- Otto Wels
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Otto Wels (* 15. September 1873 in Berlin; † 16. September 1939 in Paris) war ein sozialdemokratischer Politiker.
Wels war seit 1919 bis in die Zeit der Exil-SPD während der Herrschaft der Nationalsozialisten SPD-Vorsitzender. Von 1912 bis 1918 war er Abgeordneter des Reichstags des Deutschen Kaiserreichs, 1919 bis 1933 Abgeordneter des Reichstags der Weimarer Republik. Er ging als derjenige Reichstagsabgeordnete in die Geschichte ein, der am 23. März 1933 in der letzten freien Reichstagsrede auf der Reichstagssitzung in der Berliner Krolloper gegen das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten argumentierte und die Ablehnung durch die SPD begründete.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Wels wurde als Sohn eines Gastwirts in Berlin geboren. 1891 trat er in die SPD ein und begann gleichzeitig eine Lehre als Tapezierer. Nach Abschluss der Lehre arbeitete er in Berlin, Regensburg und München. Von 1895 bis 1897 leistete er Militärdienst.
Wels besuchte die Parteischule der SPD und begann sich 1906 hauptamtlich politisch zu engagieren. Er wurde für den Verband der Tapezierer gewerkschaftlich aktiv. Von 1907 arbeitete er als Parteisekretär in Brandenburg und gleichzeitig in der Pressekommission des Vorwärts.
Seine Parteiarbeit war erfolgreich, so dass er 1912 für den Wahlkreis Calau-Luckau in den Reichstag einzog und ein Jahr später auf Vorschlag August Bebels in den SPD-Parteivorstand wechselte. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er am 9. November 1918 Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats in Berlin, wo er sich dafür einsetzte, dass neben der SPD auch die USPD gleichberechtigt vertreten war, und wurde am nächsten Tag Stadtkommandant von Berlin. In dieser Position war er maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt, die zur Räumung des Berliner Stadtschlosses durch die Volksmarinedivision führen sollten. Da diese Verhandlungen nicht wie von den Aufständischen erwartet verliefen, wurde er schließlich vom 23. bis zum 24. Dezember 1918 von aufständischen Matrosen festgesetzt, Angriffe der Reichswehr auf das Schloss blieben erfolglos. Schließlich wurde er nach Verhandlungen zwischen Matrosen und Reichsregierung freigelassen, die Matrosen räumten das Schloss.
Ab 1919 war Wels Parteivorsitzender der SPD und erhielt einen Sitz zuerst in der Nationalversammlung, danach im neuen Reichstag. Er gehörte dem „Ausschuß zur Vorberatung des Entwurfs einer Verfassung des Deutschen Reichs“ der Nationalversammlung an.
Wels leitete zusammen mit Carl Legien den Generalstreik während des Kapp-Putsches und erzwang danach den Rücktritt Gustav Noskes. Wels setzte sich maßgeblich für die Gründung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und später der Eisernen Front ein. Wels saß ebenfalls im Vorstand der Sozialistischen Arbeiterinternationalen.
Wels befürwortete die Tolerierungspolitik der SPD gegenüber dem Reichskanzler Heinrich Brüning. Er war nach dem Preußenschlag gegen die Regierung Otto Braun gegen einen Generalstreik. Im Herbst 1932 allerdings befürwortete er den Generalstreik und untersagte jegliche Verhandlungen der SPD mit der Regierung Kurt von Schleicher.
Kurz nach der Machtübernahme der NSDAP nach der Reichstagswahl März 1933 und der ersten Verhaftungswelle übernahm Wels es für die SPD, die Ablehnung des „Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich“ (Ermächtigungsgesetz) zu begründen, welches die nationalsozialistische Diktatur etablierte. Er tat dies trotz der bereits einsetzenden Verfolgung und der Anwesenheit von SA-Männern im Saal mit einer klaren Absage an den Nationalsozialismus am 23. März 1933. In dieser letzten freien Rede im Deutschen Reichstag sagte er: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“[1][2]
Alle 94 anwesenden SPD-Abgeordneten stimmten gegen das Gesetz. Die 81 Abgeordneten der KPD waren infolge des nach dem Reichstagsbrand stattfindenden, durch die Reichstagsbrandverordnung legalisierten SA-Terrors daran gehindert, ihre Mandate auszuüben. Die restlichen Abgeordneten des Reichstags stimmten für das Ermächtigungsgesetz. Adolf Hitler antwortete auf die Rede von Otto Wels: „Ich will auch gar nicht, dass Sie dafür stimmen. Deutschland soll frei werden, aber nicht durch Sie.“
Im Mai 1933 sandte der Parteivorstand Wels unter dem Eindruck des SA-Schlages gegen die Gewerkschaften nach Saarbrücken im noch französisch besetzten Saargebiet. Wenig später verlegte der Exilvorstand der SPD seinen Sitz nach Prag.[3] Im August 1933 erkannte die nationalsozialistische Regierung in der ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs Wels die deutsche Staatsangehörigkeit ab.
In Prag baute Wels die Exilorganisation der SPD (Sopade) auf. Infolge des Münchener Abkommens musste der Exilvorstand Prag verlassen und begab sich Ende 1938 nach Paris, wo Wels am 16. September 1939 im Alter von 66 Jahren starb.
Würdigungen
Otto Wels zu Ehren gibt es in Berlin-Neukölln den Otto-Wels-Ring und in Berlin-Kreuzberg eine Otto-Wels-Grundschule. Die Städte Alsdorf und Eschweiler richteten Ende der 1970er-Jahre an ihren Rathausneubauten Otto-Wels-Straßen ein. Es gibt weitere Otto-Wels-Straßen in mehreren deutschen Städten.
Zum 70. Todestag wurde am 16. September 2009 eine Gedenk-Stele der Öffentlichkeit übergeben. Anlässlich der Einweihung im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick würdigte der ehemalige SPD-Vorsitzende Gerhard Schröder die Verdienste und den Mut des Sozialdemokraten durch seinen Einsatz bei der letzten freien Reichstagssitzung im März 1933 gegen das Ermächtigungsgesetz der NSDAP.[4]
Veröffentlichungen
- 1920: Bolschewismus von Rechts; Rede. Berlin, Verlag für Sozialwissenschaften.
- 1921: Ultimatum; Rede. Berlin, Dietz Verlag.
- 1922: Einigung!; Rede. Berlin, Dietz Verlag.
- 1933: Rede zur Begründung der Ablehnung des „Ermächtigungsgesetzes“ durch die Sozialdemokratische Fraktion in der Reichstagssitzung vom 23. März 1933 in der Berliner Krolloper; Herausgegeben und mit einem Vorwort von Iring Fetscher, Hamburg, Europäische Verlagsanstalt.
Literatur
- Hans J. L. Adolph: Otto Wels und die Politik der deutschen Sozialdemokratie, 1894–1939. Eine politische Biographie; Veröffentlichungen d. Historischen Kommission zu Berlin beim Friedrich-Meinecke-Institut d. Freien Universität, De Gruyter, Berlin 1971, 33.
- Willy Brandt: Die Partei der Freiheit. Reden über August Bebel, Karl Marx, Friedrich Engels und Otto Wels. Verlag Neue Gesellschaft, Berlin 1971.
- Manfred Stolpe: Otto Wels und die Verteidigung der Demokratie: Vortrag im Rahmen der Reihe Profile des Parlaments der Evangelischen Akademie zu Berlin am 14. Februar 2002. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2002.
Weblinks
Commons: Otto Wels – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWikiquote: Otto Wels – Zitate- Literatur von und über Otto Wels im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Andreas Michaelis: Tabellarischer Lebenslauf von Otto Wels im LeMO (DHM und HdG)
- Otto Wels in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
- Otto Wels in den Akten der Reichskanzlei
- Stenografisches Protokoll der Rede (Faksimile) in den Protokollen des Reichstags
- Protokoll der Rede zur Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes beim DHM
- Gekürztes Tondokument der Rede Otto Wels' zum Ermächtigungsgesetz mit den wichtigsten Passagen (ca. 4 min.)
Einzelnachweise
- ↑ Die SPD gedenkt des 75. Jahrestages der Rede von Otto Wels
- ↑ Der Deutsche Bundestag gedenkt in seiner Sitzung am 10. April 2008 des 75. Jahrestages der Rede von Otto Wels
- ↑ Susanne Miller, und Heinrich Potthoff: Kleine Geschichte der SPD. Darstellung und Dokumentation 1848 - 1990, Dietz, Bonn 1991, ISBN 3878313500, S. 146f.
- ↑ Joris Steg: Gedenkstele für Otto Wels eingeweiht: Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht; Vorwärts vom 16. September 2009
Parteivorsitzende der SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands (1890–1933):
Paul Singer/Alwin Gerisch | August Bebel/Paul Singer | August Bebel/Hugo Haase | Hugo Haase/Friedrich Ebert | Friedrich Ebert | Friedrich Ebert/Philipp Scheidemann | Otto Wels/Hermann Müller | Arthur Crispien/Otto Wels/Hermann Müller | Arthur Crispien/Otto Wels | Arthur Crispien/Otto Wels/Hans VogelExil-SPD (1933–1945):
Otto Wels/Hans Vogel | Hans VogelSozialdemokratische Partei Deutschlands (ab 1946):
Kurt Schumacher | Erich Ollenhauer | Willy Brandt | Hans-Jochen Vogel | Björn Engholm | Johannes Rau (komm.) | Rudolf Scharping | Oskar Lafontaine | Gerhard Schröder | Franz Müntefering | Matthias Platzeck | Kurt Beck | Frank-Walter Steinmeier (komm.) | Franz Müntefering | Sigmar GabrielEhrenvorsitzende der SPD:
Willy Brandt
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