Naltrexon

Naltrexon
Strukturformel
Strukturformel von Naltrexon
Allgemeines
Freiname Naltrexon
Andere Namen
  • IUPAC: (5R,9R,13S,14S)-17- Cyclopropylmethyl- 3,14-dihydroxy-4,5- epoxymorphinan-6-on
  • Latein: Naltrexonum
Summenformel
  • C20H23NO4 (Naltrexon)
  • C20H23NO4·HCl (Naltrexon·Hydrochlorid)
CAS-Nummer
  • 16590-41-3 (Naltrexon)
  • 16676-29-2 (Naltrexon·Hydrochlorid)
PubChem 5360515
ATC-Code

N07BB04

DrugBank DB00704
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Opioidantagonist, Antidot

Wirkmechanismus

Kompetitive Hemmung aller Opioidrezeptoren

Verschreibungspflichtig: Ja
Eigenschaften
Molare Masse 341,40 g·mol−1
Schmelzpunkt
  • 168–170 °C (Naltrexon) [1]
  • 274–276 °C (Naltrexon·Hydrochlorid)[2]
Löslichkeit

Wasser: 1,63 g·l−1 (25 °C) [1]

Sicherheitshinweise
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [3]
07 – Achtung

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
EUH: keine EUH-Sätze
P: keine P-Sätze [3]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [3]

Xn
Gesundheits-
schädlich
als Hydrochlorid
R- und S-Sätze R: 22
S: 22-36
LD50

551 mg·kg−1 (Maus s.c.) [1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Naltrexon ist ein verschreibungspflichtiger Arzneistoff und wie Naloxon ein reiner Opioidantagonist, der als kompetitiver Antagonist an allen Opioidrezeptoren wirkt.

Inhaltsverzeichnis

Anwendung

Opioidabhängigkeit

Naltrexon ist in Deutschland zur medikamentösen Unterstützung bei der psychotherapeutisch oder psychologisch geführten Entwöhnungsbehandlung Opioid-Abhängiger nach einer erfolgreichen Opioid-Entgiftung zugelassen. Nach systematischen Übersichtsarbeiten u.a. der Cochrane Collaboration ist allerdings die Datenlage für die Erhaltungstherapie bei Opioid-Abhängigen bislang unzulänglich, während es Belege für eine Wirksamkeit bei der Behandlung Alkoholabhängiger gibt.[4][5][6]

Gelegentlicher Cannabiskonsum scheint bei opioidabhängigen Personen im Gegensatz zu keinem oder andauerndem Konsum den Verbleib in einem Naltrexonprogramm zu begünstigen.[7]

Alkoholabhängigkeit

In den USA und zahlreichen europäischen Ländern ist Naltrexon bereits zur Alkoholrückfallprävention zugelassen. Unter dem Handelsnamen Adepend® (50 mg) wurde in Deutschland die Zulassung zur Reduktion des Rückfallrisikos, Unterstützung der Abstinenz und Minderung des Verlangens nach Alkohol (Craving) als Teil einer umfassenden Therapie am 17. Mai 2010 an das Pharmaunternehmen Desitin erteilt. Die Markteinführung erfolgte am 1. August 2010. Es ist damit das einzige Naltrexon-Präparat in Deutschland mit der Indikation Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit.[8]

Die Datenlage bei jüngeren Alkoholikern ist begrenzt.[9]

Andere

Off-Label wird Naltrexon mit Erfolg bei der Behandlung von selbstschädigendem Verhalten bei dissoziativen Störungen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen eingesetzt.[10] Auch bei selbstschädigendem Verhalten im Rahmen von Autismus und mentalen Entwicklungsstörungen wurde ein Nutzen von Naltrexon gesehen.[11]

Nebenwirkungen

Naltrexon kann ein akutes Entzugssyndrom auslösen, wenn der Behandelte vor Beginn der Therapie nicht mindestens sieben Tage opiatfrei ist. Es wird deshalb empfohlen, vor Behandlungsbeginn durch eine Urinprobe oder einen Test mit Naloxon die Opiatfreiheit zu überprüfen.

Als sehr häufige Nebenwirkungen sind Schlafstörungen, Angstzustände und gesteigerte Erregbarkeit beschrieben. Auch Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Kopfschmerzen treten sehr häufig auf. Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion geboten.

Bei gleichzeitigen Verwendung von Opiaten kann es zu einer tödlichen Überdosis durch verstärkte bzw. verlängerte Atemdepression kommen.

Abhängigkeit bzw. Toleranzentwicklungen sind bei Naltrexonbehandlungen bisher nicht beobachtet worden.

Wechselwirkungen

Während der Einnahme von Naltrexon sollten keine opioidhaltigen Medikamente (wie Codein oder Loperamid) eingenommen werden. In Notfallsituationen können Opioid-Analgetika nicht in der gleichen Weise wirksam sein, die Dosis muss erhöht werden. Dies kann zu Komplikationen führen.

Eigenschaften

150 mg/Tag blockieren den Effekt von 25 mg Heroin für circa 72 Stunden. Die Halbwertszeit der Opiatrezeptoren-Blockade liegt im allgemeinen zwischen 72 und 108 Stunden. (Bei einer Dosis von 50 mg pro Tag, jeden zweiten Tag eingenommen, sind nach 48 Stunden immer noch 70–80 % der Opiatrezeptoren blockiert.)

Low Dose Naltrexone (LDN)

Der Einsatz von geringen Dosen Naltrexon (engl.: low dose naltrexone) zur Therapie der multiplen Sklerose und einer Vielzahl anderer Erkrankungen wie Primärer biliärer Cholangitis, Morbus Crohn, HIV/AIDS, chronic fatigue syndrome, Amyotrophe Lateralsklerose, Fibromyalgie und Krebserkrankungen, wird aufgrund von Einzelbeobachtungen von Laien im Internet empfohlen. Eine Pilotstudie mit 40 Teilnehmern aus dem Jahr 2008 von Gironi et al. zeigte nach 6 Monaten eine signifikante Reduktion der Spastik, nur ein Patient zeigte eine fortschreitende neurologische Degenerierung. Die Autoren der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass LDN für MS-Patienten sicher in der Verwendung und gut verträglich ist [12]. Weitere Untersuchungen von LDN finden sich in 'The Promise of Low Dose Naltrexone Therapy.'[13]

Handelsnamen

Monopräparate: Adepend (D), Dependex (A), Ethylex (A), Naltrexin (A, CH), Nemexin (D, A), Revia (A) sowie Generika (D, A)

Einzelnachweise

  1. a b c Naltrexon bei ChemIDplus.
  2. The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 1101–1102, ISBN 978-0-911910-00-1.
  3. a b c Datenblatt Naltrexone hydrochloride bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 12. April 2011.
  4. Lobmaier P, Kornør H, Kunøe N, Bjørndal A: Sustained-release naltrexone for opioid dependence. In: Cochrane Database Syst Rev. Nr. 2, 2008, S. CD006140. doi:10.1002/14651858.CD006140.pub2. PMID 18425938.
  5. Minozzi S, Amato L, Vecchi S, Davoli M, Kirchmayer U, Verster A: Oral naltrexone maintenance treatment for opioid dependence. In: Cochrane Database Syst Rev. Nr. 1, 2006, S. CD001333. doi:10.1002/14651858.CD001333.pub2. PMID 16437431.
  6. Adi Y, Juarez-Garcia A, Wang D, et al.: Oral naltrexone as a treatment for relapse prevention in formerly opioid-dependent drug users: a systematic review and economic evaluation. In: Health Technol Assess. 11, Nr. 6, Februar 2007, S. iii–iv, 1–85. PMID 17280624.
  7. Wilfrid Noel Raby, PhD, MD, Kenneth M. Carpenter, PhD, Jami Rothenberg, PhD, Adam C. Brooks, PhD, Huiping Jiang, PhD, Maria Sullivan, MD, Adam Bisaga, MD, Sandra Comer, PhD, and Edward V. Nunes, MD: "Intermittent Marijuana Use Is Associated with Improved Retention in Naltrexone Treatment for Opiate-Dependence" Am J Addict. 2009 Jul–Aug; 18(4): 301–308. doi:10.1080/10550490902927785; PMC 2753886.
  8. Anton RF: Naltrexone for the management of alcohol dependence. In: The New England Journal of Medicine. 359, Nr. 7, August 2008, S. 715–721. PMID 18703474. Volltext bei PMC: 2565602. Abgerufen am 1. August 2010.
  9. Minozzi S, Amato L, Davoli M: Detoxification treatments for opiate dependent adolescents. In: Cochrane Database Syst Rev. Nr. 2, 2009, S. CD006749. doi:10.1002/14651858.CD006749.pub2. PMID 19370651.
  10. Gottfried Fischer, Peter Riedesser (2003): Lehrbuch der Psychotraumatologie. Ernst Reinhardt Verlag, S. 246.
  11. Symons FJ, Thompson A, Rodriguez MC: Self-injurious behavior and the efficacy of naltrexone treatment: a quantitative synthesis. In: Ment Retard Dev Disabil Res Rev. 10, Nr. 3, 2004, S. 193–200. doi:10.1002/mrdd.20031. PMID 15611982.
  12. Gironi M, Martinelli-Boneschi F, Sacerdote P, Solaro C, Zaffaroni M, Cavarretta R, Moiola L, Bucello S, Radaelli M, Pilato V, et al.: A pilot trial of low-dose naltrexone in primary progressive multiple sclerosis. In: Multiple Sclerosis. 14, Nr. 8, 2008, S. 1076-1083. doi:10.1177/1352458508095828.
  13. "The Promise of Low Dose Naltrexone Therapy: Potential Benefits in Cancer, Autoimmune, Neurological and Infectious Disorders", Moore, Elaine A.; Wilkinson Samantha; McFarland & Company, Inc., 2009 ISBN 978-0-7864-3715-3.

Weblinks

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