Otto Hirsch

Otto Hirsch

Otto Hirsch (* 9. Januar 1885 in Stuttgart; † 19. Juni 1941 im Konzentrationslager Mauthausen) war ein süddeutscher Jurist und Politiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Otto Hirsch wird als Sohn des jüdischen Weingroßhändlers Louis Hirsch und seiner Frau Helene geb. Reis geboren. Er besucht in Stuttgart die Schule und studiert von 1902 bis 1907 in Heidelberg, Leipzig, Berlin und Tübingen Rechtswissenschaften. Im Jahr 1903 unterbricht er sein Studium, um seinen Wehrdienst abzuleisten, und wird nach einer Reserveübung 1905 zum Vizefeldwebel befördert. Der Aufstieg zum Reserveoffizier ist ihm als Jude nicht möglich.

In den Jahren 1907 bis 1911 absolviert er sein Referendariat in Stuttgart und legt 1911 sein zweites Staatsexamen ab. 1912 tritt er als Ratsassessor in die Stuttgarter Stadtverwaltung ein.

Am 14. Mai 1914 heiratet er Martha Loeb, mit der er in den nächsten Jahren drei Kinder hat.

Wirken

Aufgrund wichtiger Aufgaben in der Stuttgarter Stadtverwaltung wird er im Ersten Weltkrieg für unabkömmlich erklärt und wird nicht zum Kriegsdienst eingezogen.

Nach der Novemberrevolution wird er als Berichterstatter ins württembergische Innenministerium berufen. Von hier wird er nach Weimar entsandt, um an den Paragraphen 97-100 zu Themen der Wasserstraßen der Weimarer Reichsverfassung mitzuwirken. Im Jahr 1921 wird Hirsch Württembergs jüngster Ministerialrat.

Als er noch im gleichen Jahr zum ersten Vorstandsmitglied der Neckar AG berufen wird, die den Bau des Neckarkanals betreibt, wird er für diese Aufgaben vom Staatsdienst beurlaubt. Im Jahr 1926 beantragt er, nachdem die Finanzierung des Projektes gesichert ist, seine Entlassung aus dem württembergischen Staatsdienst.

Gemeinsam mit dem Fabrikanten Leopold Marx und dem Musikwissenschaftler Karl Adler gründet er das Stuttgarter jüdische Lehrhaus, in welchem nach dem Vorbild des Frankfurter Lehrhauses assimilierte und orthodoxe Juden gemeinsam lernen sollen. Großer Wert wird auch auf den hebräischen Sprachunterricht gelegt; das Haus dient auch als Austauschstätte zwischen Juden und Christen. 1930 wird Hirsch zum Präsidenten des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg gewählt.

Im Jahr 1933, nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, muss Hirsch seinen Posten bei der Neckar AG aufgeben. Als Präsident des Oberrats äußert er seinen Protest gegen die Auswirkungen der Machtergreifung und organisiert jüdische Selbsthilfe.

Er gehört zu den Gründern der Reichsvertretung der Deutschen Juden und wird zu deren leitenden Vorsitzenden ernannt; Präsident der Reichsvertretung wird Leo Baeck. In dieser Funktion siedelt Hirsch nach Berlin über. Um sich seinen Aufgaben voll widmen zu können, wird er als Präsident des Oberrates zunächst beurlaubt und legt später sein Amt nieder.

Im Jahr 1935 wird Hirsch, der als einer der Hauptvertreter der deutschen Juden gilt, erstmals von der Gestapo verhaftet, aber bald wieder freigelassen. Ende 1935 folgt ihm seine Familie nach Berlin nach.

Im Juli 1938 repräsentiert Hirsch die deutschen Juden auf der von Franklin D. Roosevelt einberufenen internationalen Flüchtlingskonferenz in Évian in Frankreich. Er setzt seine Proteste in Berlin fort. Kurz nach der Reichspogromnacht wird er nach erneuten Protesten gegen die Brandstiftungen verhaftet und für zwei Wochen im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert. Nach seiner Freilassung konzentriert sich seine Arbeit vor allem auf die Hilfe zur Emigration für Juden.

Im Juli 1939 wird die Reichsvertretung der Deutschen Juden zwangsweise in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland überführt. Die Sicherheitspolizei ernennt Hirsch, Baeck und andere zum Vorstand. Die Arbeitsbedingungen werden mit Beginn des Krieges immer schwieriger. Dennoch können bis zum Auswanderungsverbot im Oktober 1941 zahlreiche Auswanderungsmöglichkeiten eröffnet werden.

Am 16. Februar 1941 wird Otto Hirsch ohne Angabe von Gründen inhaftiert. Er wird am 23. Mai im Konzentrationslager Mauthausen interniert, wo er nach offiziellen Angaben am 19. Juni 1941 stirbt. Die genauen Umstände seines Todes bleiben unbekannt.

Ehrungen

Gedenkplatte vor dem Hedelfinger Friedhof

Zur Eröffnung des Stuttgarter Hafens am 31. März 1958 tauft die Stadt Stuttgart die Brücken, die Hedelfingen und Obertürkheim verbinden, in Otto-Hirsch-Brücken.

Am 9. Januar 1985 wird ein Gedenksteins für Otto Hirsch an der Otto-Hirsch-Brücke in Hedelfingen enthüllt. Dieser Gedenkstein wird 2007 vor die Friedhofsmauer in Hedelfingen versetzt. Er erinnert daran, wer Otto Hirsch war. Mitte 2007 eröffnete direkt gegenüber das „Otto-Hirsch-Center“, ein neues Orts-, Büro- und Einkaufszentrum für Hedelfingen.

Otto-Hirsch-Medaille

Seit 1985 wird von der Stadt Stuttgart gemeinsam mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Stuttgart e.V. und der Israelitischen Religionsgemeinschaft jährlich die Otto-Hirsch-Medaille an Persönlichkeiten verliehen, die sich um die christlich-jüdische Zusammenarbeit verdient gemacht haben. Unterstützung erhält die Auszeichnung von Hans Georg Hirsch (* 8. August 1916), dem heute in Maryland, USA lebenden Sohn von Otto Hirsch. Die Stadt führt eine Liste der Preisträger[1].

Literatur

  • Paul Sauer: Für Recht und Menschenwürde. Lebensbild von Otto Hirsch (1885-1941). Gerlingen 1985

Weblinks

Notizen

  1. siehe Bezugsartikel

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