August Petermann

August Petermann
August Petermann

August Heinrich Petermann (* 18. April 1822 in Bleicherode bei Nordhausen; † 25. September 1878 in Gotha (Suizid)) ist einer der bekanntesten Geographen und Kartographen des 19. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Geburtshaus Petermanns in der Neuen Straße 3 in Bleicherode

Geboren als Sohn eines Aktuars kam er mit 14 Jahren nach Nordhausen ins Gymnasium und beschäftigte sich schon früh mit Geografie und dem Zeichnen von Karten. 1839 trat er in die Kunstschule von Prof. Heinrich Berghaus in Potsdam ein, um sich wissenschaftlich und technisch als Kartograf ausbilden zu lassen. 1845 siedelte er nach Edinburgh um und zog 1847 nach London. Er wechselte 1854 von London ins thüringische Gotha, das seit dem Wirken des Astronomen und Geodäten Franz Xaver von Zach einen ausgezeichneten wissenschaftlichen Ruf hatte. Ein Jahr später gründete er „Petermanns Geographische Mitteilungen“, eine wichtige deutschsprachige wissenschaftliche Fachzeitschrift für Geographie.

Erster deutscher Geographentag

Grab Petermanns auf dem Friedhof in Gotha

Am 23. und 24. Juli 1865 tagte die erste „Versammlung Deutscher Meister und Freunde der Erdkunde“ in Frankfurt am Main, dies war der erste deutsche Geographentag. Die Versammlung tagte auf Initiative von Otto Volger und August Petermann. Petermann war aufgrund seiner Verdienste schon seit 1860 Meister des Freien Deutschen Hochstifts. Regierungsstellen wurden angeschrieben, Zeitungen eingeladen und alle geographischen Gesellschaften verständigt. Es kamen 72 Geographen aus den deutschsprachigen Ländern Mitteleuropas, darunter so einflussreiche Männer wie Dr. Georg von Neumayer, Prof. Ferdinand von Hochstetter, Präsident der k.k. geographischen Gesellschaft, Wilhelm Ihno v. Freeden, der Direktor der großherzoglich Oldenburgischen Navigationsschule und Friedrich Harkort. Da sich das Frankfurter Goethe-Haus als zu klein für die große Versammlung erwies, tagte man im neuen Saalgebäude in der Junghofstraße. Vom Frankfurter Geographischen Verein waren Dr. Eduard Rüppell und Dr. J. Wallach zugegen. Das Tagungsthema hieß „Die Veranstaltung einer Deutschen Nordfahrt“.

Theorie vom eisfreien Nordpolarmeer

August Petermann hielt bei dieser Versammlung einen Vortrag über „Die Erforschung der arktischen Central-Region durch eine deutsche Nordfahrt“. Er beklagte sich über mangelnde Unterstützung durch „unsere ersten seefahrenden Mächte, der Preußischen und Österreichischen Regierungen“, und erbat Spenden für eine „Rekognoszierungsfahrt“ im Meer zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja. Seiner Meinung nach würde das Meer dort dank des Golfstroms nicht völlig zufrieren, auch nicht im Winter, so dass man nach Durchdringen des Treibeises ein freies schiffbares Meer bis zum Nordpol hin vorfinden würde. Die Pläne Petermanns wurden in Deutschland und Österreich mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen (siehe dazu Theorie vom eisfreien Nordpolarmeer).

Mit den Ausführungen Petermanns in Frankfurt begann die deutsche Nordpolarforschung. Zwei Nordpolexpeditionen (1868 und 1869/70), die Kapitän Carl Koldewey mit Aufträgen und Anweisungen von Petermann versehen durchführte, blieben jedoch ohne das Ergebnis der Nordpolentdeckung. Immerhin führte seine Vision zur Entdeckung des Franz-Joseph-Landes durch Julius von Payer und Carl Weyprecht. Das Originalschiff der ersten deutschen Nordpolarexpedition, die 1867 erbaute Nordische Jagt Grönland ist bis heute erhalten und wird als aktives Museumsschiff des Deutschen Schiffahrtsmuseums genutzt.

PGM

Denkmal in Bleicherode

Sein Name ist auf das Engste mit dem Geographischen Verlag Justus Perthes verknüpft, der im Jahr 2004 Petermanns 150-Jahr-Jubiläum in Gotha feierte. Die Zeitschrift Petermanns Geographische Mitteilungen (erstmals 1855), auch kurz als PGM bekannt, wurde zur bedeutendsten deutschsprachigen Fachzeitschrift der Geographie, in der alle bedeutenden geographischen Entdeckungen des 19. und 20. Jahrhunderts publiziert wurden. Auch in theoretischer Hinsicht gehörte sie zu den führenden Organen der Geowissenschaften. Diese Veröffentlichungen und die Karten der Autoren bereicherten Kartensammlung und Bibliothek in der Gothaer Justus-Perthes-Straße. Das Erscheinen der PGM wurde zum Ende des Jahres 2004 eingestellt.

Kartographische Leistungen

August Petermann gilt als hervorragender, international hoch angesehener Kartograph. Nach seiner Ausbildung in Potsdam arbeitete in Edinburg bei Johnston mit britischen Gelehrten, Seefahrern und Forschungsreisenden an der englischen Ausgabe von Berghaus' Physikalischem Atlas. Aus der Londoner Zeit ragen seine Karten zur Bevölkerungsdichte und zur Verbreitung der Cholera in England hervor, die nicht nur soziale Aspekte der Infektionskrankheiten in der Frühphase ihrer medizinischen Erforschung veranschaulichten. Mit ihnen reihte sich Petermann in die Gründergeneration der thematischen Karten ein.

Mit den Karten für Petermanns Mitteilungen treten solche mehr topographischen Charakters in den Vordergrund. Der Herausgeber der Zeitschrift profitierte von Innovationen der Kartentechnik in Gotha: Bernhardt Perthes (1821-1857, Enkel des Firmengründers) hatte mit der Galvanoplastik ein elektro-chemisches Verfahren zur Vervielfältigung der Kupferstich-Platten entwickelt, das den Arbeits- und Zeitaufwand drastisch reduzierte und auch die Herstellung von Kartenausschnitten erlaubte. Emil von Sydow hatte die Farblithographie zu Produktionsreife in der Kartenherstellung gebracht, die ebenfalls die Produktivität steigerte, und die in breitem Umfang die Anwendung der Farbe für die Informationsvermittlung in Karten ermöglichte. Nach über einem Jahrzehnt Praxis hatten beide Kartentechniken ihre Kinderkrankheiten sowie die Kombination beider Techniken in der Kartenproduktion hinter sich. Mit großem Organisationstalent führte Petermann diesen Vorsprung zu einem Verkaufsschlager. Da Petermann nicht nur die Reiserouten rekonstruierte, sondern sie in Karten integrierte, sahen viele Autoren darin einen großen Vorzug und wandten sich an die Mitteilungen zwecks Umsetzung, was meist rasch und in ansprechender Qualität erfolgte. Kein Heft erschien ohne Kartenbeilage, und pro Jahrgang erschienen 25 bis 35 Kartenbeilagen. Der Entwicklungsaufwand dafür war vergleichbar mit dem für einen Schulatlas. Das synthetische Vorgehen in der Darstellung der neuen Entdeckungen brachte zuweilen Hypothetisches mit sich, was zwischen Autoren und dem sehr selbstbewussten Herausgeber zu Verdruss oder auch zu Kontroversen führte.

Diese Karten dienten nicht allein den Mitteilungen, vielmehr waren sie wichtige Quellen für die drei neugefassten Ausgaben von Stielers Handatlas, an denen Petermann maßgebend beteiligt war. Seinem Einfluss ist die Umgestaltung der Handatlanten zu danken. Die Maßstäbe wurden auf das internationale metrische System umgestellt. Zu den politisch-geographischen Aussagen traten physisch-geographische, wie die Darstellung von Wüsten, von periodisch Wasser führenden Flüssen, Zahlen für Meerestiefen, Höhenzahlen, Gipfelnamen usw. Für Gebiete großer Siedlungsdichte fanden Nebenkarten in größeren Maßstäben Aufnahme. Mit dem Städtewachstum im 19. Jahrhundert verdichtete sich die Darstellung von Orten, und für das erhöhte Namensgut entwickelte man eine versachlichte, schlankere, aber trotzdem gut lesbare Schrift. Petermann standen in Hermann Berghaus (1828-1890) und Carl Vogel (1828-1897) hervorragende Kartographen zur Seite, und vor allem Vogel hat eine deutlich verbesserte Reliefdarstellung in Schraffen entwickelt. Die hohe Inhaltsdichte und Darstellungsqualität zogen immer wieder Klagen über Raubkopien nach sich.

Die Entwicklung der Atlaskarten in Arbeitsteilung von bis zu sieben Kartenbearbeitern, Stechern, Lithographen, Druckern und anderen Kräften erforderte die Entwicklung einer spezifischen betriebswirtschaftlichen Organisation. Die von Verleger Bernhardt Perthes begonnene Umstellung vom Verlagssystem zum Fabriksystem bedurfte nach dessen frühen Tod auch das Organisationstalent des Petermann. Doch Kenner der Gothaer Anstalt widersprechen der Auffassung, Petermann hätte eine Leiterfunktion innegehabt. Es kann nicht übersehen werden, dass Petermann wenig Sinn für theoretische Fragen der Kartographie entwickelte und dem Aufschwung der Naturwissenschaften seiner Zeit stand er als Autodidakt gegenüber.

Da es bis weit in das 20. Jahrhundert keine Hochschulausbildung für Kartographen gab, übernahm Petermann nach dem Vorbild seines Lehrers Heinrich Berghaus (1797-1884) die Ausbildung. Mit hohen handwerklichen Fertigkeiten zählen dazu neben den Gothaern Hermann Habenicht (1844-1917) und Bruno Hassenstein (1839-1902) unter anderen Ernst Debes (1840-1923), Georg Hirt (1841-1916) und Ludwig Friederichsen (1841-1915), die mit eigenen erfolgreichen kartographischen Betrieben in Leipzig, München und Hamburg die hohe Schule von Petermann unter Beweis stellten.

Ehrungen

Im Jahre 1868 verlieh die Royal Geographical Society in London Petermann ihre höchste Auszeichnung, die Große Goldmedaille.

Die Deutsche Antarktische Expedition 1938/39 benannte drei Gebirgszüge im Wohlthat-Massiv (Antarktika) Petermann-Ketten. Außerdem wurden die Petermannspitze (2800 m) in Ostgrönland, das Kap Petermann auf der Insel Nowaja Semlja, das Kap Petermann, das Petermann Ranges in Australien und das Petermannfjellet in Spitzbergen sowie der Petermann-Gletscher in Nordwestgrönland nach ihm benannt.

Auch ein Mondkrater trägt den Namen Petermann.

Literatur

  • Arnberger, Erik: Handbuch der Thematischen Kartographie. Wien: 1966.
  • Eckert, Max: Die Kartenwissenschaft. Forschungen und Grundlagen einer Kartographie als Wissenschaft. 2 Bände. Berlin u. Leipzig: 1921, 1925.
  • Ingo Heidbrink (Hrsg.): 81° 45’ Nord unter Segeln. Die Nordische Jagt GRÖNLAND – vom ersten deutschen Polarforschungsschiff zum aktiven Museumsschiff. Deutsches Schiffahrtsmuseum, Bremerhaven 2005.
  • Hoffmann, Matthias u. Rainer Huschmann: August Heinrich Petermann. Eine neue Ära beginnt. In: Gothaer Geographen und Kartographen. Gotha: 1985, S. 77-84. Abb.
  • Köhler, Franz: Gothaer Wege in Geographie und Kartographie. Gotha: 1987.

Weblinks



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