Philipp Otto Runge

Philipp Otto Runge

Philipp Otto Runge (* 23. Juli 1777 in Wolgast; † 2. Dezember 1810 in Hamburg) war neben Caspar David Friedrich der bedeutendste deutsche Maler der Frühromantik.

Selbstportrait von 1804/05
Selbstportrait Philipp Otto Runge
Die Eltern des Künstlers, 1806

Inhaltsverzeichnis

Leben

Grabstein des P.O. Runges im Hauptfriedhof Ohlsdorf

Philipp Otto Runge wurde in der See- und Handelsstadt Wolgast in Schwedisch-Pommern als neuntes von elf Kindern der Eheleute Daniel Nikolaus Runge (1737–1825) und Magdalena Dorothea (1737–1818), Tochter des Hufschmieds Daniel Christian Müller, geboren.[1] Der Großvater väterlicherseits, Nicolaus Runge (1700–1766), entstammte einer Rügener Bauernfamilie, der sich nach 1720 in Wolgast niederließ und 1729 das Bürgerrecht erwarb. Der Vater des Künstlers, Daniel Nikolaus, war Kaufmann und Reeder. Sein Sohn, der bereits im frühen Kindesalter an Lungentuberkulose erkrankte, sollte ursprünglich in die Fußstapfen seines Vaters treten, konnte aber seinen Wunsch, Maler zu werden, durchsetzen.

1789 besuchte Runge die Wolgaster Schule, deren Leiter Ludwig Gotthard Kosegarten war. 1792 erkrankte Runge schwer und zog mit seinem ältesten Bruder Daniel 1795 nach Hamburg, um in dessen „Kommissions- und Speditionshandlung“ eine Kaufmannslehre zu beginnen. Der Freundeskreis seines Bruders, dem unter anderem der Dichter Matthias Claudius, der Verleger Justus Perthes und der Kunstsammler Johannes Michael Speckter angehörten sowie seine Begegnung mit Friedrich Gottlieb Klopstock, regten Runge zum Zeichnen und zum Studium der Antiken Autoren an.[1]

Nach erstem Zeichenunterricht 1797 durch Heinrich Joachim Herterich und Gerdt Hardorff d. Ä. in Hamburg studierte er in den Jahren 1799 bis 1801 an der kgl. Akademie in Kopenhagen bei Jens Juel sowie Akt und Antikenkopie, Freihandzeichnen, Anatomie, Geometrie und Perspektive bei Nicolai Abildgaard, einem Lehrer Thorwaldsens.[1] Hiernach studierte er von 1801 bis 1804 bei Anton Graff in Dresden an der Kunstakademie, wo er Kontakt zu den Romantikern, vor allem zu Caspar David Friedrich und Johann Gottfried Quistorp, aufnahm. Der Dichter Ludwig Tieck, den er in Dresden kennenlernte, vermittelte ihm die Mystik Jakob Böhmes und machte ihn mit den Anschauungen Novalis’ vertraut. Auf einer Reise nach Weimar lernte er Johann Wolfgang von Goethe kennen.

Im Sommer 1801 begegnete Runge zum ersten Mal Pauline Bassenge (1786–1881), die damals noch keine 16 Jahre alt war. Ihr Vater Charles Frédéric Bassenge war hugenottischer Abstammung und Besitzer einer Handschuhfabrik. Er lehnte anfangs die Verbindung seiner Tochter mit Runge entschieden ab. Erst im April 1803 stimmte er einer Verlobung der Beiden zu. Am 3. April 1804 heirateten Pauline und Otto in Dresden. Das Paar siedelte nach Hamburg über und hatte vier Kinder, von denen das jüngste am Tag nach Runges Tod geboren wurde und die Vornamen seines Vaters bekam. Philipp Otto Runge starb an Tuberkulose.

Arbeiten

Zeitlebens betrieb Runge das Kunsthandwerk des Scherenschnitts und sandte Goethe zum Beispiel zahlreiche Blumen für die Zimmerdekoration samt Anleitung zur Anbringung und Aufbewahrung der Schnitte. Einige Zeitgenossen wussten seine Scherenschnitte zu schätzen. So bewunderte Johanna Schopenhauer seine Silhouetten so sehr, dass sie selbst versuchte in Runges Manier zu schneiden. 1805 gelang ihm der künstlerische Durchbruch mit Radierungen zu seinen Scherenschnitten in dem Zyklus Die Zeiten. Dieser erschien in einer ersten Auflage von 25 Stück. Ein Exemplar erwarb Goethe und schmückte damit sein Musikzimmer mit der Beurteilung: „zum rasend werden, toll und schön zugleich.“[2]

Runge, der gegen die akademische Malerei opponierte, ist neben Friedrich der bedeutendste Maler norddeutscher Romantik. Er vertritt zusammen mit Friedrich die Norddeutsche Frühromantik. Als Kunsttheoretiker äußerte er für die damalige Zeit revolutionäre Gedanken. Stärker als Friedrich beschäftigte ihn das Figurenbild und vor allem als Porträtist von Kindern schuf er Beachtliches (Die Hülsenbeckschen Kinder, 1806). Inspiriert von Ludwig Tiecks Künstlerroman Franz Sternbalds Wanderungen entwickelte er eine spekulative Auffassung von der „Landschaft“ als großer „Hieroglyphe“, d.h. Allegorie oder Symbol (Beispiele: Die zwei Fassungen von Der Morgen, Arions Meerfahrt, Die Zeiten). Nach Runge konnte die „tiefste Mystik der Religion“ nur in einer neuen Kunst der „Landschafterey“ ausgedrückt werden.

Runges Farbenkugel

Zur Kunsttheorie trug Runge durch seine Schrift Farbenkugel bei, über die er mit Johann Wolfgang von Goethe korrespondierte.[3]. Er schuf das erste drei-dimensionale Farbsystem.

Runges Landschaft und sein Konzept, die gesamte Umgebung des Menschen künstlerisch zu gestalten, machen ihn zum Vorbereiter des Gesamtkunstwerks. Für die deutsche Literatur leistete Runge Beiträge, indem er mehrere Gedichte verfasste. Er schrieb die beiden Märchen Van den Machandelboom und Van den Fischer und siine Fru und stellte sie den Gebrüdern Grimm zur Verfügung.

Selbst wurde er auch zur Romanfigur in Der Butt von Günter Grass. Mit Clemens Brentano führte Runge einen Briefwechsel, der 1974 als Buch veröffentlicht wurde, herausgegeben von Konrad Feilchenfeldt.

Ehrungen

  • Sein Geburtshaus in Wolgast ist heute unter der Bezeichnung Rungehaus ein kleines Museum.
  • Das Grab Runges befindet sich nach seiner Umbettung auf dem Hauptfriedhof Ohlsdorf in Hamburg.
  • Das Wolgaster Gymnasium wurde am 14. Juli 2001 nach einer Befragung aller Schüler auf Runge-Gymnasium Wolgast umbenannt [4]

Werke

Drei bedeutende Werke von Runge wurden 1931 beim Großbrand des Münchner Glaspalastes zerstört. In der Hamburger Kunsthalle, wo 1977/78 die Ausstellung Runge und seine Zeit stattfand, befindet sich fast das gesamte erhaltene Werk Runges. Einige seiner Werke sind auch im Besitz des Kulturhistorischen Museums der Stadt Stralsund und im Pommerschen Landesmuseum Greifswald erhalten geblieben. Aus Anlass seines 200. Todestages am 2. Dezember 2010 wurde in der Hamburger Kunsthalle die Ausstellung Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik eröffnet. Anschließend geht die Ausstellung in die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München.

  • mehrere Selbstporträts (1799, 1802, 1806, 1810)
  • Vier Tageszeiten
  • Triumph des Amor (1800)
  • Die Heimkehr der Söhne (1800)
  • Kupferstich-Illustrationen zu Ludwig Tiecks Minnelyrik-Edition Minnelieder aus dem schwäbischen Zeitalter (1803)
  • Quelle und Dichter, (1805)
  • Die Zeiten (Vier Kupferstichvorlagen, 1803)
  • Die Lehrstunde der Nachtigall nach einer Ode von Klopstock (1. Fassung 1803, (1931 im Glaspalast verbrannt); 2. Fassung 1805)
  • Die Mutter und Kind an der Quelle (1804, 1931 verbrannt)
  • Pauline im grünen Kleid (1804)
  • Wir drei (1805; zeigt den Maler, seine Frau und seinen Bruder Daniel, 1931 verbrannt)
  • Die Hülsenbeckschen Kinder (1805/1806)
  • Die Ruhe auf der Flucht (1805/1806)
  • Petrus auf dem Meer (1806/1807 bei seiner Familie in Wolgast)
  • Der kleine Morgen (1808; ein Ausschnitt des Gemäldes erschien auf einer 1977 zu Ehren von Runges 200. Geburtstag von der Deutschen Bundespost verausgabten Briefmarke)
  • Der große Morgen (ab 1808, unvollendet)
  • Arions Meerfahrt (1809)
  • Die Gänsemagd
  • zahlreiche Scherenschnitte

Ausstellungen

Literatur

  • Christoph Vitali (Hrsg.): Ernste Spiele. Der Geist der Romantik in der deutschen Kunst 1790−1990. Oktagon Verlag, Stuttgart 1995.
  • Philipp Otto Runge: Briefe und Schriften. Beck, München 1982. ISBN 3-406-08534-2
  • Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Prestel, München 1975. ISBN 3-7913-0361-9
  • Cornelia Richter (Bearb.): Philipp Otto Runge. Ich weiß eine schöne Blume. Schirmer/Mosel, München 1981. ISBN 3-921375-65-7, Werkverzeichnis der Scherenschnitte
  • Theodor PylRunge, Philipp Otto. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 29, Duncker & Humblot, Leipzig 1889, S. 692–694.
  • Jörg Traeger: Runge, Philipp Otto. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, S. 264–267.
  • Markus Bertsch/Regine Gerhardt (Hrsg.): Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik, Ausstellungskatalog; Hirmer, München 2010 ISBN 978-3-7774-3061-4
  • Gerhard Dallmann: Philipp Otto Runge: ... bleib bewundernd stehen. Romanbiografie, Husum Verlag, Husum 2009, ISBN 978-3-89876-447-6
  • Thomas Sello: Kinder müssen wir werden, wenn wir das Beste erreichen wollen. In: Lichtwark-Heft Nr. 75. Verlag HB-Werbung, Hamburg-Bergedorf, 2010. ISSN 1862-3549.
  • Renate Krüger: Aus Morgen und Abend der Tag. Romanbiographie in fünf Bildern, Union, Berlin 1977.

Weblinks

 Commons: Philipp Otto Runge – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: Philipp Otto Runge – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. a b c Philipp Otto Runge. Scherenschnitte. Schirmer/Mosel, München 2010, S. 115
  2. Süddeutsche Zeitung: Die Romantik kehrt zurück. Nummer 105, 7./8. Mai 2011, Seite 22
  3. Runges Farbenkugel
  4. Offizielle Homepage des Runge-Gymnasiums Wolgast
  5. FAZ vom 21. September 2010, Seite 33: Die drei Musketiere der Romantik
  6. http://www.philipp-otto-runge-stiftung.de/html/ausstellung.htm

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