Mischa Wolf

Mischa Wolf
Markus Wolf (1989)

Markus Johannes („Mischa“) Wolf (* 19. Januar 1923 in Hechingen; † 9. November 2006 in Berlin) leitete 34 Jahre lang die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), den Auslandsnachrichtendienst im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR.

Inhaltsverzeichnis

Leben

1923–1945

Wolfs Vater war der Arzt und Schriftsteller Friedrich Wolf, sein Bruder der Filmregisseur Konrad Wolf. Da sein Vater Friedrich Wolf jüdischer Herkunft und aktiver Kommunist war, emigrierte die Familie Wolf 1933 zunächst in die Schweiz, danach nach Frankreich und 1934 in die Sowjetunion.

Von 1940 bis 1942 besuchte Wolf die Hochschule für Flugzeugbau in Moskau, anschließend die aus Moskau nach Kuschnarenkowo im Ural-Vorland evakuierte Parteischule des Exekutivkomitees der Komintern. Ab 1943 war er Redakteur und Sprecher beim Moskauer „Deutschen Volkssender“.

1945–1951

1945 kehrte Wolf mit der Gruppe Ulbricht nach Deutschland zurück. [1] Zunächst war er unter dem Decknamen „Michael Storm“ beim neu aufgebauten Berliner Rundfunk tätig, wo er bis 1949 blieb. 1945/46 war er als Berichterstatter bei den Nürnberger Prozessen akkreditiert.

Nach der Gründung der DDR wurde Wolf 1949 als Erster Rat an die DDR-Botschaft in Moskau berufen. Diese Tätigkeit dauerte bis 1951.

1951–1990

Wolf spricht bei der Berliner Großdemonstration am 4. November 1989

Ab September 1951 beteiligte sich Wolf am Aufbau des als Institut für wirtschaftswissenschaftliche Forschung getarnten Außenpolitischen Nachrichtendienstes der DDR (APN) in Berlin. Er wurde stellvertretender Leiter der Hauptabteilung III (Abwehr) des Nachrichtendienstes. 1952 wurde er als Nachfolger von Anton Ackermann zum Leiter des APN berufen.

1953 wurde der APN ins MfS eingegliedert. Wolf wurde nach der Eingliederung Leiter der Hauptabteilung XV (Auslandsaufklärung). Ab 1956 lautete dessen Bezeichnung „Hauptverwaltung Aufklärung“ (HVA). Wolf wurde Generalmajor und war als Spionagechef auch 1. Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit (zunächst unter Wollweber, dann unter Mielke).

1979 wurde Wolf durch Werner Stiller beim Bundesnachrichtendienst auf einem Foto des schwedischen Nachrichtendienstes identifiziert. Es zeigt ihn bei einem Einkauf in Stockholm, nachdem es seit den 50er Jahren kein aktuelles Foto von ihm im Westen gegeben hatte und er daher den Beinamen „Mann ohne Gesicht“ bekommen hatte. Seitdem waren seine Reisemöglichkeiten ins westliche Ausland stark eingeschränkt. Dieses Bild wurde dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel von Seiten des BND lanciert und machte Markus Wolf auch der westdeutschen Öffentlichkeit bekannt. [2]

Im Mai 1986 wurde Wolf, der den Dienstgrad Generaloberst erreicht hatte, auf eigenen Wunsch beurlaubt. Noch im November desselben Jahres erfolgte seine Entlassung aus dem MfS. Anschließend wurde er schriftstellerisch tätig; sein erstes Buch war „Die Troika“.

Am 4. November 1989 trat Wolf auf der Großdemonstration auf dem Berliner Alexanderplatz als Redner auf. Er bekannte sich zu den Reformen in der DDR, forderte aber auch Anerkennung für die Mitarbeiter des MfS, woraufhin er ausgepfiffen wurde. Seine zeitweiligen Pläne einer zweiten Karriere als SED-Reformpolitiker fanden damit ein schnelles Ende.

1990 flüchtete Markus Wolf kurz vor der Wiedervereinigung über Österreich nach Moskau, da ihm bekannt war, dass ihm im wiedervereinigten Deutschland eine Verhaftung drohen würde. Nach dem gescheiterten Putschversuch gegen den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow (Augustputsch in Moskau) suchte Wolf Zuflucht in Österreich.

Nach 1990

1991 beantragte Wolf in Österreich politisches Asyl. Ein Angebot der CIA, in den USA Schutz vor den deutschen Behörden zu suchen, lehnte er ab. Er stellte sich schließlich an der deutschen Grenze den Bundesbehörden.

1993 wurde Wolf durch das Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Landesverrats in Tateinheit mit Bestechung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Das Urteil wegen Landesverrats wurde vom Bundesverfassungsgericht wieder aufgehoben, da die Spionage im Auftrag des souveränen Staates DDR und im Einklang mit ihren Gesetzen erfolgte.

Grab von Konrad und Markus Wolf auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin

1996 beantragte Markus Wolf ein Visum in die Vereinigten Staaten, um bei der Veröffentlichung seiner Memoiren im Verlag Random House dabei zu sein und um seinen Halbbruder zu besuchen, den er seit den 1930er-Jahren nicht mehr gesehen hatte. Das Visum wurde mit der Begründung abgelehnt, er hätte eine terroristische Vergangenheit gehabt. Zeit seines Lebens war es Markus Wolf nicht erlaubt, in die Vereinigten Staaten einzureisen.

1997 kam es zu einer Verurteilung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und Körperverletzung in vier Fällen. Im gleichen Jahr wurde gegen Wolf wegen Aussageverweigerung im Spionageprozess gegen den SPD-Politiker Paul Gerhard Flämig drei Tage Beugehaft verhängt.

Gegen Ende seines Lebens lebte Wolf in Berlin. Dort starb er in der Nacht zum 9. November 2006. Am 25. November 2006 wurde die Urne von Markus Wolf im Grab seines Bruders Konrad in der Grabanlage Pergolenweg auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt.

Werke

  • Die Troika: Geschichte eines nichtgedrehten Films. Aufbau, Berlin/Weimar 1989, ISBN 3-351-01450-3
  • In eigenem Auftrag: Bekenntnisse und Einsichten. Schneekluth, München 1991, ISBN 3-7951-1216-8
  • Geheimnisse der russischen Küche. Rotbuch, Hamburg 1995, ISBN 3-88022-459-5
  • Spionagechef im geheimen Krieg: Erinnerungen. Econ & List, München 1998, ISBN 3-612-26482-6
  • Die Kunst der Verstellung: Dokumente, Gespräche, Interviews. Schwarzkopf und Schwarzkopf, Berlin 1998, ISBN 3-89602-169-9
  • Freunde sterben nicht. Das Neue Berlin, Berlin 2002, ISBN 3-360-00983-5

Literatur

  • Irene Runge, Uwe Stelbrink: Markus Wolf: „Ich bin kein Spion“: Gespräche mit Markus Wolf. Dietz, Berlin 1990, ISBN 3-320-01752-7
  • Alexander Reichenbach: Chef der Spione: Die Markus-Wolf-Story. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1992, ISBN 3-421-06544-6
  • Friedrich W. Schlomann: Die Maulwürfe. Universitasverlag, Tübingen 1993, ISBN 3-8004-1285-3
  • Hans-Dieter Schütt: Markus Wolf. Letzte Gespräche. Koproduktion der Verlage »Das Neue Berlin« und »Neues Deutschland«, 2007, ISBN 978-3-360-01291-3 (ab 15. Februar 2007)
  • Rudolf Hirsch: Der Markus-Wolf-Prozess: Eine Reportage. Brandenburgisches Verlagshaus, Berlin 1994, ISBN 3-89488-082-1

Weblinks

Nachrufe

Einzelnachweise

  1. Hans-Dieter Schütt: Markus Wolf, letzte gespräche, S. 139
  2. DER SPIEGEL 10/1979 vom 05.03.1979, Seite 70 DDR-Spionage: "Das läßt die mächtig wackeln"

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