Paul Hertz

Paul Hertz
Paul Hertz

Paul Hertz (* 23. Juni 1888 in Worms; † 23. Oktober 1961 in Berlin) war ein deutscher Politiker.

Leben

Der in Worms geborene, in Hamburg und Stettin aufgewachsene Sohn eines jüdischen Kaufmanns fand schon früh zur sozialdemokratischen Arbeiterbewegung. Ab 1920 vertrat er die USPD und nach der Rückkehr deren rechten Flügels zur Mutterpartei 1922 die SPD im Deutschen Reichstag. Seit dem gleichen Jahr wirkte der Publizist sowie Finanz- und Wirtschaftsfachmann als Fraktionssekretär der SPD-Reichstagsfraktion. Von 1919 bis 1925 war er zudem Stadtverordneter des Berliner Stadtteils Charlottenburg. Antisemitischen Hetzangriffen des rechten Lagers sah sich Hertz bereits damals ausgesetzt. Vordem über die Reichswahlliste ins Parlament gelangt, vertrat der Förderer Carlo Mierendorffs ab 1928 den Wahlkreis 11 Merseburg.

Anfang Mai 1933 wurde er zusammen mit Otto Wels, Erich Ollenhauer und einigen anderen SPD-Parteivorstandsmitgliedern mit der Errichtung einer Auslandsstelle beauftragt. Zumal nach ihm bereits gefahndet wurde, folgte er seinen Vorstandskollegen umgehend erst nach Saarbrücken, dann nach Prag, um sich dort als besoldetes Mitglied des SPD-Exilvorstandes (Sopade) künftig gegen das NS-Regime zu betätigen. So war er Redakteur des theoretischen Exilorgans „Zeitschrift für Sozialismus“, bis dieses im Herbst 1936 sein Erscheinen einstellen musste, und bis zum März 1938 verantwortete er redaktionell die regelmäßig in recht hohen Auflagen ins Deutsche Reich eingeschmuggelte Zeitung „Sozialistische Aktion“. Hertz vertrat nicht nur die Belange der sozialistischen Betroffenengruppe im Beirat des Hochkommissars beim Völkerbund für die Flüchtlinge aus Deutschland, sondern war zugleich postiert als zuverlässiger Mittelsmann an der brisanten Schnittstelle zwischen innerdeutschem Widerstand und antinazistischer Arbeit im Exil. In seiner Heimat wurde er unterdessen – wie so viele andere auch – weiterhin rassistisch wie politisch diskriminiert, so durch die im Deutschen Museum in München im Winter 1937/38 präsentierte NS-Propagandaschau „Der ewige Jude“.

Im Sommer 1937 ging er nach Spanien, um Informationen aus erster Hand über den Bürgerkrieg zu sammeln, aber auch um zu sondieren, welche Möglichkeiten es dort für ein stärkeres Engagement der Exil-SPD gäbe. Ab 1935 hatte er sich immer mehr den Positionen der Gruppe Neu Beginnen angenähert, als deren Vertrauensmann er innerhalb des SPD-Exilvorstandes fortan fungierte. Nicht zuletzt wegen seines Eintretens für eine Zusammenarbeit u. a. mit jener konspirativen Kaderorganisation sowie sogar für ein Zweckbündnis mit der KPD im Rahmen einer von ihm erhofften Konzentration der sozialistischen Kräfte kam es 1938 zum Bruch mit der SPD. Seitdem bekannte er sich auch öffentlich zu „Neu Beginnen“.

Ende 1939 konnte Paul Hertz zusammen mit seiner Frau Hanna und ihren beiden Kindern – sie alle waren von den Nazis längst ausgebürgert und enteignet – in die USA entkommen. Dort schloss er sich den von seinem „Neu Beginnen“-Freund Karl Frank stark beeinflussten „American Friends of German Freedom“ an, die sich Mitte 1944 in „American Association for a Democratic Germany“ umbenannten. Mit dieser Organisation trat Hertz dem vom evangelischen Theologen und religiösen Sozialisten Paul Tillich initiierten, mit einer programmatischen Gründungserklärung im Frühjahr 1944 erstmals öffentlich hervorgetretenen Council for a Democratic Germany bei. Diesem Zusammenschluss linker Sozialdemokraten, Sozialisten und Christen beiderlei Konfession sowie von linksbürgerlichen Demokraten und einer Anzahl namhafter Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler blieb freilich die German Labour Delegation, die offizielle Vertretung der Exil-SPD in den USA, fern, da dort auch Kommunisten mitwirkten. Seinen Lebensunterhalt bestritt Hertz, inzwischen US-Staatsbürger, als freier Wirtschaftsprüfer.

Ehrengrab von Paul Hertz auf dem Waldfriedhof Zehlendorf

Erst Ende 1949 kehrte er auf Drängen seines alten Weggefährten Ernst Reuter, der nun Oberbürgermeister von West-Berlin war, nach Deutschland zurück. 1950 wurde Hertz Leiter des Hauptamtes Banken und Versicherungen des Berliner Magistrats sowie Beauftragter für Finanz- und Wirtschaftsfragen. Von 1951 bis 1953 amtierte er als Senator für Marshall-Plan und Kreditwesen. Von 1953 bis 1955 war er als Bevollmächtigter für das Kreditwesen verantwortlich für das Berliner Notstandsprogramm. Und von 1955 bis zu seinem Tod diente er seiner Stadt als Senator für Wirtschaft und Finanzen.

Hertz wurde auf dem Waldfriedhof Zehlendorf in Berlin-Nikolassee beigesetzt. Die Grabstätte gehört zu den Ehrengräbern des Landes Berlin.

Im Norden Charlottenburgs trägt die Paul-Hertz-Siedlung seinen Namen. Die Siedlung mit rund 3200 Wohnungen wurde zwischen 1962 und 1965 errichtet.

Literatur

  • Martin Schumacher, Katharina Lübbe, Wilhelm Heinz Schröder: M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. 3. Auflage. Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-5183-1. 

Weblinks

 Commons: Paul Hertz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Paul Hertz (Physiker) — Paul Hertz (* 29. Juli 1881 in Hamburg; † 24. März 1940) war ein deutscher Physiker. Leben Paul Hertz kam in Hamburg als Sohn des Juristen Eduard Hertz und dessen Frau Elisabeth zur Welt. Er erwarb das Abitur im Jahr 1900 in Hamburg und wechselte …   Deutsch Wikipedia

  • Paul-Hertz-Siedlung — Lage der Paul Hertz Siedlung in Berlin …   Deutsch Wikipedia

  • Hertz (Familienname) — Hertz ist ein deutscher Familienname. Varianten Herz (Familienname) Bekannte Namensträger Inhaltsverzeichnis A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S …   Deutsch Wikipedia

  • Hertz — steht für: Hertz (Einheit), die physikalische Einheit für die Frequenz The Hertz Corporation, das weltweit größte Automobilvermietungs Unternehmen Hertz (Familienname), einen Familiennamen Hertz (Band), eine Zürcher Band (16761) Hertz, ein… …   Deutsch Wikipedia

  • Paul de Man — (December 6, 1919ndash December 21, 1983) was a Belgian born deconstructionist literary critic and theorist. He completed his Ph.D. at Harvard University in the late 1950s. He then taught at Cornell University, Johns Hopkins University, and the… …   Wikipedia

  • Paul de man — (né le 6 décembre 1919 et décédé d un cancer le 21 décembre 1983) était un théoricien de la littérature américain d origine belge. Ami de Jacques Derrida, il a été un théoricien de la déconstruction. Il rédigea son PhD à Harvard à la fin des… …   Wikipédia en Français

  • Paul de Man — (né le 6 décembre 1919 et décédé d un cancer le 21 décembre 1983) était un théoricien de la littérature américain d origine belge. Ami de Jacques Derrida, il a été un théoricien de la déconstruction. Il rédigea son PhD à… …   Wikipédia en Français

  • Paul Heyse — Paul Heyse, ca. 1860 Heyse Portrait von …   Deutsch Wikipedia

  • Paul von Heyse — Paul Johann Ludwig von Heyse, geadelt 1910 (* 15. März 1830 in Berlin; † 2. April 1914 in München), war ein deutscher Schriftsteller. Paul Heyse, ca. 1860 …   Deutsch Wikipedia

  • Paul Laszlo — Paul László (* 6. Februar 1900 in Debrecen; † 27. März 1993) war ein moderner Architekt und Innenarchitekt und gilt als eine Größe unter den Möbeldesignern, Innenarchitekten, und Architekten des 20. Jahrhunderts. László hat sich seinen Ruf als… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”