Parti républicain, radical et radical-socialiste

Parti républicain, radical et radical-socialiste
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Basisdaten
Gründungsdatum: 1901
Ideologie: Radikalismus
Vorsitzender: Jean-Louis Borloo (Parti Radical Valoisien)
historische Anschrift: 1, place de Valois 75001 Paris
Website der Nachfolgepartei: www.partiradical.net

Der Parti républicain, radical et radical-socialiste (dt. „Republikanische, Radikale und Radikal-sozialistische Partei“) von 1901, kurz Parti radical, war eine linksbürgerliche französische Partei, aus der ähnlich benannte Abspaltungen hervor gegangen sind. Im Deutschen spricht man oft, vor allem für die Zeit der Dritten Republik (bis 1940), von den Radikalsozialisten.

Sie war die erste landesweit konstituierte moderne Massenpartei Frankreichs, wo bis dahin Zusammenschlüsse einzelner parlamentarischer Gruppen vorherrschten. Bis 1936 bildete sie die stimmenstärkste Kraft der gemäßigten Linken und stellte noch in der Vierten Republik (bis 1958) mehrere Premierminister. Bekannte radikalsozialistische Premierminister waren Georges Clemenceau, Édouard Herriot, Édouard Daladier und Pierre Mendès-France.

Seit den 1960er-Jahren war sie eine weniger bedeutende Kleinpartei, die vom linken zum rechten Zentrum übergegangen war. 1972 spaltete die Partei sich an der Frage, ob man gemeinsam mit den Kommunisten den Sozialisten Mitterrand unterstützen sollte. Die Befürworter der Idee wurden zum Parti radical de gauche. Die übrigen Radikalsozialisten nahmen dann an der zentristischen Union pour la démocratie française 1978 teil, schlossen sich aber 2002 der rechten Union pour un mouvement populaire an. Die Parti radical valoisien, wie sie gängigerweise genannt wird, bleibt juristisch eigenständig.

Das radical im Namen bezieht sich historisch auf die Ablehnung der Monarchie und die Befürwortung der Werte der Französischen Revolution (siehe auch Radikalismus). Den Namensteil „sozialistisch“ hatte die Partei von einer Vorgängerpartei geerbt. Nach der Spaltung 1972 konnte die verbleibende radikalsozialistische Partei ihren Namen behalten, wurde aber oft nach ihrem Sitz am Place de Valois als Parti radical valoisien bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Siehe auch --> Geschichte der französischen Linken

Den Begriff „Radikale“ benützten nach 1830 die Anhänger der Julimonarchie, um die Republikaner politisch ins Abseits zu stellen. Ab 1835 bezeichneten sich die Republikaner zunehmend selbst als "Parti radical", die Eigenbezeichnung republikanisch war in dieser Epoche verboten. Gemäß dem Selbstverständnis seiner Vertreter war der Radikalismus 1842 „die Lehre der Erneuerung, die zur Grundlage das Gewissen und die Vernunft nimmt“ (cette doctrine d'innovation qui prend pour la base la conscience et la raison); die Radikalen sahen sich damals - im Unterschied zu den Liberalen und anderen Anhängern moderater Reformen - als Vorkämpfer einer grundlegenden Erneuerung der politischen Institutionen.

Zweites Kaiserreich und III. Republik

Auch im Second Empire profilierten sie die Radikalen als Opposition, so mit dem Programm von Belleville, das vom späteren Premierminister Léon Gambetta unterstützt wurde. Um die Jahrhundertwende formierten sich die Radikalen als eine wirtschaftlich und sozial eher zentristisch eingestellte, antiklerikale, antimonarchistische und somit (radikal)republikanische ideologische Bewegung. Radikale Gruppen erreichten bei den Wahlen von 1898 bereits 24 Prozent. Unter Ministerpräsident Pierre Waldeck-Rousseau kam es von 1899 bis 1902 zu einer republikanischen Allianz, in der die tägliche Arbeitszeit auf 11 Stunden beschränkt sowie die Frauen- und Kinderarbeit reguliert wurde. Eine Unterwerfung der Kirche unter das neue Vereinsrecht wurde von der Kammer abgelehnt. 1901 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das die Existenz von Kongregationen von einer gesetzlichen Zulassung abhängig machte. Dies schuf einen Hebel zur Auflösung von kirchlichen Gemeinschaften.

Die 'Parti républicain, radical et radical-socialiste' wurde 1901 gegründet. Heute ist die Bewegung unter der Bezeichnung 'Parti radical historique' bekannt. Sie wurde seinerzeit häufig nur als 'Parti radical socialiste' (PRS, dt. „Radikale Sozialistische Partei“) bezeichnet und entstand aus dem Zusammenschluss mehrerer linker und zentristischer Strömungen als Folge der Dreyfus-Affäre. In den politisch extrem instabilen Zeiten bis zum Ende der Dritten Republik 1940 stellte die Partei in rasch wechselnden Kabinetten 31 Mal den Premierminister.

Nach den siegreichen Wahlen von 1902 kam es zu einer breiten Mehrheit für eine Allianz aus Radikalen und Sozialisten, unter der Führung von Émile Combes. Im selben Jahr wurden 3000 staatlich nicht genehmigte kirchliche Schulen geschlossen und die Besoldung der Bischöfe durch die Regierung eingestellt, Im Folgejahr wurden alle Ordensgemeinschaften aufgelöst. 1905 kam es mit dem „Loi Combes“ zur völligen Trennung von Staat und Kirche. Sämtliches Eigentum an Kirchen und Gebäuden ging an den Staat. 2500 kirchliche Schulen wurden geschlossen, Kruzifixe wurden aus öffentlichen Gebäuden entfernt, der Religionsunterricht an staatlichen Schulen abgeschafft. Federführend bei der Vorbereitung des Gesetzes war der mit der diesbezüglichen Ausschussführung beauftragte Führer der Französischen Sozialistischen Partei, Aristide Briand.

Von 1906 bis 1909 führte Georges Clemenceau, der kurz zuvor wegen eines von ihm veranlassten Militäreinsatzes gegen einen Bergarbeiterstreik mit den Sozialisten unter Jean Jaurès gebrochen hatte, nun als Radikaler die Regierung. Unter Clemenceau näherten sich Frankreich und Großbritannien an, was 1907 in der „Entente cordiale“ zum Ausdruck kam. Überdies wurden die Weichen für die Einführung der Einkommensteuer durch Clemenceaus Finanzminister Joseph Caillaux gestellt. Auf Clemenceau folgte Aristide Briand als radikaler Premierminister. Dieser war 1906 als Minister in eine bürgerliche Regierung eingetreten und daher aus der Sozialistischen Partei (SFIO)ausgeschlossen worden. Die Regierung erklärte den am 12. Oktober 1910 ausgerufenen Generalstreik der Eisenbahner zur militärischen und wirtschaftlichen Gefahr für Frankreich. Die Streikenden im wehrpflichtigen Alter wurden einberufen, den übrigen mit Entlassung gedroht. Unter dem radikalen Premier René Viviani, der ebenfalls 1906 wegen Eintritt in eine bürgerliche Regierung aus der SFIO ausgeschlossen wurde, kam es 1914 endgültig zur Einführung der Einkommensteuer.

Im Vorfeld des Ersten Weltkriegs und zu Kriegsbeginn spielte der konservative Staatspräsident Raymond Poincaré von der Alliance Démocratique die dominierende Rolle. Unter Poincaré war als Antwort auf die deutsche Aufrüstung 1913 die Dienstzeit der Wehrpflichtigen in der französischen Armee auf 3 Jahre verlängert worden. Während des Krieges beteiligte sich die Radikale Partei an der nationalen Einheitsfrontregierung, genannt Union Sacrée. Sie stellte mit Aristide Briand und schließlich mit George Clemenceau auch bedeutende Premierminister während des Krieges.

Nach dem Ersten Weltkrieg konnten die Konservativen 1919 mit Hilfe „Unabhängiger Radikaler“, die keine linken Mehrheiten stützen wollten, die absolute Stimmenmehrheit sowie 70% aller Parlamentssitze gewinnen. Das parlamentarische Bündnis nannte sich „Bloc National“. Erstmals seit der Jahrhundertwende war es den Konservativen wieder möglich, eine ganze Legislaturperiode sowohl die Kammer als auch die Regierung zu dominieren. Die Nachkriegsjahre waren im Sinne der „Union sacrée“ von einer betont nationalen Einheitshaltung geprägt, weshalb die Radikalen (im Gegensatz zu den Sozialisten) auch die Regierung stützen.

Die Regierung Poincaré ließ im Januar 1923 das Ruhrgebiet wegen Zahlungsproblemen bei den deutschen Reparationen besetzen. Aus Ablehnung dieser Besetzung kam es zu einer Annäherung von Radikalen und Sozialisten, was 1924 zu einem Linksbündnis führte, das von Gruppen wie der LDH vorbereitet worden war. Gemeinsam mit den Sozialisten gewann die Radikale Partei im Rahmen dieses „Cartel des Gauches" die Parlamentsmehrheit. Mit nur 38 Prozent der Stimmen verfügte diese Allianz trotzdem über eine parlamentarische Mehrheit. Die Sozialisten gingen jedoch im Rahmen des Kartells niemals in die Regierung, das Bündnis war ein parlamentarisches. In diesem Zeitraum wurden die Truppen aus dem Ruhrgebiet abgezogen und die Sowjetunion diplomatisch anerkannt. Im Rahmen der Verträge von Locarno wurde Deutschland in den Völkerbund aufgenommen und das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich entspannte sich.

Wegen innerer Streiterin im „Cartel des Gauches“ – es kam zum Bruch zwischen Radikalen und Sozialisten – übernahm 1926 wieder der Konservative Poincaré die Regierung. Im Rahmen der bestehenden parlamentarischen Mehrheiten war das nur möglich weil die Radikalen die Seiten wechselten. Die als „Union nationale“ bezeichnete Regierung unter Poincaré bestand bis 1929.

1928 wandten sich die Radikalen wieder der SFIO zu, es kam zur Wiederbelebung des „Cartel des Gauches“ für die Wahlen von 1928. Das Kartell verlor relativ wenige Stimmen, die Mehrheitsverhältnisse wurden jedoch durch die Wahlarithmetik zu Gunsten der Konservativen umgekehrt.

1932 siegte zwar das „Cartel des Gauches“ als Bündnis aus Radikalen mit der SFIO und kleineren sozialistischen Gruppen mit 46 Prozent der Stimmen, die Mehrheit war auf Grund der inneren Zersplitterung des „Cartel des Gauches“ jedoch sehr fragil. Die kommunistische PCF war nach wie vor nicht Teil des Kartells. Die Regierungen wechselten sich rasch ab und zahlreiche Korruptionsaffairen sowie ein Eisenbahnunglück erschütterten die Öffentlichkeit. Nach rechtsextremen Unruhen 1934 kam trotz der linken parlamentarischen Mehrheit wieder ein konservatives Kabinett an die Macht, weil die Radikalen einmal mehr die Seiten wechselten.

1936 siegte die „Front populaire“ bestehend aus Radikalen, SFIO und PCF. Letztere stellte keine Minister in der Regierung, unterstützte das Bündnis jedoch im Parlament, wo die Volksfront mit 57 Prozent der Stimmen beinahe über eine 2/3 Mehrheit an Mandaten verfügte. Zum ersten Mal erreichten die SFIO mehr Stimmen als die Radikale Partei, wodurch Léon Blum zum ersten sozialistischen Premier Frankreichs wurde. Die Regierung setzte zahlreiche Sozialreformen um. Wegen der neutralen Haltung im Spanischen Bürgerkrieg die von den Radikalen, aber auch von Großbritannien eingefordert wurde, kam es zum Zerwürfnis mit den Kommunisten. Im April 1938 scheiterte die Volksfrontregierung endgültig am konservativ dominierten Senat.

Bis kurz zum Ende der Republik kam es zu einer Regierung unter dem Radikalen Édouard Daladier. Diese Regierung folgte vorerst der Appeasement-Politik Chamberlins, was in der Unterstützung des Münchner Abkommens vom September 1938 mündete. Am 3. September 1939 wurde Deutschland der Krieg erklärt.

État français und Provisorische Regierung

Unter dem Eindruck der katastrophalen politischen Instabilität im Vorfeld des Krieges, die auch für die Niederlage vom Juni 1940 verantwortlich gemacht wurde, stimmte die Nationalversammlung im Juli 1940 in Vichy mit 569 zu 80 Stimmen für das Ende der Dritten Republik. Damit war der État français an Stelle der Republik entstanden und der Weg frei für die Ermächtigung Marschall Pétains als Chef d’État. Die überwiegende Mehrheit der radikalen Abgeordneten stimmte für die Ermächtigung, einige jedoch dagegen.

An der provisorischen Regierung von 1944 bis 1946 unter Charles de Gaulle war die Radikale Partei nicht beteiligt.

IV. Republik

In der vierten Republik (1946-1958) waren die Radikalen zwar eine wichtige Partei, konnten aber an ihre Vorkriegsdominanz nicht mehr anschließen. In den rasch wechselnden Kabinetten zwischen 1947 und 1958 stellten sie 12 Mal (öfter als alle anderen Parteien) den Premierminister. Sie kandidierten stets gemeinsam mit der Union démocratique et socialiste de la Résistance (UDSR) – die aus dem Widerstand hervorgegangen war – im Parteienbündnis Rassemblement des gauches républicaines.

Ab 1947 waren die Radikalen als Teil der Troisième Force (dritte Kraft), die sich als Gegenkraft zu Kommunisten und Gaullisten bildete, permanent an der Regierung beteiligt. Dieses Bündnis konnte sich 1951 nicht zuletzt durch eine kreative Wahlrechtsreform im Vorfeld der Parlamentswahlen die Mehrheit sichern.

Unter dem radikalen Premier Pierre Mendès-France (1954-1955), der den französischen Kolonialismus ablehnte, kam es mit Rückendeckung durch den gemäßigt konservativen Präsidenten René Coty zur Beendigung des Krieges in Indochina und zur Entlassung der nordafrikanischen Protektorate Tunesien und Marokko in die Unabhängigkeit. Wegen Uneinigkeiten in dieser Kolonialfrage spaltete sich die ein Teil der Radikalen ab und formierte eine Mitte Rechts Partei.

Für die Wahlen im Januar 1956 bildete sich die Front républicain aus SFIO, Radikalen, UDSR und Linksgaullisten. Das Bündnis wurde relativ stärkste Kraft und verfügt wie zuvor mit Unterstützung der PCF über eine Mandats-Mehrheit. Nichtsdestotrotz waren die Verhältnisse besonders wegen des seit 1954 entbrannten Algerienkriegs extrem instabil, was 1958 zur Rückkehr De Gaulles an die Macht und der Ausrufung der V. Republik führte.

V. Republik

Bei den Parlamentswahlen 1958 fuhr die Rechte mit 46% den größten Wahlsieg seit 1902 ein, die Linke verlor über vier Prozentpunkte. Erstmals seit 1924 verlor Mitte-Links (kommunistische PCF, sozialistische SFIO und Radikalsozialisten) die absolute Stimmenmehrheit an Mitte-Rechts. Die Radikalen traten als eigenständige Kraft an und erreichten 8,4%. Sie spielten in der anfangs völlig gaullistisch dominierten fünften Republik keine Rolle mehr. Als selbstständige Partei traten die Radikalen zum letzten Mal 1962 an und erreichte 7,8% der Stimmen.

Bei den Präsidentschaftswahlen 1965 sowie den Parlamentswahlen von 1967 und 1968 integrierte sich die Radikale Partei in die antikommunistische „Fédération de la gauche démocrate et socialiste“ (FGDS), unter anderem mit der SFIO und der UDSR. Bei den Präsidentschaftswahlen 1965 erreichte der auch von der PCF unterstützte Kandidat der FGDS François Mitterrand beachtliche 45% gegen Charles de Gaulle. Bei den Wahlen 1967 erreichte die FGDS 19% und 1968 noch 16,5% der Stimmen. Das Bündnis FGDS löste sich noch 1968 auf.

1972 spaltete sich die radikale Partei in die Mouvement de la gauche radicale-socialiste (MGRS, dt. „Bewegung der radikal-sozialistischen Linken“), später umbenannt in Parti radical de gauche (PRG, dt. „Radikale Linkspartei“), und die verbleibende Parti radical. Diese behielt zwar den Namen, wird aber meistens nach der Adresse ihres Hauptquartiers als Parti radical valoisien (PRV, dt. „Radikale Valoisische Partei“) bezeichnet. Die Parti radical valoisien hat die offizielle Rechtsnachfolge der alten Parti républicain, radical et radical-socialiste angetreten, sie steht aber ideologisch im Gegensatz zur Parteigeschichte dem rechts-bürgerlichen Lager deutlich näher. Zuerst war die Parti radical valoisien Teil der zentristischen UDF, mittlerweile hat sie sich als eigenständige juristische Person dem Parteienbündnis UMP von Nicolas Sarkozy angeschlossen. Sie stellt lediglich 18 der 577 Abgeordneten in der französischen Nationalversammlung. Die Parti radical de gauche hingegen arbeitet eng mit der Sozialistischen Partei (PS) zusammen und ist ideologisch gesehen eher die Nachfolgerin der alten Parti radical. Sie ist mit 9 von 577 Abgeordneten auch eine Kleinstpartei.

Eine weitere Partei, die Parti radical-socialiste Camille Pelletan (PRS-CP, dt. „Radikal-sozialistische Partei Camille Pelletan“), spaltete sich 1934 ebenfalls von der Parti radical ab. Sie konnte sich allerdings nicht dauerhaft im französischen Parteiensystem etablieren.

Ideologie

Der Radikalismus ist eine für den deutschsprachigen Raum schwer kategorisierbare ideologische Ausprägung des Liberalismus, weil er die politische Stoßrichtung des linken Bürgertums darstellt. Das radikale Bürgertum ist in Frankreich seit der französischen Revolution von 1789 fester Bestandteil des politischen Lebens. Es war überdies federführend bei den Erhebungen von 1830 und 1848 sowie wichtiger Bestandteil der Pariser Kommune von 1871. In Deutschland und Österreich radikalisierte sich das Bürgertum im Zuge der Revolution von 1848 zwar punktuell, stand jedoch später – vor allem mit dem Aufkommen der Sozialdemokratie – überwiegend auf der Seite der Konservativen. Der Radikalismus entspricht am ehesten dem im deutschsprachigen Raum vorhandenen Linksliberalismus. Dieser wurde im Reichstag des Kaiserreiches von der Deutschen Volkspartei repräsentiert, erreichte aber mit lediglich 2,2 Prozent 1893 sein bestes Ergebnis. Lediglich in der Schweiz spielten die Radikalen lange Zeit eine wichtige politische Rolle, so etwa im Zuge der Regeneration. In Frankreich hatte das radikale Bürgertum eine viel längere Lebensdauer. Es war um 1900 stärkste politische Kraft im Lande und bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts fester Teil der politischen Parteienlandschaft.

Mit der Bezeichnung radikal wird die völlige Ablehnung der Monarchie und das Eintreten für einen radikalen politischen Systembruch hin zu einer Republik mit allgemeinem Wahlrecht statt Zensuswahlrecht unterstrichen. Damit unterscheiden sich die Radikalen im 19. Jahrhundert von gemäßigten Liberalen, die für eine konstitutionelle Monarchie eintreten. Radikal ist aber auch die Wahl der Mittel, weil revolutionäre und somit gewaltsame Maßnahmen durchaus gebilligt werden. In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass die monarchistischen Strömungen in der dritten französischen Republik von 1870 bis zur Jahrhundertwende beachtliche Wahlergebnisse einfuhren. Die radikale Partei stand überdies vor allem für Laizismus und den Erhalt des Privateigentums und verhielt sich meist prokolonial. Die soziale Frage wollte sie mittels moderater Reformen lösen. Auf der Agenda standen seit den 1890er-Jahren die progressive Einkommensteuer und die Einführung von Sozialversicherungen. Bei Arbeitskämpfen schreckten Vertreter des Radikalismus zur Auflösung von Streiks nicht vor autoritären oder gewaltsamen Maßnahmen zurück. So im Falle des Bergarbeiterstreiks im Pas-de-Calais 1906, den Innenminister Clemenceau mit militärischen Mittel niederschlagen ließ, ebenso wie beim Generalstreik der Eisenbahner 1910, den Aristide Briand mit Entlassungsdrohungen und Einzug aller Streikenden im wehrpflichtigen Alter beendete. Nicht untypisch für den Radikalismus ist seine Wandlungsfähigkeit, vor allem nach rechts. Clemenceau wie Briand kamen ursprünglich aus dem sozialistisch-republikanischen Lager, Briand gilt sogar als Erfinder des Generalstreiks.

Die radikale Partei schloss im politischen Alltag verschiedene Bündnisse mit linken und rechten Parteien und war in allen möglichen Regierungskonstellationen vertreten. Vier Mal kam ein mehrheitsfähiges Linksbündnis zu Stande:

  • 1902 im „Bloc des gauches“ mit der sozialistischen SFIO und der damals zentristisch-republikanisch ausgerichteten Alliance démocratique, die sich später zur wichtigsten Mitte-Rechts-Kraft im französischen Parteienspektrum entwickelte. Das Bündnis verfügte über 53 Prozent der Stimmen sowie über eine breiten Mehrheit an Mandaten.
  • 1924 im „Cartel des gauches“ mit der sozialistischen SFIO. Mit nur 38 Prozent der Stimmen verfügte diese Allianz trotzdem über eine parlamentarische Mehrheit. Das Kartell blieb auch für die Wahlen von 1928 aufrecht und verlor relativ wenige Stimmen, die Mehrheitsverhältnisse wurden jedoch durch die Wahlarithmetik zu Gunsten der Konservativen umgekehrt.
  • 1932 im „Cartel des Gauches“ mit der sozialistischen SFIO und kleineren sozialistischen Gruppen. Diesmal erreichte das Bündnis zwar 46 Prozent der Stimmen, die Mehrheit war auf Grund der inneren Zersplitterung des „Cartel des Gauches“ wesentlich fragiler.
  • 1936 in der „Front populaire“ mit der sozialistischen SFIO und der kommunistischen PCF. Letztere stellte keine Minister in der Regierung, unterstützte das Bündnis jedoch im Parlament, wo die Volksfront mit 57 Prozent der Stimmen beinahe über eine 2/3 Mehrheit an Mandaten verfügte.

Wahlergebnisse der Radikalen Partei

  • 1898: 7,8 %
  • 1902: 32,8 %
  • 1906: 28,5 %
  • 1910: 32,1 %
  • 1914: 34,8 %
  • 1919: 17,9 %
  • 1924: 17,9 %
  • 1928: 17,8 %
  • 1932: 19,2 %
  • 1936: 14,5 %
  • 1945: 10,5 %
  • Juni 1946: 11,6 %
  • November 1946: 11,1 %
  • 1951: 10,2 %
  • 1956: 11,0 %
  • 1958: 8,3 %
  • 1962: 7,8 %

Von 1945 bis 1956 kandidierte die Radikale Partei mit der Union démocratique et socialiste de la Résistance (UDSR) im Parteienbündnis Rassemblement des gauches républicaines.

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