Peter Palitzsch

Peter Palitzsch

Peter Palitzsch (* 11. September 1918 in Deutmannsdorf bei Löwenberg in Schlesien; † 18. Dezember 2004 in Havelberg) war ein deutscher Theaterregisseur.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Jugend und Wirken in der DDR

Palitzsch wuchs in Dresden auf, wo er das Gymnasium und eine Ausbildung zum Graphiker absolvierte. Nach Kriegsdienst und kurzer Gefangenschaft arbeitete er als Dramaturg an der Dresdner Volksbühne.

Bertolt Brecht holte ihn 1949 als Assistenten an sein neu gegründetes Berliner Ensemble, dessen Signet Palitzsch entwarf. 1956 begann dort mit Synges Der Held der westlichen Welt (Titelrolle: Heinz Schubert) eine Reihe gemeinsamer Inszenierungen mit Manfred Wekwerth. Nachdem Brecht am 18. August 1956 gestorben war, folgte im Mai 1957 Wischnewskis Optimistische Tragödie. Für die Uraufführung von Brechts Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui am Staatstheater Stuttgart im November 1958 mit Wolfgang Kieling in der Titelrolle zeichnete Palitzsch jedoch allein verantwortlich. Die Aufführung am Berliner Ensemble von 1959 mit Hauptdarsteller Ekkehard Schall gilt demgegenüber wieder als gemeinschaftliche Inszenierung (obwohl Wekwerth Palitzsch auf seiner Website in diesem Zusammenhang ebenso wenig erwähnt wie die Stuttgarter Uraufführung[1]). Die Berliner Aufführung des Arturo Ui, für die Wekwerth 1959 den Nationalpreis der DDR erhielt, wurde 1960 mit außerordentlichem Erfolg auch in Paris gezeigt und dort mit dem Preis des Theaters der Nationen und dem Großer Preis der Pariser Theater- und Musikkritik ausgezeichnet. Das Stück blieb mit dem Hauptdarsteller Ekkehard Schall 15 Jahre im Spielplan des Berliner Ensembles und erlebte 532 Aufführungen.

1960/61 verfilmten Wekwerth und Palitzsch gemeinsam bei der DEFA Mutter Courage und ihre Kinder mit Helene Weigel, Angelika Hurwicz, Regine Lutz, Ernst Busch, Wolf Kaiser, Ekkehard Schall, Heinz Schubert. Der Film erhielt den Sonderpreis der Jury zum Filmfestival Locarno im Juni 1961.[2]

Verbleib im Westen

Nachdem Palitzsch als Repräsentant authentischer Brecht-Interpretation in Stuttgart das Leben Eduards II., in Wuppertal Mann ist Mann und in Ulm Der Kaukasische Kreidekreis sowie Der gute Mensch von Sezuan inszeniert hatte, brachte er dort am 1. September 1961 die westdeutsche Erstaufführung von Brechts Der Prozess der Jeanne d’Arc zu Rouen 1431 (nach einem Hörspiel von Anna Seghers) heraus. Dem Beispiel anderer Theater, nach der Errichtung der Berliner Mauer am 13. August 1961 auf die Aufführung von Brecht-Stücken zu verzichten, hatte man sich in Ulm nicht anschließen mögen, und Palitzsch war dafür von den Zeitungen Die Welt und Bild scharf kritisiert worden. Es kam sogar zu Bombendrohungen. Nach der Premiere, die jedoch ungestört verlief, ließ Palitzsch durch den Ulmer Intendanten Kurt Hübner erklären, er werde nicht in die DDR zurückkehren.[3]

Noch im selben Jahr inszenierte er in Oslo Der kaukasische Kreidekreis mit der noch unbekannten Liv Ullmann, 1962 Dantons Tod am Staatstheater Stuttgart sowie in Köln 1964 Mutter Courage und 1966 Herr Puntila und sein Knecht Matti. Seine Inszenierung von Martin Walsers Der schwarze Schwan in Stuttgart wurde 1965 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. 1967 führte er Regie bei einer Fernsehadaption von Der Prozess der Jeanne d’Arc zu Rouen 1431 für den WDR.

Stuttgarter und Frankfurter Zeit

1966 war Palitzsch Schauspieldirektor am Staatstheater Stuttgart geworden. Seine dortige Produktion Shakespearescher Königsdramen für zwei Abende unter dem Titel Rosenkriege I + II (Heinrich VI., Eduard IV.) wurde 1967 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Dieselbe Anerkennung erfuhr 1968 seine Inszenierung der Marija von Isaac Babel, 1969 die der Uraufführung des Toller von Tankred Dorst und 1970 die von Diese Geschichte von Ihnen von John Hopkins. Die Bühnerbilder stammten jeweils von Wilfried Minks. 1972 wurde eine weitere Stuttgarter Inszenierung Palitzschs nach Berlin eingeladen: Warten auf Godot mit Gerhard Just und Peter Roggisch.

Palitzsch wechselte nun zum Schauspiel Frankfurt, um dort ein von den Ideen der 68er-Bewegung inspiriertes Mitbestimmungstheater zu verwirklichen. Von seinen dortigen Inszenierungen werden besonders die der Emilia Galotti von 1972, von Frühlings Erwachen, das 1974 zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde, und von Brechts Die Tage der Commune hervorgehoben, die im sogenannten Deutschen Herbst ab 27. September 1977 gespielt wurde, was im Hinblick auf die Entführung Hanns Martin Schleyers durch die „Rote Armee Fraktion“ am 5. September 1977 und seine Ermordung sechs Wochen später Proteste auslöste. Zu Palitzschs besten Inszenierungen werden auch Ibsens Baumeister Solneß von 1978 und Schillers Don Carlos von 1979 gerechnet. Inzwischen hatten die Spannungen zwischen den Beteiligten allerdings so zugenommen, dass Palitzsch das Experiment abbrach und seine Frankfurter Jahre und das Amt des Direktors 1980 beendete.[4]

Internationale Arbeiten und Auszeichnungen

Grab von Peter Palitzsch Dorotheenstädtischer Friedhof

In der folgenden Dekade arbeitete er an verschiedenen westdeutschen Bühnen, außerdem in Wien, wo er zahlreiche Arbeiten am Burgtheater herausbrachte, Zürich, Rio de Janeiro, sowie in Oslo mit Liv Ullmann in Mutter Courage und ihre Kinder. Außerdem spielte er in Hans Neuenfels’ Film Die Familie oder Schroffenstein eine Hauptrolle. Nach dem Fall der Mauer kehrte er 1992 an das Berliner Ensemble zurück, um bis 1995 die Intendanz mit Peter Zadek, Fritz Marquardt, Matthias Langhoff und Heiner Müller zu übernehmen. Zum 100. Geburtstag seines Lehrmeisters Bertolt Brecht inszenierte er 1998 am Berliner Ensemble den musikalischen Abend: Leben will ich, Eure Sonne schnaufen mit dem Schauspieler Volker Spengler, der Sängerin Maria Husmann und dem Musiker und Komponisten Simon Stockhausen. Seine letzte Inszenierung wurde das selbstverfasste Drei kurze Texte (mit tödlichem Ausgang), die 2003 in Luxemburg und Kassel uraufgeführt wurde.

Am 6. September 2004 wurde Palitzsch das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen. 1991 war er bereits mit dem Theaterpreis Berlin ausgezeichnet worden.

Palitzsch war ab 1974 mit der mehr als dreißig Jahre jüngeren Tanja von Oertzen verheiratet.[5] Er starb an Lungenversagen.

Palitzschs Inszenierungen beim Berliner Theatertreffen

Berliner Theatertreffen:

  • Martin Walser, Der schwarze Schwan (Württembergische Staatstheater Stuttgart, 1965)
  • William Shakespeare, Heinrich VI. (Württembergische Staatstheater Stuttgart, 1967)
  • William Shakespeare, Eduard IV. (Württembergische Staatstheater Stuttgart, 1967)
  • Isaak Babel, Marija (Württembergische Staatstheater Stuttgart, 1968)
  • Tankred Dorst, Toller (Württembergische Staatstheater Stuttgart, 1969)
  • John Hopkins, Diese Geschichte von Ihnen (Württembergische Staatstheater Stuttgart, 1970)
  • Samuel Beckett, Warten auf Godot (Württembergische Staatstheater Stuttgart, 1972)
  • Frank Wedekind, Frühlings Erwachen (Städtische Bühnen Frankfurt/Main, 1974)

Literatur

  • Rainer Mennicken: Peter Palitzsch. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1993, Reihe: Regie im Theater, ISBN 3-596-11114-5
  • Peter Iden: Peter Palitzsch – Theater muss die Welt verändern. Henschel Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-894-87511-9
  • Christoph Nix: Immer scheitern, besser scheitern. Zum 80. Geburtstag von Peter Palitzsch. In: die tageszeitung, 11. September 1998
  • Wolfgang Bittner/Mark vom Hofe: Der Vorhang geht nicht auf, damit sich Leute unterhalten. Peter Palitzsch. In: Ich mische mich ein. Markante deutsche Lebensläufe, Bad Honnef 2006, ISBN 978-3-89502-222-7.

Weblinks

.

Einzelnachweise

  1. manfredwekwerth.de/biographisches.html
  2. manfredwekwerth.de
  3. Prozeß in Ulm. In: Der Spiegel. Nr. 38, 1961 (online).
  4. Kraft nach innen. In: Der Spiegel. Nr. 30, 1980 (online).
  5. theatergemeinde-bonn.de



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