Schweizer Bundesrat

Schweizer Bundesrat
Der erste Bundesrat der Schweiz, gewählt am 16. November 1848

Der Schweizerische Bundesrat (franz. Conseil fédéral suisse, ital. Consiglio federale svizzero, rätoroman. Cussegl federal svizzer) ist die oberste exekutive Behörde und damit die Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. In der Schweizer Bundesverfassung ist er als die «oberste leitende und vollziehende Behörde des Bundes» (gemäss Art. 174 BV) definiert. Die einzelnen Mitglieder werden ebenfalls «Bundesrat» oder «Bundesrätin» genannt; falls es aus sprachlichen Gründen nötig ist, zwischen der Behörde und dem einzelnen Mitglied zu unterscheiden, nennt man erstere auch «Gesamtbundesrat».

Der Bundesrat unterscheidet sich teilweise erheblich von den Exekutiven, wie sie in anderen Demokratien bestehen: Es handelt sich um eine sogenannte Kollegialbehörde (Artikel 177, Absatz 1 der Bundesverfassung: «Der Bundesrat entscheidet als Kollegium»). Diese setzt sich aus sieben völlig gleichberechtigten, von der Vereinigten Bundesversammlung fest auf vier Jahre gewählten Mitgliedern zusammen. Der Bundesrat «als Ganzes» (und nicht der Bundespräsident) ist zugleich nicht nur Regierungsgremium, sondern faktisch auch das Staatsoberhaupt der Schweiz; dabei beruht diese Funktion nicht auf einer expliziten Verfassungsbestimmung – die Verfassung definiert kein Staatsoberhaupt –, sondern darauf, dass dem Bundesrat gemäss seiner verfassungsrechtlichen Definition faktisch alle Aufgaben zugewiesen sind, die in anderen Staaten dem Staatsoberhaupt zukommen. Es ist im internationalen Vergleich sehr ungewöhnlich, dass ein Kollektiv als Staatsoberhaupt fungiert.

Bei der Schaffung des Bundesrates dienten das französische Direktorium der Revolutionszeit und antike griechische Behörden (→Archonten) als Vorbild.

Inhaltsverzeichnis

Wahl

Hauptartikel: Bundesratswahlen

Alle vier Jahre – jeweils in der ersten Session des vom Volk neu gewählten Nationalrates, also zu Beginn dessen vierjähriger Legislaturperiode – findet eine Gesamterneuerungswahl des Bundesrates statt. Dazwischen werden jährlich von der Vereinigten Bundesversammlung aus den Bundesratsmitgliedern der Präsident und der Vizepräsident des Bundesrates für das kommende Jahr bestimmt. Falls ein einzelner Bundesrat vor Ablauf der Amtszeit zurücktritt, wird – unter Umständen auch in einer Sondersession – ein Nachfolger gewählt, der aber nur bis zur nächsten Gesamterneuerungswahl gewählt ist.

Wählbar ist grundsätzlich jeder stimmberechtigte Schweizer Bürger. Bei jeder Wahl melden sich ein paar (mehr oder weniger «ernsthafte») Bewerber aus dem «gewöhnlichen Volk». Im Laufe der Geschichte hat sich jedoch ein nicht leicht darzustellendes Wahlverfahren mit zahlreichen geschriebenen und ungeschriebenen Regeln entwickelt, dessen Ziel eine möglichst ‹gerechte›, ausgewogene Vertretung der Bevölkerung im Sinne der schweizerischen Konkordanzdemokratie ist.

Das Verfahren wird durch den Artikel 175 in der Bundesverfassung beschrieben:

Art. 175 Zusammensetzung und Wahl

1 Der Bundesrat besteht aus sieben Mitgliedern.
2 Die Mitglieder des Bundesrates werden von der Bundesversammlung nach jeder Gesamterneuerung des Nationalrates gewählt.
3 Sie werden aus allen Schweizerbürgerinnen und Schweizerbürgern, welche als Mitglieder des Nationalrates wählbar sind, auf die Dauer von vier Jahren gewählt.
4 Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind.

Departementsprinzip

Die sieben Bundesräte regieren eigentlich gemeinsam über alle Geschäfte, aber in der Praxis stehen sie als «Departementsvorsteher» je einem Bereich der Bundesverwaltung (→Departement) vor (Departementalprinzip) und sind dadurch vergleichbar mit Ministern anderer Länder; umgangssprachlich bzw. in den Medien ist die Bezeichnung «Minister» für die Departementsvorsteher auch üblich. Einen Regierungschef mit Richtlinienkompetenz gibt es aber explizit nicht. Die Verteilung der Departemente wird jeweils nach der Bundesratswahl durch die Bundesräte selber vorgenommen, es gibt kein Mitwirkungsrecht des Parlaments. Dabei wird nach dem «Anciennitätsprinzip» vorgegangen: Der amtsälteste Bundesrat wählt zuerst sein Departement, anschliessend der Zweitälteste und so weiter. Dem neugewählten Bundesrat wird das verbleibende Departement zugeteilt. Darüber hinaus sind jedoch alle Bundesräte auch für sämtliche Geschäfte der anderen Departemente mit zuständig und haben dadurch erhebliche Mitsprache- und Einflussmöglichkeiten.

Liste der Departemente und der aktuell zuständigen Bundesräte

Die Verteilung der Departemente ändert sich nicht bei der Wahl eines Bundesrates, sondern erst am Anfang des darauffolgenden Jahres. Ein zurückgetretener oder abgewählter Bundesrat behält sein Departement bis zum Ende seiner Amtszeit, die normalerweise bis zum Ende des Kalenderjahres dauert.

Im Januar 2009 lag das Durchschnittsalter im Bundesrat bei über 59 Jahren.

Der Bundesrat wird durch die Bundeskanzlerin Corina Casanova unterstützt. Diese leitet die Bundeskanzlei, die Stabsstelle des Bundesrates.

Bundespräsident und Vizepräsident

Die Vereinigte Bundesversammlung wählt aus den sieben Bundesräten den Bundespräsidenten sowie den Vizepräsidenten des Bundesrates für eine Amtsdauer von einem Jahr. Gemäss Tradition werden diese Positionen der Reihe nach allen Mitgliedern des Bundesrates übertragen. Ein neues Bundesratsmitglied wird üblicherweise erst zum Vizepräsidenten und anschliessend zum Bundespräsidenten gewählt, nachdem es unter dem Präsidium aller amtsälteren Kollegen gewirkt hat. Der Bundespräsident hat als erster unter Gleichen (→ primus inter pares) keine erweiterten Rechte, sondern erfüllt Repräsentationsaufgaben als Stellvertreter des Gesamtbundesrates und leitet die Bundesratssitzungen. Insbesondere ist der Bundespräsident nicht das Staatsoberhaupt der Schweiz, obwohl er international oft so wahrgenommen wird. Im Jahr 2009 ist Hans-Rudolf Merz Bundespräsident und Doris Leuthard Vizepräsidentin.

Kollegialitätsprinzip

Die Beschlüsse des Bundesrates werden durch das Kollegium mit Mehrheitsentscheid getroffen und müssen dann vom zuständigen Departementsvorsteher vor Parlament und Öffentlichkeit auch dann vertreten werden, wenn dieser den getroffenen Entscheid eigentlich ablehnt (→ Kollegialitätsprinzip). Dabei regelt die Bundesverfassung im Grunde nur die Form der Entscheidungsfindung (Artikel 177 Absatz 1: «Der Bundesrat entscheidet als Kollegium.»), ohne sich zur Handhabung des Prinzips sonst, insbesondere zum Verhalten der Mitglieder des Bundesrats nach getroffenen Entscheiden, weiter zu äussern. Seit altersher wurde es ausnahmsweise als zulässig erachtet, dass ein Bundesrat eine vom Gesamtbundesrat abweichende Meinung öffentlich kundtut, wenn er sich auf Gewissensgründe beruft und die Entscheidung nicht unter der Bearbeitung des eigenen Departement fällt. Es ist in letzter Zeit jedoch immer öfter zu beobachten, dass einzelne Bundesräte Entscheide des Kollegiums mehr oder weniger offen zu desavouieren versuchen. So werden Sinn und Unsinn des Kollegialitätsprinzips auch immer wieder in den Medien und in politischen Gremien thematisiert.

Stellung und Kompetenzen

Bedeutsame Unterschiede zwischen Regierungsmitgliedern anderer Länder und den Schweizer Bundesräten bestehen darin, dass ein Bundesrat zugleich noch Teil des Staatsoberhauptes ist, und dass es keinen richtigen Regierungschef mit Weisungsbefugnis oder wenigstens Richtlinienkompetenz gibt. Dazu kommt die Tatsache, dass ein Bundesrat auf eine Periode von vier Jahren fest gewählt ist. Der Bundespräsident hat im Vergleich zu den übrigen Bundesräten selbst im äussersten Fall nur den Stichentscheid bei einer sonst unentschiedenen Abstimmung im Gesamtbundesrat.

Da ein parlamentarisches Misstrauensvotum in der Verfassung nicht vorgesehen ist, können Bundesräte während der Legislaturperiode nicht abgesetzt werden. Auch eine Nichtwiederwahl eines amtierenden Bundesrates ist nicht üblich und geschah seit 1848 erst viermal, in jüngster Zeit wurden am 10. Dezember 2003 Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold und am 12. Dezember 2007 Bundesrat Christoph Blocher nicht wiedergewählt. Daraus ergibt sich auch eine sehr lange Amtsdauer der Bundesräte (rund 10 Jahre im Durchschnitt). Die längstdienenden Bundesräte im 20. Jahrhundert waren Giuseppe Motta von 1911 bis 1940 und Philipp Etter von 1934 bis 1959. Da Bundesräte also de facto nicht abgesetzt werden und den Termin ihres Rücktritts nach eigenem Gutdünken bestimmen, haben sie eine viel stärkere Stellung inne als die Minister in anderen Ländern. Diese Macht wird allerdings eingeschränkt durch die direktdemokratischen Instrumente (→ Initiative/Referendum) und die vertikale Gewaltentrennung (→ Föderalismus).

Gemäss dem Schweizer Parlamentsgesetz kann ein Bundesrat nicht zugleich Mitglied des Parlaments sein.[1] Trotzdem gehören die Bundesräte üblicherweise dem Fraktionsvorstand ihrer eigenen Partei an und nehmen an den Fraktionssitzungen mit beratender Stimme teil, dürfen aber – im Gegensatz zu Fraktionsmitgliedern – weder Anträge stellen noch abstimmen.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Art. 14, Bst. a Art. 14 Parlamentsgesetz

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