurück und findet eine Gemeinde vor, die sich in seiner Abwesenheit in zwei feindliche Lager gespalten hat: Freunde und Feinde Hofmanns. Der Rat der Stadt verweigert dem Kürschner trotz seines Wittenberger Zeugnisses aufgrund dieser Spaltung die Approbation, wogegen dieser sich mit einem öffentlichen Affront gegen den Dorpater Bürgermeister und dessen Familie wehrt. Hofmann wird ausgewiesen und sucht Zuflucht im estnischen Reval. Aber auch hier wird er des Landes verwiesen. 1526 finden wir Melchior Hofmann in Stockholm. Seine Tätigkeit in Livland ist allerdings nicht fruchtlos geblieben. Das geht u. a. aus einem Brief hervor, den er noch im Jahr seiner Ankunft von der schwedischen Hauptstadt aus an seine zurückgelassenen Glaubensgenossen schreibt: Formaninghe an die gelöfigen vorsambling in Livlandt.

Stockholm

Dass Hofmann sich auf den Weg nach Stockholm macht, hängt wohl mit seiner Hoffnung zusammen, dort ein finanzielles Auskommen zu finden, das eine freie Missionstätigkeit ermöglichte. Die schwedische Hauptstadt ist zu der Zeit bedeutender Stapelplatz für Pelze aller Art, für einen Kürschner also beste Voraussetzungen. Die Dinge entwickeln sich jedoch anders: Melchior Hofmann wird von der deutschen Gemeinde Stockholms zu ihrem Prediger berufen. Neben den schon genannten Formaninghe gibt er hier zwei seiner bedeutenden Schriften heraus: Das Büchlein vom Jüngsten Tage und eine Auslegung des 12. Kapitels des Buches Daniel: Das XII. Capitel des propheten Danielis ausgeleget, und des evangelion des andern sondages, gefallendt inn Advent, vnd von den zeychen des jüngsten gerichtes ... MDXXVI. Die in diesen Schrift vertretenen Ansichten und dogmatischen Erläuterungen markieren den Wendepunkt auf dem Weg Hofmanns vom lutherischen Sendboten zum radikalen Täufertum.

Der schwedische König Gustav I. Wasa erlässt noch 1526 eine Verordnung, durch die Hofmann die Predigt vor dem gemeinen Haufe untersagt wird. Das mag der Grund gewesen sein, warum Melchior Hofmann 1527 Schweden in Richtung Lübeck verlässt. Auch hier kommt es durch sein Auftreten zu Unruhen, in deren Folge er sich in das zu Dänemark gehörende Holstein zurückzieht.

Zweiter Aufenthalt in Wittenberg

Nach einer kurzen freien Evangelisationstätigkeit im Holsteinischen macht Hofmann sich im Jahr 1527 zu einer zweiten Reise nach Wittenberg auf. Erstes Ziel seiner Reise war ein Besuch bei dem Magdeburger Prediger Nikolaus von Amsdorf, den Hofmann für seine Anschauungen gewinnen wollte. Amsdorf empfiehlt ihm, zu seinem Handwerk zurückzukehren. Auch in Wittenberg wird Hofmann nicht empfangen. Bei seiner Rückkehr wird er in Magdeburg verhaftet.

Kiel

Aus der Haft entlassen folgt Hofmann einer Einladung Friedrichs I. nach Kiel. Er erhält die Erlaubnis, überall in Holstein als Laienprediger zu wirken. Doch schon bald kommt es zum Streit mit dem Amsdorf-Schüler Marquard Schuldorp, der seit 1526 als erster evangelischer Prediger an der Nikolaikirche in Kiel wirkt. Schon bald gibt es Auseinandersetzungen wegen Hofmanns apokalyptischen Predigten. Zudem beleidigt er die Honoratioren der Stadt. Der Streit, in dem es auch um die Abendmahlslehre geht, wird von dem katholischen Stadtpfarrer noch zusätzlich angeheizt. Beide Prediger prügeln sich sogar angeblich auf der Kanzel. Auf Empfehlung Luthers findet am 8. April 1529 im Flensburger Barfüßlerkloster eine vom König einberufene Disputation unter dem Vorsitz des Kronprinzen Herzog Christian statt. Johannes Bugenhagen vertritt die lutherische Position der Realpräsenz Christi im Abendmahl. Hofmann dagegen leugnet die leibliche Gegenwart Christi, für ihn wird Christus nur geistlich im Glauben in Brot und Wein genossen. Infolge dieser Disputation wird Hofmann wegen seiner Abendmahlsauffassung samt seinen Anhängern des Landes verwiesen.

In Ostfriesland und Straßburg

Nach einem kurzen Aufenthalt in Ostfriesland, wo er mit Karlstadt zusammentrifft, reist Hofmann nach Straßburg, wo er als Anhänger der Abendmahlslehre Zwinglis empfangen wird. Er veröffentlicht seinen Bericht von der Disputation in Flensburg heraus (Dialogus und grüntliche berichtung gehaltener disputation im land zu Holstein underm künig von Denmarck vom hochwirdigen sacrament oder nachtmal des Herren. In gagenwärtigkeit kü. ma. sun hertzog Kersten sampt kü. räten, vilen corn adel und grosser versamlung der priesterschaft. Jetzt kurtzlich geschehen den andern donderstag nach ostern im Jar Christi als man zalt 1529.).

In Straßburg begegnet Hofmann Caspar Schwenckfeld und dem Täufertum. Bei den Täufern findet er erstmals ein offenes Ohr und Gleichgesinnte. Bald werden Differenzen zu den reformierten Predigern sichtbar: Von Hofmanns hier verfassten Schriften beunruhigt und verärgert sie besonders Auslegung der heimlichen Offenbarung Joannis des heyligen Apostels unnd Evangelisten, das auf den Visionen der Propheten Ursula und Lienhard Jost beruht. In diesem Werk teilt Hofmann die Kirchengeschichte in drei Zeitalter: Von den Aposteln bis zu den Päpsten, die Vorherrschaft der Päpste, die er zusammen mit dem Kaiser zu den Verkörperungen des "Tieres" zählt, und als drittes die Reformation, die er mit Hus beginnen lässt und deren Kennzeichen es ist, dass der Buchstabe dem Geist weicht. Zwei Zeugen des Geistes sollen erscheinen, zu deren Bekämpfung sich die Papisten mit den Anhängern des Buchstabens (d.h. den Evangelischen, denen sola scriptura als Maßstab gilt) vereinigen werden. Die Wiederkunft Christi datiert er darin auf 1533.

Noch bevor er sich taufen lässt, verlangt er im April 1530 vom Rat die Gleichstellung der Täufer mit der Staatskirche und die Überlassung einer Kirche. Der Rat erlässt daraufhin Haftbefehl gegen Hofmann, dem er sich aber am 23. April 1530 durch die Flucht entzieht und sich wieder nach Ostfriesland begibt.

Zweiter Aufenthalt in Ostfriesland

Während eines Aufenthalts in Emden 1531 beginnt er, Erwachsene zu taufen. Hofmann wird nach einem Briefwechsel mit Luther aus Ostfriesland ausgewiesen und geht nach Straßburg in der Hoffnung, dort das Hereinbrechen des Reiches Gottes erleben zu können.

Wieder in Straßburg

In Straßburg 1533 angekommen, wird er verhaftet und eingekerkert. Er stirbt nach 10jähriger Haft im Gefängnis.

Während seines Gefängnisaufenthaltes verfasst Melchior Hofmann mehr als 35 Schriften, von denen mehr als die Hälfte verloren sind. Ohne es zu wollen, übt Hofmann mit seinen Schriften einen starken Einfluss auf die Theologie der münsterschen Täufer aus.

Hoffmanns Theologie

Melchior Hofmann entfernt sich immer mehr von der lutherischen Theologie und entwickelt eine apokalyptische Schau der Geschichte, in der er selbst als einer der beiden in der Offenbarung des Johannes Kapitel 11 genannten endzeitlichen Zeugen eine entscheidende Rolle spielt. Die Bibel versteht er als eine geheime Offenbarung, für deren Verständnis es einer besonderen Geistbegabung bedarf. Die biblischen Geschichten bestehen aus "Figuren", die nur anhand eines Schlüssels gedeutet werden können.

Vor dem Hintergrund dieses Schriftverständnisses stellen sich Hofmann vor allem folgende Aufgaben: 1. Predigt des Evangeliums in der ganzen Welt; 2. Sammlung der wahren Gemeinde Jesu; 3. die Erwartung der Vernichtung der Feinde Christi, die durch ein Strafgericht Gottes vollzogen wird.

Werke

  • Das XII Capitel des propheten Danielis außgeleget / vnd das evangelion des andern sondages / gefallendt im Aduent / vnnd von den zeychenn des iüngsten gerichtes / auch vom sacrament / beicht vnd absolution / eyn schone vnterweisung an die in Lieflandt vnd eym yden christen nutzlich zu wissen (1526)
  • Weissagung usz heiliger götlicher geschrifft. Von den trubsalen dieser letsten zeit. Von der schweren hand vnd straff gottes über alles gottloß wesen. Von der zukunfft des Türkischen Thirannen vnd seines gantzen anhangs. Wie er sein reiß / vnnd volbringen wirt / vns zu einer straff / vnnd rutten. Wie durch Gottes gwalt sein niderlegung vnnd straff entpfahen wirt (1529)
  • Die Ordonnantie Godts / De welckw hy / door zijnen Soone Christum Jesum / inghestelt ende bevestigt heeft / op die waerachtige Discipulen des eeuwigen woort Godts (1530)
  • Verclaringe van den geuangenen ende vrien wil des menschen / wat ook die waerachtige gehoorsaemheyt des gheloofs / ende warachtighen eewighen Euangelions sy (ca 1532)
  • Van der waren hochprachtlichen eynigen magestadt gottes / vnnd vann der worhafftigen menschwerdung des ewigen wortzs vnd Suns des allerhochsten / eyn kurtze zeucknus vnd anweissung allen liebhabern der eigen worheit (1532)
  • Die edele hoghe ende trostlike sendebrief / den die heylige Apostel Paulus to den Romeren gescreuen heeft / verclaert ende ganz vlitich (= "fleißig") mit ernste van woort to woorde wtgelecht Tot eener costeliker nuttichheyt (= "Nützlichkeit") ende troost allen godtvruchtigen (= "gottesfürchtigen") liefhebbers der eewighen onentliken (= "unendlichen") waerheyt (1533)

Verweise

Literatur

  • Barthold Nicolaus Krohn: Geschichte der Fanatischen und Enthusiastischen Wiedertäufer vornehmlich in Niederdeutschland. Melchior Hofmann und die Secte der Hofmannianer, Leipzig 1758 (auch online verfügbar bei Google Books)
  • Klaus Deppermann, Melchior Hofman. Soziale Unruhen und apokalyptische Visionen im Zeitalter der Reformation (Göttingen 1979)
  • ders., Art. Hoffmann, Melchior, in: Theologische Realenzyklopädie Bd. 15 (1986), S. 470-473.
  • Gregor Helms, Melchior Hofmann in Ostfriesland (Hamburg 1976)
  • P. Kawerau, Melchior Hofmann als religiöser Denker (1924)
  • P. Kawerau, Artikel Melchior Hofmann, in: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG), Bd. III, S. 422ff (Tübingen 1959)

Weblinks


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