- Julius von Payer
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Julius Payer, seit 1876 von Payer, (* 2. September 1841 in Schönau, Böhmen; † 29. August 1915 in Veldes (Bled, Slowenien)), war ein österreichisch-ungarischer Offizier, Polar- und Alpenforscher, Kartograf und Professor der Militärakademie, der sich auch als Maler einen Namen machte und 1876 in den erblichen Adelsstand erhoben wurde.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Ausbildung
Payers Ausbildung erfolgte am Kadetteninstitut Lobzowa bei Krakau und 1857 an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt. In das Jahr 1859 fällt Payers erster nachweisbarer Aufenthalt in Frankfurt am Main, da sein Regiment in dieser Stadt und in Mainz stationiert war. Am 24. Juni 1859 erlebte er die österreichische Niederlage bei Solferino und wurde wegen seines Einsatzes dekoriert. Sein Rang war der eines Unterleutnants 2. Klasse im 36. Infanterieregiment. Die Monatsgage des Unterleutnants Payer betrug zu dieser Zeit 36 Gulden. Von 1860 bis 1868 war Payer an verschiedenen Orten in Oberitalien stationiert. Dies nutzte er dazu, verschiedene Alpengipfel zu erkunden und auch schriftlich darüber zu berichten. Dreißig Erstbesteigungen in der Ortler- und Glocknergruppe werden ihm zugeschrieben.
Militär
1860 bis 1862 war er bei der Truppe in Verona. 1863 unternahm er eine Besteigung des Großglockners. 1864 wurde er Kommandant des Lagunenforts Lombardo bei Chioggia. 1865 bis 1868 unternahm er die bergsteigerische Erschließung der Ortlergruppe. 1866 wurde Payer bei Custozza dekoriert und zum Oberleutnant befördert. 1868 berief ihn der Kriegsminister persönlich als Generalstabsoffizier zum militärgeographischen Institut nach Wien. Dort war er Lehrer für Geschichte an der Militärakademie gewesen, dieses Postens jedoch 1865 enthoben worden aufgrund seiner kritischen Betrachtungsweise und seines selbständigen Denkens. 1868 ernannte ihn die Universität Halle aufgrund seiner bergsteigerischen Forschungen und Publikationen zum Dr. phil. ehrenhalber.
Schon im Alter von 27 Jahren galt Julius Payer als versierter Erforscher des Hochgebirges, der sowohl wissenschaftliche Beobachtungen in der Natur als auch topographische Zusammenhänge sicher beherrschte und ebenso in der Lage war, seine Erkenntnisse schriftlich niederzulegen.
Polarexpeditionen
1869/70 nahm Payer auf Einladung August Petermanns an der zweiten deutschen Nordpolarexpedition unter Kapitän Carl Koldewey nach Ostgrönland teil. Mit der Germania erreichte man als nördlichsten Punkt die Shannon-Insel. Vom Winterquartier bei der Sabine-Insel aus wurde die Küste zwischen 73° und 77° nördlicher Breite vermessen. Payer unternahm mehrere Schlittenreisen zur Erforschung des Landes, insbesondere rund um den Kaiser-Franz-Joseph-Fjord. Als erfahrener Alpinist bestieg er küstennahe Berge wie die nach ihm benannte 1793 m hohe Payer Tinde.
Eine zweite Expedition führte ihn 1871 mit Carl Weyprecht auf der von Hans Graf Wilczek gecharterten Isbjörn in die Gewässer zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja. Die Fahrt bereitete die große Österreich-Ungarische Nordpolexpedition vor, die von 1872 bis 1874 mit Carl Weyprecht als Kommandant zur See und Julius Payer als Kommandant an Land stattfand. Sie führte zur Wiederentdeckung des „Rönnebeck-Landes“ (Nils Fredrik Rönnebeck, 1868) und zu seiner Umbenennung in Franz-Joseph-Land. Bald nach seiner Rückkehr hatten sich viele Kritiker zu Wort gemeldet, die die Existenz des Franz-Joseph-Landes und auch die Erlebnisse der Teilnehmer während der Expedition bezweifelten. Aufgrund von Zeugenaussagen, Tagebüchern und wissenschaftlichen Skizzen konnte Payer zwar die Wahrheit beweisen, es wurde jedoch aufgrund des Misstrauens in der Offiziersgesellschaft sogar seine außertourliche Beförderung zum Hauptmann hintertrieben. Der in der Ehre gekränkte Payer nahm seinen Abschied – mit 44 Gulden Honorar.
Heirat
1876 weilte Julius von Payer zur Erholung in Franzensbad. Dort machte er die Bekanntschaft der reichen Frankfurter Bankiersgattin Fanny Kann, geb. Gumpertz (* 19. Juli 1845). Ihr Vater Leopold Gumpertz hatte ein Wechselgeschäft auf der Zeil 61 (Adressbuch 1872). Gumpertz hatte 1839 den israelitischen Bürgereid in Frankfurt abgelegt. Fanny Kann war verheiratet mit dem Frankfurter Bankier (Geschäft: Bleichstr. 6) Beer Moses Kann, einem Neffen von Louis Rothschild. Fanny Kann war offenbar sehr angetan von dem berühmten Bergsteiger und Polarforscher. Sie ließ sich noch im gleichen Jahr scheiden und heiratete Julius von Payer. Am 15. November 1877 meldete Payer sich in Frankfurt wohnhaft. 1877 bis 1879 lebte das Paar in Frankfurt in der Hanauer Landstraße 15 im Ostend. Zwei Kinder wurden geboren, zuerst am 6. Mai 1877 in Bayonne die Tochter Oliva Julia Fanny und am 15. Mai 1881 in Frankfurt der Sohn Julius.
Malerei
Payer studierte Malerei am Städel-Institut unter den Professoren Hasselhorst, Lutze und Sommer. Weiterhin beschäftigte er sich in Frankfurt mit Anatomie an Leichen und der zeichnerischen Perspektive. Auf Anregung von Ferdinand Wagner griff er erstmals zum breiten Pinsel und malte Ölbilder. Persönlich war er gänzlich in der Liebe zu seiner mondänen Frau gefangen. So schrieb Payer 1878 aus Frankfurt an seinen Freund, den bekannten Afrikareisenden Gerhard Rohlfs (1831-1896), dass er, wenn er nicht so glücklich verheiratet wäre, die geplante Expedition in die „Länder zu den schwarzen Kerlen“ gerne mitgemacht hätte. Payer setzte seine Ausbildung 1880-1882 an der Münchener Akademie unter Alexander Wagner, dessen Komposition und Maltechnik ihn inspirierte, fort. In München schuf Payer einen größeren Zyklus von Bildern über die Franklin-Polarexpedition, für die er die große Medaille der Münchener Akademie erhielt. Am 31. Dezember 1882 meldeten sich die Payers behördlich von Frankfurt nach Paris ab.
In Paris hatte Payer sein Atelier in der Rue de Martin, wo er Einflüsse von Constant, Bonnat, Cabanel, Gallait und Tattegrain aufnahm. Im Atelier von Munkacsy erlernte er den wirkungsvollen Kontrast von leuchtendem Weiß und samtenen Schwarzbraun. 1884 verlor er ein Auge durch eine Infektion. Die Schuld daran gab er zeit seines Lebens seiner Frau Fanny, die ihm nach der Operation eine Blutspur mit Wattebäuschchen unsachgemäß abgetupft habe. Obendrein war er schon von Jugend an kurzsichtig. Für seine Gemälde erhielt er in Paris 1887 und 1889, in München 1885, in Berlin 1888 und in Chicago 1894 jeweils goldene Medaillen.
Monumentalgemälde von ihm mit arktischen Themen befinden sich im Naturhistorischen Museum und im Marinesaal des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien.
Scheidung
1890 trennte sich Julius von Payer von Frau und Kindern, die in Paris wohnen blieben. Angeblich hatte Fanny von Payer einen ausgeprägten Hang zum gesellschaftlichen Leben. Ihr soll sehr daran gelegen gewesen sein, den berühmten Nordpolarforscher überall herumzuzeigen, was Payer offenbar zunehmend missfiel. Nach der Trennung kehrte Payer nach Wien zurück und sah Frau und Kinder nie wieder, selbst der Briefwechsel schlief bald ein.
In Wien bezog Payer wieder seine alte Wohnung in der Bechardgasse 14. Dort, im einstigen Atelier von Hans Makart, eröffnete er eine Malschule für junge Damen. Unter seinen Schülerinnen befand sich auch Helene Lillmann aus Frankfurt. Seit 1892 fühlte er sich krank und an nervöser Erschöpfung (Neurasthenie) leidend. 1892 entstand aber auch sein berühmtestes Bild „Nie zurück“. Seit 1895 zeigte er Interesse an den Planungen zu einer deutschen Südpolexpedition. 1898 besuchte ihn Fridtjof Nansen in Wien. Einen Teil seines Auskommens verdiente er durch Vorträge; so hielt er deren 1228 in 18 Jahren. Für Tirol war Payer Mitarbeiter des Baedeker-Reiseführers.
Krankheit und Tod
In den 1890er Jahren nahm er seine Tochter Adele, die einem früheren Verhältnis entstammte, zu sich. Um 1903 geriet er weithin in Vergessenheit. Freilich erhielt er in diesem Jahr ein Gnadengehalt von 6000 Kronen jährlich bis zum Lebensende. Seine Sommerurlaube verbrachte er regelmäßig in Bad Veldes im Herzogtum Krain, am Veldeser See zwischen Julischen Alpen und Karawanken. Er war Anhänger der Kurmethoden der Riklischen Anstalt mit ausgedehnten Sommerbädern. Am 26. Mai 1912 traf ihn, der bis dahin von eiserner Gesundheit war, ein Schlaganfall, der ihn der Sprache beraubte. Ihm war nur noch schriftliche Verständigung möglich. Seine Einsamkeit vergrößerte sich nach der Heirat der Tochter Adele mit dem Oberleutnant v. Manker-Lerchenstein (ein Vorfahre des Regisseurs Gustav Manker). Daher lebte er in den letzten Jahren mit einer Wienerin, die einst eine Schülerin von ihm gewesen war und die er in die Kunst der Malerei eingeführt hatte, in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen. Payer starb am 29. August 1915 in Veldes an einem Herzanfall. Seine Lebensgefährtin ging in den letzten drei Lebensjahren so total in der Pflege Payers auf, dass sie ihm kurz nach seinem Tode freiwillig nachfolgte. Er wurde am 4. September 1915 in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 32 A, Nummer 37) beigesetzt.
Ehrungen
Nach Payer sind die Payerhütte am Ortler in Südtirol, die Payer-Spitze in Ostgrönland, das Payer-Land im Süden des König-Wilhelm-Landes und die Payergruppe in Neuschwabenland benannt. Bei der Namensgebung der Payergasse im 16. Bezirk Ottakring, der Julius-Payer-Gasse im 22. Bezirk Donaustadt und der Vega-Payer-Weyprecht-Kaserne im 14. Bezirk Penzing wurde ebenfalls seiner gedacht.
Veröffentlichungen
- Die österreichisch-ungarische Nordpol-Expedition in den Jahren 1872-1874, nebst einer Skizze der zweiten deutschen Nordpol-Expedition 1869-1870 und der Polar-Expedition von 1871. Time-Life-Edition, Amsterdam 1983, ISBN 90-6182-761-2 (Repr. d. Ausg. Wien 1876)
Museale Rezeption
Im Marinesaal des Wiener Heeresgeschichtlichen Museums ist Österreichisch-Ungarische Nordpolexpedition im Detail dokumentiert. Zu sehen sind u. a. zahlreiche Gemälde von Julius Payer, darunter das Monumentalgemälde „Nie zurück“, das die Dramatik der Situation widerspiegelt, als die Besatzung auf das im Eis eingeschlossene Schiff zurückwollte, was den sicheren Tod bedeutet hätte. Weiters sind Schiffsmodelle ausgestellt, die im Zusammenhang mit der Expedition stehen und die berühmte „Schlange“ des Julius von Payer. Es handelt sich dabei um Reflexionen, die Payer kurz vor seinem Tod zu Papier brachte und die über sein Leben berichten. Die Zettel wurden später aneinandergeklebt und ergaben insgesamt 24 Rollen, die mit der Bezeichnung „Die Schlange“ versehen wurden. Mehrere Fotografien veranschaulichen zusätzlich das Geschehen und runden die Ausstellung ab.[1]
Literatur
- Sachbücher
- Claudia Hamm (Hrsg.): Die Schrecken des Eises und der Finsternis. Österreich und die Arktis (Ausstellungskatalog). Heeresgeschichtliches Museum, Wien 1996
- Martin Müller: Julius von Payer. Ein Bahnbrecher der Alpen- und Polarforschung und Maler der Polarwelt. Wissenschaftliche VG, Stuttgart 1956
- Andreas Pöschek: Geheimnis Nordpol. Die Österreichisch-Ungarische Nordpolexpedition 1872-1874. - Wien: 1999 (als PDF hier herunterladbar)
- Lars Schmitz-Eggen: Verschollen im Packeis. Die 2. deutsche Nordpolarfahrt 1869/70. Books on Demand, Norderstedt 2007. ISBN 978-3-8334-6877-3.
- Christoph Höbenreich (2007): "EXPEDITION FRANZ JOSEF LAND. In der Spur der Entdecker nach Norden". Expeditionsbildband über die Payer-Weyprecht-Gedächtnisexpedition 2005, die österreichisch-ungarische Nordpolarexpedition 1872-1874, die Polarreise des Eisbrechers Kapitan Dranitsyn 2006 und einer umfassenden Expeditionschronik (Verlag Frederking-Thaler, ISBN 978-3-89405-499-1).
- Helmut Neuhold: Österreichs Helden zur See. S.142-159. Styria Verlag Wien-Graz-Klagenfurt 2010. ISBN 978-3-222-13306-0.
- G. Hamann: Payer Julius von. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 7, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1978, ISBN 3-7001-0187-2, S. 374 f. (Direktlinks auf S. 374, S. 375).
- Ausstellungskatalog: Frankfurt und der Nordpol, Historisches Museum Frankfurt, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-86568-285-7
- Belletristik
- Christoph Ransmayr: Die Schrecken des Eises und der Finsternis. Roman. Fischer, Frankfurt/M. 2003, ISBN 3-596-25419-1
Einzelnachweise
- ↑ Manfried Rauchensteiner, Manfred Litscher (Hg.): Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Graz, Wien 2000 S. 89.
Weblinks
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