Odenwaldlimes

Odenwaldlimes

Vermutlich im Jahre 98 n. Chr. ließ Kaiser Trajan unmittelbar nach seinem Regierungsantritt das römische Einflussgebiet rechts des Rheins zwischen Mainz und Straßburg durch den Neckar-Odenwald-Limes markieren und sichern. Diese Grenze bestand etwa 60 Jahre lang. Die Odenwaldlinie des Neckar-Odenwald-Limes begann südlich des Kastells Obernburg und endete nahe der Kochermündung gegenüber von Bad Wimpfen am Neckar. Dieser Streckenabschnitt von rund 70 km Länge wurde mit etwa 80 Wachtürmen gesichert.

Im nördlichen Abschnitt, also im Odenwald selbst, war dieser Limes nur mit sechs kleineren Kastellen in sehr regelmäßigen Abständen von durchschnittlich knapp sechs Kilometern gesichert. Diese sog. Numeruskastelle boten Platz für rund 150 Mann.

Römisches Bad in Neckarburken

In seinem mittleren, schnurgeraden Abschnitt war der Neckar-Odenwald-Limes durch zwei Kohortenkastelle gesichert, sie lagen in Oberscheidental/Mudau und Neckarburken/(Elztal (Odenwald). Im Kastell Oberscheidental lag wahrscheinlich die berittene cohors I Sequanorum et Rauracorum equitata, die mit der Vorschiebung des Limes um 159 n. Chr. nach Miltenberg verlegt wurde. Die Besatzung des Kohortenkastells in Neckarburken bestand während der Steinbauphase aus der Cohors III Aquitanorum equitata civium Romanorum, die um 159 n. Chr. nach Osterburken verlegt wurde. Über die ihr vorausgehende Einheit des Holz-Erde-Kastells ist nichts bekannt.

Weiter südlich, entlang des Neckars, sicherten Kastelle in Bad Wimpfen, Heilbronn-Böckingen, Walheim, Benningen, Cannstatt und Köngen. In Köngen zweigte der Lautertal-Limes vom Neckar-Odenwald-Limes ab und führte nach Donnstetten (Clarenna). Die Neckarlinie selbst fand ihre südliche Fortsetzung in den Kastellen von Rottenburg, Sulz, Waldmössingen und Rottweil und schloss beim Kastell Hüfingen an die ältere Donaulinie des Rätischen Limes an.

Mit der Verlegung der Grenze um etwa 30 Kilometer nach Osten auf die Linie des Obergermanischen Limes um das Jahr 159 n. Chr. verlor der Neckar-Odenwald-Limes seine Bedeutung.

Laut Ammianus Marcellinus (17,1,11) wurde eine von ihm als "Munimentum Traiani" bezeichnete alte Befestigung um 360 unter Julian im Zuge seiner Strafexpeditionen auf rechtsrheinisches Gebiet gegen die aufständischen Alamannen noch einmal für kurze Zeit teilweise wieder aufgebaut oder instandgesetzt. Einige Forscher sind der Ansicht, dass sich Ammian dabei auf den alten Limes bezieht.

Inhaltsverzeichnis

Zur Datierung

Bis in die 1990er Jahre wurde die Entstehung des Neckar-Odenwald-Limes überwiegend auf die Zeit nach der Beendigung der Chattenkriege unter Kaiser Domitian um die Jahre 85/90 n. Chr. datiert. In der neueren Forschung gibt es Stimmen, die zu einer Datierung erst unter Kaiser Trajan tendieren. In diesem Falle wäre nahezu sicher vom Jahr 98 als Entstehungsjahr auszugehen, weil der (Aus-)Bau der römischen Fernstraße MainzBad CannstattKöngenAugsburg für dieses Jahr durch Inschriftenfunde zuverlässig belegt ist und die sichere Beherrschung dieses Raums voraussetzte. Der Ausbau des Neckar-Odenwald-Limes durch hölzerne und steinerne Wachtürme usw. hat dann freilich noch viele Jahre in Anspruch genommen.

Während die Linie Odenwald-Neckar-Donnstetten dieser Hypothese zufolge erst unter Trajan befestigt worden wäre, gab es womöglich dennoch schon einige Jahre zuvor eine römische Militärpräsenz am Neckar. Im Jahre 1982 wurde in Walheim ein Numeruskastell entdeckt, dessen Gräben bereits kurz vor 100 n.Chr. wieder zugeschüttet worden sein sollen, nachdem es einige Jahre lang bestanden hatte.

Dieses frühe Kleinkastell von Walheim wirft einige ungelöste Fragen auf:

  • Falls der mittlere Neckarraum damals noch nicht sicher unter römischer Kontrolle gestanden hätte, wäre es gefährlich gewesen, eine so kleine Einheit von nur rund 200 Mann isoliert tief im Feindesland und weit entfernt von der nächsten römischen Truppe zu stationieren. Solche exponierten Stellungen waren sonst eher mit den hundertmal größeren Legionen belegt, vgl. das 1992 entdeckte Legionskastell von Marktbreit.
  • Falls dieser Raum im ausgehenden 1. Jahrhundert aber bereits fest in römischer Hand gewesen sein sollte, ist unklar, warum bisher Vergleichsfunde fehlen. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass das heutige Südwestdeutschland in den Jahrzehnten vor der römischen Eroberung extrem dünn besiedelt war. Die keltische Besiedelung scheint mit dem Ende der La-Tène-Zeit im späten 2. Jahrhundert v. Chr. zu enden, Germanen kamen erst mit dem Fall des Limes ab 260 n. Chr. Warum das recht fruchtbare Land fast 200 Jahre lang kaum besiedelt war und warum die Römer dennoch lange zögerten, das offenbar herrenlose Land in Besitz zu nehmen, ist bislang ungeklärt. Immerhin wird der archäologische Befund weitgehender Siedlungsleere vom römischen Schriftsteller Tacitus bestätigt, der in seiner Germania berichtet, dass die Wohngebiete der Germanen mit breiten Streifen unbesiedelten Landes umgeben waren.

Sehenswertes

Den Odenwald-Limes kann man besonders gut zu Fuß erkunden. Viele Wachtürme sind in den Fundamenten heute noch erhalten. Unter den Kastellen ist das Numerus-Kastell Schloßau (Gemeinde Mudau) besonders zu erwähnen. Von ihm selbst, das am Ende des 19. Jahrhunderts von der Reichs-Limes-Kommission ergraben wurde, ist im Gelände zwar nichts zu sehen, aber es ist das erste seiner Art, bei dem ein Kastelldorf (Vicus) großflächig ergraben werden konnte (ab 2003). Wenig südwestlich davon liegt das Kohorten-Kastell Oberscheidental mit seinem zu Beginn des 20. Jahrhunderts rekonstruierten Süd-Tor. Die Schanze ist an der Geländeform noch heute erkennbar und als Grabungsschutzgebiet weitestgehend unbebaut.

Insgesamt weiß man in diesem Limesabschnitt von folgenden Kastellen:

Odenwaldlinie

Kastell ORL Ort sichtbarer Zustand
Kastell Seckmauern 46b Lützelbach-Seckmauern kaum sichtbare Bodenspuren
Kastell Lützelbach 46 Lützelbach - Lützel-Wiebelsbach deutliche Spuren
Kleinkastell Windlücke Lützelbach-Haingrund keine Spuren
Kastell Hainhaus 47 Michelstadt-Vielbrunn deutliche Bodenspuren
Kastell Eulbach 48 Michelstadt-Jagdschloss Eulbach schwache Spuren im Gelände, Rekonstruktionen im Eulbacher Park
Kastell Würzberg 49 Michelstadt-Würzberg Kastell: deutliche Spuren, Bad: konserviert, teilrekonstruiert
Kastell Hesselbach 50 Hesseneck-Hesselbach deutliche Bodenspuren
Kleinkastell Zwing Hesseneck-Hesselbach rekonstruiertes Fragment
Kleinkastell Seitzenbuche Mudau-Schloßau schwache Bodenspuren
Kastell Schloßau 51 Mudau-Schloßau schwache Bodenspuren
Kastell Oberscheidental 52 Mudau-Scheidental deutliche Geländespuren und konserviertes Südtor
Kleinkastell Robern Fahrenbach-Robern konserviert
Kleinkastell Trienz Fahrenbach-Trienz überbaut
Kastelle von Neckarburken (2) 53 Elztal-Neckarburken teilkonserviert
Uferkastell Duttenberg Bad Friedrichshall-Duttenberg keine Spuren
Kleinkastell Kochendorf Bad Friedrichshall-Kochendorf nur auf Luftbildern erkennbar



Neckarlinie

Kastell ORL Ort sichtbarer Zustand
Kastell Wimpfen im Tal 54/55 Bad Wimpfen-Wimpfen im Tal überbaut
Kastell Heilbronn-Böckingen 56 Heilbronn - Böckingen kleine archäologische Zone im Vicusbereich, ansonsten überbaut
Kastelle von Walheim (2) 57 Walheim konservierter und überdachter Teilbefund im „Museum Römerhaus“
Kastell Benningen 58 Benningen am Neckar Bodenverformungen
Kastell Stuttgart-Bad Cannstatt 59 Stuttgart-Bad Cannstatt überbaut
Kastell Köngen (Grinario) 60 Köngen „Römerpark“ mit teilrekonstruiertem Befund


Siehe auch


Literatur

  • Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 4., völlig neu bearb. und erw. Aufl. Berlin: Gebr. Mann, 2000. ISBN 3-7861-2347-0
  • Dietwulf Baatz: Kastell Hesselbach und andere Forschungen am Odenwaldlimes. Limesforschungen Band 12. Berlin: Gebr. Mann, 1973. ISBN 3-7861-1059-X
  • Dietwulf Baatz und Fritz-Rudolf Hermann: Die Römer in Hessen. Hamburg: Nikol, 2002. ISBN 3-933203-58-9
  • Philipp Filtzinger (Hrsg.): Die Römer in Baden-Württemberg. 3. Aufl. Stuttgart: Theiss, 1986. ISBN 3-8062-0287-7
  • Anne Johnson: Römische Kastelle des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. in Britannien und in den germanischen Provinzen des Römerreiches. Mainz: Philipp von Zabern, 1987. (Kulturgeschichte der antiken Welt, Bd. 37). ISBN 3-8053-0868-X
  • Dieter Planck (Hrsg.): Die Römer in Baden-Württemberg. Theiss, Stuttgart, 2005. ISBN 3-8062-1555-3
  • Egon Schallmayer: Der Odenwaldlimes. Stuttgart: Theiss, 1984. ISBN 3-8062-0328-8

Weblinks

Siehe auch


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