Muammar Gaddafi

Muammar Gaddafi
Muammar al-Gaddafi
Gaddafi im April 2008 mit Wladimir Putin

Muammar Abu Minyar al-Gaddafi oder Mu'ammar Abu Minyar al-Qaddhafi (arabischمعمر القذافي‎ Muʿammar al-Qaddhāfī, DMG Muʿammar al-Qaḏḏāfī; * 7. Juni 1942 in Yūḥannām bei Surt; offiziell * 19. Juni 1942 in Surt, Libyen[1]) war nach einem Militärputsch 1969 bis 1979 Staatsoberhaupt von Libyen und bestimmt als selbsternannter Revolutionsführer ohne offizielles Mandat bis heute die Politik Libyens.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gaddafi entstammt einer Beduinenfamilie. Sein Vater war Mohammed Abdul Salam bin Hamed bin Mohammed Al-Gaddafi (Qadhafi), genannt Abu Meniar († 1985), seine Mutter Aisha Gaddafi († 1978).[2]

Gaddafi erhielt seine Offiziersausbildung in Großbritannien und gründete später, vom Panarabismus beeinflusst, den Bund Freier Offiziere. Mit diesem stürzte er 1969 König Idris durch einen Putsch und übernahm als Führer einer Militärjunta die Macht. In der Folgezeit formte Gaddafi das Königreich in einen sozialistischen Staat um. Er ging allerdings weitgehend eigene Wege. Das Land wurde fortan Sozialistische Libysch-Arabische Volks-Dschamahiriyya genannt. Gaddafi propagiert innenpolitisch das System der Volkskongresse als direkte Demokratie ohne Parlamentarismus. 1976 veröffentlichte er „Das Grüne Buch“, in dem er seine politischen Ziele darstellte.

Zugleich vertrat Gaddafi auch gewisse panarabische Ansätze. 1979 trat er offiziell von der Staatsführung zurück, ohne jedoch seinen beherrschenden Einfluss auf sämtliche Staatsgeschäfte zu verlieren. Seit 1973 befand sich Libyen im Konflikt mit dem Tschad, als Korrekturen der Grenzen zu Lasten des Tschads gefordert wurden. Trotz eines Waffenstillstandes 1987 zogen sich die libyschen Truppen erst 1994 aus dem nördlichen Tschad zurück.

Gaddafi setzt sich auch stark für die arabische Einheit ein. Verschiedene Unionspläne mit Ägypten oder den Maghrebstaaten konnten aber nicht verwirklicht werden (z. B. gescheiterte Union mit Tunesien 1974). Seit einigen Jahren versucht er, die afrikanische Einheit zu fördern. Die Afrikanische Union (AU), die auf Gaddafis Betreiben hin gegründet wurde und deren Vorsitzender er seit 2009 ist [3], hat die EU zum Vorbild und soll langfristig zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum in Afrika führen.

Er führte das Land in weitgehende Isolation gegenüber dem Westen, besonders den USA. 1986 gab US-Präsident Ronald Reagan den Befehl[4], Tripolis und Banghazi zu bombardieren, da Libyen Terroranschläge gegen US-Bürger unterstützt haben soll. Allerdings ließ er in den letzten Jahren wieder eine gewisse Öffnung zu. Gaddafi wurden Verbindungen mit dem internationalen Terrorismus nachgesagt. Er gilt als Unterstützer verschiedener bewaffneter Tuareggruppen in der südlichen Sahara (Mali, Niger), die in den frühen 90er Jahren und wieder verstärkt seit 2006 sowohl gegen Militärs kämpfen als auch Übergriffe auf die Zivilbevölkerung durchführen. Durch diese Unterstützung einerseits und der Rolle als Verhandlungsführer andererseits erhofft sich Gadaffi verstärkten Einfluss auf die Regierungen der betroffenen Länder.[5] [6]

Weniger bekannt ist, dass er auch dichtet. 1995 legte er sein belletristisches Erstlingswerk vor mit dem Titel: Das Dorf, das Dorf, die Erde, die Erde und der Selbstmord des Astronauten. In dem Bändchen finden sich zwölf Essays über das sozial entwurzelte Leben in der Großstadt, die Größe der göttlichen Schöpfung und die Tyrannei der Massen, die dazu neigen, ihre Führer in die Wüste zu schicken.[7] Im Februar 1996 misslang ein Bombenanschlag auf seine Eskorte, welcher das Ziel hatte ihn zu töten. Laut einem Zeitungsbericht der New York Times vom 5. August 1998 wurde der Anschlag mit 160.000 $ durch das MI6 unterstützt. Gaddafi blieb bei diesem Anschlag unverletzt, stattdessen wurden mehrere Gefolgsleute getötet. Gerüchten zufolge misslang der Anschlag weil die Agenten des MI6 die Bombe unter das falsche Auto platzierten.

Gaddafi baute einen Kult um seine Person auf. 1999 bekannte sich Gaddafi zur Schuld Libyens an dem Anschlag auf Pan-American-Flug 103 von 1988 über der schottischen Stadt Lockerbie; er lieferte die Attentäter aus und ließ den Hinterbliebenen der Opfer eine hohe Entschädigung zahlen. 2000 trat Gaddafi als Vermittler um das Geiseldrama auf der philippinischen Insel Jolo auf. 2003 gab Gaddafi bekannt, dass sein Land die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen betreibe, dass er aber bereit sei, dieses Programm aufzugeben. Gaddafis Verhältnis zum Westen hat sich seitdem stark verbessert. Im März 2004 besuchte ihn Tony Blair und durchbrach damit die lange Isolation Libyens. Im Oktober folgte Gerhard Schröder als erster deutscher Kanzler. Zum 37. Jahrestag seiner Machtübernahme rief Gaddafi im September 2006 öffentlich zur Ermordung politischer Gegner auf. Nach Bekanntwerden der Hinrichtung des irakischen Machthabers Saddam Hussein am 30. Dezember 2006 ordnete Gaddafi eine dreitägige Staatstrauer für sein Land an. Er will außerdem ein Monument errichten lassen, welches den gehängten Saddam Hussein zeigen und ihn als Märtyrer verherrlichen soll.

Am 10. Dezember 2007, dem Welttag der Menschenrechte[8], besuchte er nach 34 Jahren wieder Paris. Etwa 100 Personen demonstrierten auf dem Champ de Mars gegen seinen Besuch.[9] Die französische Journalistin Memona Hintermann, Chefreporterin von France 3, berichtete dem Fernsehsender Canal+, sie habe sich 1984 von Gaddafi in eine Militärbaracke bringen lassen, um dort ein Interview mit dem Staatschef durchzuführen. Dort habe er versucht, sie zu vergewaltigen.[10][11]

Am 2. Februar 2009 wurde er zum Präsidenten der Afrikanischen Union gewählt.

Kinder

Gaddafi am 7. Juni 1976

Gaddafi hat acht Kinder. Sein ältester Sohn ist Muhammad Gaddafi, er führt das Libysche Olympische Komitee an und besitzt alle Telekommunikationsunternehmen in Libyen.

Der nächstälteste Sohn ist Saif al-Islam al-Gaddafi. Er wurde 1972 geboren, ist Maler, und hat für einige Jahre in Wien studiert, wo er auch Kontakte mit dem österreichischen Politiker Jörg Haider knüpfte. Saif al-Islam hat sich um die Freilassung westlicher Geiseln, die von Islamisten entführt worden sind (etwa auf den Philippinen), bemüht. Weiterhin engagiert er sich im Umweltschutz.

Der drittälteste Sohn ist Al-Saadi Gaddafi, der mit der Tochter eines Militärkommandanten verheiratet ist. Er leitet die Libysche Football Federation und spielte im italienischen Fußballteam Udinese Calcio. Er hat ein Vermögen in der Ölindustrie und als Filmproduzent verdient.

Der viertälteste Sohn, Mutasim-Billah Gaddafi, war Oberstleutnant in der Libyschen Armee. Nach einem angeblichen Umsturzplan gegen seinen Vater floh er nach Ägypten. Gaddafi vergab ihm, und er kehrte zurück nach Libyen und wurde Sicherheitsberater und Anführer einer Einheit der Armee. Er und Saif Al Islam werden als mögliche Nachfolger ihres Vaters gehandelt.

Der fünftälteste Sohn, Motassim Bilal Gaddafi (genannt „Hannibal“), erlangte zweifelhaften Ruhm, als er mit 140 Kilometer pro Stunde die Pariser Champs Elysées entlang fuhr. Er war auch angeblich bei einer Reihe von gewalttätigen Zwischenfällen beteiligt. Er soll seine schwangere Freundin geschlagen haben und wurde im Juli 2008 zusammen mit seiner Frau in einem Genfer Hotel festgenommen. Nach zwei Tagen wurden Hannibal Gaddafi und seine Frau gegen Kaution freigelassen. Die Schweizer Justiz wirft dem Ehepaar Körperverletzung, Drohung sowie Nötigung zweier Hausangestellter vor.[12] Am 8. Oktober 2008 stellte Libyen die Erdöllieferungen an die Schweiz ein. Hinter der Aktion wird die Rache von Gadaffi vermutet. Der Lieferstopp wurde von Tamoil bestätigt. [13] Des Weiteren werden seit diesem Zeitpunkt zwei Schweizern die Ausreise aus Libyen verwehrt. Angeblich, weil sie gegen Aufenthaltsbestimmungen verstießen. [14] Außerdem wurde der Schweizer Fluggesellschaft "Swiss" verboten Tripolis anzufliegen. Aus technischen Gründen wegen des Umbaus des Flughafens, wie es offiziell von libyscher Seite hieß.[15] Am 26. Dezember 2008 droht Gaddafi mit neuen Sanktionen: Libyen verlangt von der Schweiz, dass sie zugibt, dass der im Juli verhaftete Gaddafi-Sohn völlig unschuldig ist. Ansonsten droht Tripolis mit wirtschaftlichen und diplomatischen Sanktionen. Falls die Schweiz nicht zusätzlich auch die Verantwortlichen bestrafe, werde Libyen "außerordentliche Maßnahmen" ergreifen, so das Aussenministerium. Weitere Angaben zu den möglichen Sanktionen machte das Ministerium nicht. [16]

Muammar al-Gaddafi hat noch zwei jüngere Söhne - Seif Al Arab (geb. 1982, studiert derzeit in München) und Khamis.

Gaddafi hat eine Tochter Ayesha Gaddafi, eine Anwältin, die sich dem Verteidigerteam von Saddam Hussein angeschlossen hatte. 2006 heiratete sie einen Cousin ihres Vaters.

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Gaddafis angebliche Adoptivtochter ist bei einem US-Luftangriff 1986 ums Leben gekommen. Wahrscheinlich wurde sie aber erst posthum von Gaddafi adoptiert.

Gerücht um seine Herkunft

Ein seit mindestens 1999 bekanntes Gerücht behauptet, Gaddafis Vater sei ein korsischer Flieger und Held der Résistance namens Albert Preziosi gewesen. Preziosi wurde bei einem kurzzeitigen Einsatz 1941 in Nordafrika abgeschossen, dort zeitweise von Beduinen versteckt und kam im Juli 1943 bei einem Abschuss an der russischen Front ums Leben.[17][18]

Siehe auch

Literatur

  • Muammar al Qaddafi: Das Grüne Buch. Verlag Siegfried Bublies, Koblenz 1990, ISBN 3-92658-402-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Spiegel Online: Gaddafis Familiengeschichte, 15. Februar 2008
  2. http://libyen.com/Land-Leute/Der-Revolutionsfuehrer-Muammar-al-Gaddafi
  3. taz: Gaddafi auf Afrikas Chefsessel, 02. Februar 2009
  4. Süddeutsche Zeitung: Libyscher Alt-Revolutionär auf Kurs nach Westen 12. September 2007
  5. taz: [http://www.taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/ sahara-frieden-auf-sand-gebaut Konflikte zwischen Tuareg und Mali Sahara-Frieden auf Sand gebaut] 28. August 2008
  6. afribone: Coopération: Khadafi à Mali 6. Januar 2009
  7. Die Welt: Muammar al-Gaddafi - wie ein Erzschurke sich zum Friedensbotschafter wandelt 17. Mai 2006
  8. n-tv: Geschäfte mit Todeskuss 10. Dezember 2007
  9. Focus: Al-Affi - Libyen hat niemals Terrorakte begangen 11. Dezember 2007
  10. Die Welt:Vor Gaddafi ist niemand sicher 14. Dezember 2007
  11. Libération: Je revois Kadhafi devant moi, menaçant de me flinguer 12. Dezember 2007
  12. swissinfo.ch
  13. http://www.20min.ch/news/dossier/gaddafi/story/24594289
  14. http://www.20min.ch/news/schweiz/story/Traurige-Weihnachten-in-Tripolis-17914682
  15. http://www.news.ch/Libyen+verbietet+Fluege+der+Swiss+nach+Tripolis/328810/detail.htm
  16. http://www.news.ch/Schlussbericht+Libyen+warnt+die+Schweiz/329055/detail.htm
  17. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,535626,00.html
  18. http://www.bakchich.info/article2675.html

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