Neues Geistliches Lied

Neues Geistliches Lied

Mit Neues Geistliches Lied (NGL) wird ein musikalisches Genre bezeichnet, das folgende charakteristische Merkmale aufweist:

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Verschiedene Faktoren führten - vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg - zur Entstehung des Neuen Geistlichen Liedes. Zu nennen sind:

Kirchentage

1956 führt der Kirchenmusiker Helmut Barbe sein Musical „Hallelujah Billy“ auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Frankfurt am Main auf. In diesem Werk verwendet er erstmals Elemente aus der Jazz-Musik. Das Echo auf diese Aufführung war – vor allem bei jungen Menschen – sehr positiv.

Wettbewerbe

Richtungsweisend in der Geschichte des Neuen Geistlichen Liedes waren die vier Wettbewerbe der Evangelischen Akademie in Tutzing. Zum ersten, vom evangelischen Studentenpfarrer von München Günther Hegele initiierten Wettbewerb wurden 996 Beiträge eingesendet, die „dem von Jazz und Unterhaltungsmusik geprägten musikalischen Resonanzvermögen der Jugend entsprechen“ sollten.

1. Wettbewerb 1962
1. Preis: „Danke für diesen guten Morgen“, Text und Musik: Martin Gotthard Schneider
2. Preis: „Zeig uns den Weg“
Auszeichnung: „Uns ist ein Kind geboren“, „Lass uns spüren, dass du bist“
2. Wettbewerb 1963
1. Preis: „Weil du Ja zu mir sagst“, Text: Christine Heuser, Musik: Oskar Gottlieb Blarr
2. Preis: „Bleibe bei uns Herr!“ („Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“), Text und Musik: Martin Gotthard Schneider
3. Preis: „Lass uns spüren“, Text und Musik: Alfred Hans Zoller

1965 wird der Euphorie vieler Kirchenmusiker und Chöre zunächst Einhalt geboten. Der Kölner Erzbischof Kardinal Josef Frings untersagt die Verwendung von Jazz, Negro Spirituals und „geistlichen Schlagern“ in der Kirche. Wenig später, im Mai 1966, spricht sich auch die Deutsche (katholische) Bischofskonferenz gegen diese Art der Kirchenmusik aus.

Musicals und Pop-Oratorien

Neue Hoffnung schöpfen die Reformer, als 1968 das Musical „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“ von Andrew Lloyd Webber veröffentlicht wird. Als dann 1970 dessen Musical „Jesus Christ Superstar“ aufgeführt wird, setzen sich die Bemühungen nach zeitgemäßer Kirchenmusik fort.

Der Begriff „Sacropop“ – neue Kirchenmusik mit Stilmitteln moderner Popmusik – wurde 1971 von Peter Janssens geprägt. Dabei geht es nicht nur um gottesdienstliche Gebrauchsmusik, sondern auch um konzertante Großformen wie Musicals und Pop-Oratorien.

Liederbücher und Gesangbücher

Es erschienen in dieser Zeit auch bereits erste Liederbücher, etwa "Jericho", herausgegeben von Karl Natiesta und Tom Runggaldier (1970).

Ein wichtiger Beitrag zur Verbreitung neuer geistlicher Lied war das Liederbuch "Das Lob", das 1979 von Josef Mittermair (Pettenbach) erstmals aufgelegt wurde. Das Liederbuch sammelte die gesamte Bandbreite des vorhandenen neuen geistlichen Liedgutes: Die in "Beatmessen" verwendeten deutsch textierten Spirituals, Chansons von Maurice Cocagnac, Alfred Flury, Aimé Duval und Sœur Sourire, von Tonträgern und aus dem Radio "heruntergehörte" Lieder wie "Vater unser" von Giorgio Moroder und viele andere Lieder. Die Gen Rosso-Messe fand durch dieses Liederbuch Verbreitung, ebenso wie die Tiroler Jugend- und Kindermessen von Raimund Kreidl, und die auch heute noch gerne bei Erstkommunionen gesungene "Pfälzer Kindermesse" von Hartmut Wortmann. 2007 erschien dieses Liederbuch in der 12. Auflage (Gesamtauflage seit Beginn 150'000 Stück).

In der Zeit der DDR ab 1975 - und auch noch nach der Wende - konnte ein jährlich erscheinendes "Liedheft der Jugend zum Dreifaltigkeitssonntag" etabliert werden. Diese Liedersammlungen erscheinen auch heute noch jedes Jahr zum gleichen Zeitpunkt. Herausgeber ist inzwischen die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der deutschen Bischofskonferenz.

Endgültig etabliert hat sich das Neue Geistliche Lied durch die Aufnahme einzelner Lieder ins Evangelische Gesangbuch, das 1996 das Evangelische Kirchengesangbuch ablöste. Jetzt waren Lieder von Fritz Baltruweit, Paul Bischoff, Clemens Bittlinger, Siegfried Fietz, Thomas Knodel, Johannes Nitsch, Kurt Rommel, Manfred Siebald, Peter Strauch, Dieter Trautwein, Jürgen Werth, Oskar Gottlieb Blarr, Detlev Jöcker und Christoph Zehendner zumindest aus dem Regionalteil der offiziellen Gesangbücher nicht mehr wegzudenken. Im Bereich der evangelischen Kirchenmusik ist die Gattung des Neuen Geistlichen Liedes die zur Zeit produktivste Musikrichtung. Die Dichtung und Verbreitung immer neuer Stücke dieser Musikrichtung wird besonders durch den alle zwei Jahre stattfindenden Deutschen Evangelischen Kirchentag vorangetrieben.

Kritik innerhalb der römisch-katholischen Kirche

Innerhalb der römisch-katholischen Kirche kommt es immer wieder zur Kritik am Neuen Geistlichen Lied. Gegner dieser Gattung werfen dem sogenannten „NGL“ eine Profanierung des Mysteriums des katholischen Glaubens vor. Lieder wie „Ins Wasser fällt ein Stein“, „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer“ oder ähnliche Stücke entsprechen nach der Auffassung mancher katholischer Theologen nicht Charakter und Würde der katholischen Liturgie. Viele Lieder seien zwar für Katechesen geeignet, jedoch lasse sich aufgrund ihrer oftmals unliturgischen Texte für sie kein Platz im Gottesdienst finden.

Auch die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. haben wiederholt vor einer Banalisierung der Liturgie gewarnt. Allerdings ist diese Banalisierung nicht ausschließlich dem Liedgut anzulasten, sondern einer oft gedankenlosen Liedauswahl und einer manchmal minderwertigen Liedqualität. Gottesdienstliche Musik darf für Papst Benedikt XVI. „keine banalisierte Massenmusik sein“, sie muss „geschichtlich bewährte Musik“ sein. Sie muss sich „sowohl an den liturgischen Texten orientieren als auch sich am Gregorianischen Choral und an Palestrina messen lassen können“.[1] Daraus ergeben sich für Papst Benedikt XVI. weitreichende normative Vorgaben für die Musica sacra, die wahre Kirchenmusik: „Musik, die der Anbetung in Geist und Wahrheit dient, kann nicht rhythmische Ekstase, nicht sinnliche Suggestion oder Betäubung, nicht subjektive Gefühlsseligkeit, nicht oberflächliche Unterhaltung sein“. Kirchliche Rock- oder Popmusik wird von ihm daher vehement zurückgewiesen und Popmusik als „Gegenreligion“ bezeichnet. Denn ihr liege eine Ideologie der Selbstbefreiung zugrunde, die dem christlichen Menschenbild zutiefst widerspreche. „Es handelt sich um Erlösungspraktiken, deren Form der Erlösung dem Rauschgift verwandt und dem christlichen Erlösungsglauben von Grund auf entgegengesetzt ist.“[2]

Andererseits hat sich das Neue Geistliche Lied in der katholischen Kirche als gültige Ausdrucksform des Glaubens etabliert. Einige Diözesen unterhalten eigene Stellen zur Pflege des Neuen Geistlichen Liedes als eine Form der Kirchenmusik. Auch im Gotteslob und dessen Diözesanteilen finden sich Elemente aus dem Bereich des NGL.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Peter Bubmann, Papst Benedikt XVI. als Musiktheologe, in: Musik und Kirche, Heft 4/5, Jahrgang 2005, Bärenreiter-Verlag Kassel
  2. Joseph Ratzinger, zitiert in: Peter Bubmann, Papst Benedikt XVI. als Musiktheologe, in: Musik und Kirche, Heft 4/5, Jahrgang 2005, Bärenreiter-Verlag Kassel

Literatur

  • Peter Hahnen: Das Neue Geistliche Lied als zeitgenössische Komponente christlicher Spiritualität. 2. Auflage. LIT-Verlag, Münster 2003, ISBN 3-8258-3679-7
  • Peter Hahnen: Liederzünden! Theologie und Geschichte des Neuen Geistlichen Liedes. 1. Auflage. Verlag Haus Altenberg 2009, ISBN 978-3-7761-0236-9
  • Rene Frank: Das Neue Geistliche Lied - Neue Impulse für die Kirchenmusik. Tectum, Marburg 2003, ISBN 3-8288-8573-X
  • Dorothea Monninger (Red.): Neue Geistliche Lieder. Töne – Texte – Temperamente. Arbeitsstelle Gottesdienst der EKD, Informations- und Korrespondenzblatt, 16. Jg. 2-2002
  • Peter Deckert: LITERATUR zum Neuen Geistlichen Lied. Bücher, Zeitschriftenartikel, Examensarbeiten zum Thema „Neues Geistliches Lied (NGL) - Sacro-Pop - Religiöse Popularmusik“. Köln 1975-2010. (Downloadadresse: http://www.ngl-deutschland.de/download/Literaturliste-NGL_2010.pdf)
  • Bernward Hofmann (Zusammenstellung): Troubadour für Gott - Neue Geistliche Lieder. 6. Auflage. Kolping-Bildungswerk Diözesanverband Würzburg e.V., Würzburg 1999

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