Paul Albrecht

Paul Albrecht

Paul Albrecht (* 7. Februar 1902 in Erfurt; † 22. Mai 1985 in Halle (Saale))) war ein deutscher Politiker (KPD, SED).

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Weimarer Republik und Zeit des Nationalsozialismus

Paul Albrecht wurde als Sohn eines Arbeiters und einer Wäscherin geboren. Er besuchte die Volksschule in Erfurt. Anschließend erlernte er dort den Beruf des Werkzeugschlossers. Nach der Beendigung seiner Lehre 1919 trat Albrecht dem Deutschen Metallarbeiterverband (DMV) bei. In den folgenden Jahren arbeitete er in Betrieben in Erfurt und Berlin. Seit 1918 engagierte sich Albrecht in der proletarischen Jugendbewegung. 1919 trat er in die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) ein. Politische Aktivitäten zeigte Albrecht unter anderem, als er sich 1920 am Kampf gegen den Kapp-Putsch beteiligte und Zugführer der 1. Volkswehrarmee Gotha wurde.

In der Weimarer Republik stand Albrecht zunächst den Ideen des Anarchismus und des Anarchosyndikalismus nahe. Zeitweise gehörte Albrecht einem Berliner Anarchisten-Kreis an, in dem unter anderem auch Erich Mühsam und Herbert Wehner verkehrten und in dem er seine spätere Ehefrau Liesel Albrecht (1903–1990) kennenlernte. 1921 trat er in die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) ein und aus dem DMV aus. Unter dem Pseudonym „Karl Keiderling“ veröffentlichte er in der Zeitschrift Junge Anarchisten. Obwohl Albrecht zu dieser Zeit „feurig von der freien Liebe und dem Tod der Ehe“ predigte und von deswegen von Kritikern und Freunden spöttisch „Sittenpaul“ genannt wurde,[1] heiratete er Liesel, als diese schwanger wurde. Die Ehe wurde später zwar wieder geschieden, beide blieben einander jedoch freundschaftlich verbunden.[1] Dies dokumentiert sich etwa in dem Umstand, dass Liesel Albrecht, die nach der Scheidung den Namen ihres Ex-Mannes beibehielt, während der Nazizeit verbotene Flugschriften und Bücher für ihn in ihrer Wohnung aufbewahrte.

In der Gewerkschaft wurde er bald Funktionär. Von 1925 bis 1930 war Albrecht in den Norddeutschen Kabelwerken in Berlin-Neukölln als Betriebsrat tätig. Zeitweise war er Vorsitzender der Arbeitervertretung. 1927 trat Albrecht aus der FAUD aus. Zwei Jahre später trat er in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ein. Nach dem großen Metallarbeiterstreik im Spätherbst 1930 wurde er gemaßregelt. 1930 wurde er in Berlin Organisationsleiter der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition (RGO). Ende 1932 löste Albrecht den bisherigen RGO-Bezirksleiter Erich Gentsch ab und bekleidete diese Funktion bis Anfang 1933.[2]

Bereits 1929 hatte Albrecht als gewählter Vertreter an der 4. Arbeiterdelegiertenkonferenz in Moskau teilgenommen. Im November des Jahres 1932 wurde Albrecht als Abgeordneter der KPD für den Wahlkreis 2 (Berlin) in den Reichstag gewählt. Bereits einen Monat später, im Dezember 1932, schied Albrecht wieder aus dem Reichs-Parlament aus, um ins preußische Landesparlament, den Preußischen Landtag, zu wechseln. Albrechts Mandat für den Reichstag wurde danach von seinem Parteigenossen Karl Elgas fortgeführt. Im März 1933 errang er erneut ein Mandat im Preußischen Landtag für die KPD, konnte dies jedoch angesichts der Verfolgung durch die Nationalsozialisten nicht mehr antreten. Zum Zeitpunkt der Wahl befand sich Albrecht bereits in Haft.

In der Nacht des Reichstagsbrandes vom 27. auf den 28. Februar 1933 wurde Albrecht verhaftet und ins KZ Sonnenburg verschleppt, wo er ein Jahr lang gefangengehalten wurde. Danach kam er vorerst frei, wurde aber fortan und für den Rest der NS-Zeit unter ständige Polizeiaufsicht gestellt. 1937 wurde er erneut verhaftet und für einen Monat im KZ Sachsenhausen gefangengehalten. (Albrecht selbst sprach später von sechs Monaten). In seinem Buch „Fälschung und Instrumentalisierung antifaschistischer Biographien“ geht Frank Hirschinger davon aus, dass Albrecht damals dem Kommunismus abschwor.

1938 schrieb er sogar im Zusammenhang mit einem Sorgerechtsstreit, den er mit seiner geschiedenen Frau um den Sohn führte, ans Amtsgericht Berlin: „Jawohl, ich habe vor 1933 eine andere politische Einstellung gehabt. Als der Führer aber den früheren Gegnern die Hand zur Versöhnung anbot, habe ich mich ihm dankbar und ehrlich überzeugt angeschlossen“. Außerdem beschuldigte er seine Ex-Frau der „Rassenschande“. Nach seiner Entlassung aus dem KZ Sachsenhausen arbeitete er in einer Berliner Firma als Werkzeugmacher. Als Albrechts Wohnung 1943 durch einen Luftangriff zerstört wurde, ging seine Frau zu Verwandten nach Genthin. Im Februar 1945 floh Albrecht aus Berlin und ging zu seiner Frau nach Genthin, wo er von Anwohnern bis zum Einmarsch der Roten Armee am 6. Mai 1945 versteckt wurde.

Sowjetische Besatzungszone und Deutsche Demokratische Republik (1945 bis 1985)

Nach dem Krieg, am 20. Mai 1945, wurde Albrecht vom Kreiskommandanten der Roten Armee im Landkreis Jerichow II, Oberstleutnant Chernow, zum Bürgermeister der Stadt Genthin ernannt. Einige Wochen später, am 19. August, wurde er mit dem Amt des Landrates des Kreises Jerichow II, der 88 Dörfer und die beiden Städte Jerichow und Genthin umfasste, betraut. Albrecht, der im Februar 1945 „illegal“ aus Berlin nach Genthin gekommen war, gelang es dabei, zuerst den von Sowjets eingesetzten Bürgermeister Müller und dann Landrat Kinne bei den Besatzern derart zu diskreditieren, dass diese beide ablösten. Zunächst wurde Albrecht Bürgermeister und der Kommunist Dr. Meyer Landrat. Albrecht beklagte, dass Meyer „seinen Aufgaben nicht gewachsen“ war. So wurde Paul Albrecht selbst Landrat und war gegenüber den Russen für die Durchführung der Bodenreform verantwortlich. Sein Nachfolger als Bürgermeister von Genthin wurde der Kommunist Gustav Dittmann, sein Stellvertreter als Landrat der Sozialdemokrat August Langnickel.

In Landkreis Jerichow II leitete Albrecht 1945 die Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung der einheimischen Bevölkerung und der zahlreichen mit dem Kriegsende dort gestrandeten Flüchtlinge. In den folgenden Jahren koordinierte er außerdem die Durchführung der sozialistischen Bodenreform im Kreis. Auf Albrechts Initiative entstand im Landkreis eine Jugendbrigade, die die Umsetzung der Bodenreform unterstützte. Unter Albrechts Führung wurden in Jerichow II 45.820 ha Land enteignet und unter 7.123 Familien aufgeteilt, unter diesen auch 3.391 Neubauern. Ferner ließ Albrecht landwirtschaftliche Maschinen und Geräte beschlagnahmen und umverteilen. Im Gegensatz zu diesen Requirierungsmaßnahmen wirkte Albrecht zu dieser Zeit auch auf die Erhaltung bestehender Strukturen hin: Im Juli 1945 gelang es ihm etwa, die vollständige Demontage des Henkelwerkes durch die Sowjetische Militäradministration in Deutschland erfolgreich zu verhindern. Über Albrechts Vorgehen fällte Genthins Stadtarchivar John Kreutzmann 2006 das folgende sarkastische Urteil: „Landrat Albrecht war mehr als fleißig“. Er veranlasste sogar, dass eine Gutsbesitzerin, die sich weigerte, ihr Haus zu verlassen, in ihrem Bett abtransportiert wurde. Albrecht erreichte bei den Russen auch, dass der Gutsbesitzer von Jerchel enteignet wurde, für den der Präsident der Provinz Sachsen, Dr. Hübener, eine Ausnahme erreichen wollte. Albrecht betrieb rücksichtslos den Abriss von Gutshäusern und Schlössern, auch wenn der Landeskonservator für sie als kulturhistorisch wertvoll kämpfte. Selbst beim Herrenhaus in Milow entschied Albrecht auf Abbruch, obwohl die Gemeinde es als Schule nutzen wollte. Bis 1949 verschwanden im Kreis Jerichow II auf diese Weise 16 Bauten. Während Albrecht Gutsbesitzer verjagte und ihre Gebäude als Steinbrüche freigab, beschreiben Zeitzeugen, wie er selbst eine „Herrenmentalität“ entwickelte. Danach ließ sich Albrecht in einer Zeit strengster Lebensmittelrationierung jede Woche von der Molkerei Kleinwusterwitz ein Kilogramm Butter „für privat“ kommen. Auch erzählt man sich in Genthin bis heute, dass Albrecht eine Gruft auf dem Genthiner Friedhof räumen ließ, um dort seine Tochter zu bestatten. Das sind allerdings nur Erzählungen und Märchen und halten einer tieferen Prüfung nicht stand.

1949 stieg Albrecht zum Ministerialdirektor im Innenministerium des Landes Sachsen-Anhalt in Halle (Saale) auf. In einer Kurzbiografie von John Kreutzmann über Albrecht heißt es: „Einige Jahre später übernahm er eine Tätigkeit im Bezirksvorstand des FDGB in Halle, wobei die Gründe für sein Ausscheiden aus der Landesregierung dunkel blieben. Viele seiner späteren Schilderungen sind mit Widersprüchen behaftet und halten einer tieferen Prüfung nicht stand“.

Die Sowjetische Kontrollkommission (SSK) schätzte 1951 ein, dass Paul Albrecht ein „schlimmer Verbrecher“ gewesen sei, der Antifaschisten an die Gestapo ausgeliefert habe. Hirschinger glaubt, dass Albrecht seine Frau und weitere Kommunisten zwar in Gefahr gebracht hat, Beweise für Verhaftungen gebe es aber nicht. Jedenfalls wurde Albrecht 1951 aus der SED ausgeschlossen und aus dem Innenministerium entlassen. Der fingierte Grund war seine angeblich „schlechte Haltung“ während der Nazi-Zeit.

Albrecht übte zwangsweise Selbstkritik, indem er sich als früherer Anarchist beschuldigte, und wurde 1957 wieder in die SED aufgenommen. Zu seinem 80. Geburtstag 1982 erhielt Albrecht die Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden in Gold, weil er, so die Begründung, „in den Jahren von 1924 bis 1945 eine unermüdliche politische Arbeit unter den werktätigen Massen geleistet und die Ziele der KPD vertreten“ habe. In den letzten Jahren seines Lebens litt Albrecht an einem schweren Herzleiden und war fast vollständig erblindet.

Schriften

  • Geschlechtsnot der Jugend, 1926.
  • Freiheit der Liebe, o.J.
  • Biographie und Eigenbericht, Ms. 1982. (Privatdruck vorhanden im Kreismuseum Genthin)
  • Auf dem Wege zur revolutionären Arbeitereinheit, 1984.

Literatur

  • Hermann Weber/Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945. Berlin 2004, S. 58.
  • Frank Hirschinger: Fälschung und Instrumentalisierung antifaschistischer Biographien, 2006.
  • John Kreutzmann: Genthin, 2004.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Die taz, Berliner Ausgabe, 4. April 1991, S. 28.
  2. Vgl. Stefan Heinz: Moskaus Söldner? Der "Einheitsverband der Metallarbeiter Berlins": Entwicklung und Scheitern einer kommunistischen Gewerkschaft, Hamburg 2010, S. 150, 233, 453

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