Rugby-Union-Weltmeisterschaft

Rugby-Union-Weltmeisterschaft

Die Rugby-Union-Weltmeisterschaft (engl. Rugby World Cup) ist der wichtigste internationale Wettkampf im Rugby Union und wird seit 1987 alle vier Jahre unter derzeit zwanzig teilnehmenden Männer-Nationalmannschaften ausgetragen. Organisiert wird das Turnier vom International Rugby Board (IRB), dem Rugby-Union-Weltverband. Der verliehene Pokal, der Webb Ellis Cup, ist nach William Webb Ellis benannt, dem die Erfindung des Spiels zugeschrieben wird.

Die Rugby-Union-Weltmeisterschaft ist nach der Fußball-Weltmeisterschaft und den Olympischen Sommerspielen eines der größten internationalen Sportturniere der Welt. Amtierender Weltmeister ist Neuseeland (2011).

Inhaltsverzeichnis

Format

Qualifikation

Eine Qualifikation wurde im Hinblick auf die zweite Weltmeisterschaft 1991 eingeführt, als 24 Nationen um acht der 16 Plätze spielten. Bei der ersten Weltmeisterschaft 1987 gab es noch keine Qualifikation. Sieben Mannschaften waren als Mitglieder des Weltverbandes IRFB (International Rugby Football Board, heute IRB) automatisch qualifiziert, die übrigen neun Mannschaften wurden eingeladen.

Das bisherige Format sah vor, dass die acht Viertelfinalisten des vorhergehenden Turniers ohne Qualifikation teilnehmen, die übrigen zwölf Plätze wurden nach Kontinenten ausgespielt. Drei Mannschaften kamen hierbei aus Amerika, eine aus Asien, drei aus Europa und zwei aus Ozeanien. Die verbleibenden zwei Qualifikationsplätze wurden zwischen den Mannschaften, die die Qualifikation verpasst haben, in einer Barrage (engl. repechage) ausgespielt. So spielten die besten nicht direkt qualifizierten Mannschaften aus Afrika und Europa gegeneinander, der Sieger tritt gegen eine amerikanische Mannschaft an. Um die letzte verbleibende Position spielte eine Mannschaft aus Ozeanien und eine aus Asien.

Für die WM 2011 in Neuseeland sind die jeweils drei besten Mannschaften der Turniergruppen 2007 automatisch qualifiziert, sodass dann schon zwölf Teilnehmer feststehen. Dies erhöht die Bereitschaft in den fünfköpfigen Gruppen, noch engagiert um den dritten Platz zu kämpfen.

Endrunde

Telstra Stadium während der Weltmeisterschaft 2003

Im derzeitigen Modus wird das Turnier unter zwanzig Mannschaften über einen Monat in einem oder mehreren gastgebenden Ländern ausgetragen. In der anfänglichen Gruppenphase gibt es vier Gruppen mit je fünf Mannschaften. Die vier Halbfinalisten des vorherigen Wettbewerbs werden dabei auf die vier Gruppen verteilt, die übrigen vier Viertelfinalisten ebenso. Die Mannschaften, die über die Qualifikation zur Teilnahme gekommen sind, füllen die übrigen Plätze auf.

In der Gruppenphase spielt jede Mannschaft einmal gegen jeden ihrer Gruppengegner, wobei vier Punkte für einen Sieg und zwei Punkte für ein Unentschieden verliehen werden. Bonuspunkte können erzielt werden, wenn eine Mannschaft während eines Spiels vier oder mehr Versuche erzielt oder mit sieben oder weniger Punkten Unterschied verliert. Die beiden besten Mannschaften jeder Gruppe kommen ins Viertelfinale, wobei jeweils der Gewinner der einen Gruppe gegen den Zweiten einer anderen spielt. Die Viertelfinalsieger spielen unter sich die Halbfinals aus, in denen die Finalgegner bestimmt werden. Die Halbfinalverlierer spielen um den dritten Platz.

Geschichte

Vor Einführung der Weltmeisterschaft gab es im Rugby-Union-Sport mehrere Wettbewerbe, in denen Nationalmannschaften um Titel spielten. Das älteste bestehende Rugbyturnier ist das Six Nations und dessen Vorgänger, das zwischen England, Irland, Wales, Schottland, später Frankreich und seit 2000 Italien ausgespielt wird. Dieses Turnier war zwar eine rein europäische Angelegenheit, jedoch war es einer der wenigen regelmäßig ausgetragenen Wettkämpfe. Viermal, 1900, 1908, 1920 und 1924, war Rugby Teil der Olympischen Sommerspiele. Frankreich gewann die erste Goldmedaille, es folgte Australien, und die letzten beiden Male gewannen die Vereinigten Staaten. Danach entfernte das Internationalen Olympischen Komitee (IOC) Rugby aus dem Kanon der Sportarten.

Die Idee einer Weltmeisterschaft geht bis in die 1950er Jahre zurück, jedoch machte der Weltverband IRFB (heute IRB) seinen Mitgliedern klar, dass er einen solchen Wettbewerb strikt ablehne.[1] Zu Beginn der 1980er Jahre kam die Idee wieder zum Vorschein und wurde 1983 auf einer IRFB-Sitzung erneut abgelehnt. Die Australian Rugby Union (ARU) und die New Zealand Rugby Football Union (NZRFU), die Verbände Australiens und Neuseelands, verfassten daraufhin unabhängig voneinander einen Brief, der das IRFB aufforderte, eine Weltmeisterschaft durchzuführen. 1985 wurde diese Idee trotz Widerstandes, besonders von den irischen und britischen Delegationsmitgliedern, angenommen und die Ausrichtung der ersten Weltmeisterschaft folgerichtig an Australien und Neuseeland vergeben. Die entscheidende Stimme kam von den Delegierten Südafrikas, die das Projekt befürworteten, obwohl sie wussten, dass ein Boykott wegen der Apartheid es ihnen unmöglich machen würde, an dem Wettbewerb teilzunehmen.

Unter den 16 teilnehmenden Nationen gingen die All Blacks aus Neuseeland als Sieger hervor, nachdem sie Frankreich im Finale mit 29:9 bezwangen. England veranstaltete die folgende Weltmeisterschaft; einzelne Spiele wurden jedoch auch in Wales, Schottland, Irland und Frankreich ausgetragen. Australien siegte im Finale mit 12:6 über den Gastgeber England. 1995 kehrten die Springboks aus Südafrika nach dem Ende der Apartheid auf die internationale Bühne zurück. Als Gastgeber gewannen sie auch das Turnier, nach einem Finalsieg gegen Neuseeland. Nelson Mandela, bekleidet mit einem Springboks-Trikot und einer passende Schildmütze, überreichte Kapitän Francois Pienaar die Trophäe. Dieser Moment gehört zu den emotionalsten der Sportgeschichte.[2] Der Verlauf des Turniers und besagte Szene sind auch zentraler Bestandteil des Films Invictus – Unbezwungen von Clint Eastwood.

Die englische Weltmeistermannschaft feiert ihren Sieg in London.

Wales war Gastgeber im Jahr 1999, weitere Spiele fanden im Rest des Vereinigten Königreiches und in Frankreich statt. In diesem Jahr wurde die Zahl der Teilnehmer von 16 auf 20 erhöht. Australien gewann mit einem Sieg über Frankreich zum zweiten Mal den Weltmeistertitel. Das folgende Turnier sollte ursprünglich gemeinsam von Australien und Neuseeland ausgetragen werden; Differenzen zwischen dem IRB und der NZRFU über das Sponsoring, Werbung und den Kartenverkauf führten dazu, dass Australien zum alleinigen Ausrichter bestimmt wurde. England gewann den Titel mit einem Sieg über Australien, und damit kam erstmals ein Weltmeister aus der nördlichen Hemisphäre. 750.000 Menschen versammelten sich in London, um das heimkehrende Team zu feiern.[3]

Die Weltmeisterschaft 2007 fand in Frankreich statt, einige Spiele wurden auch in Wales und Schottland ausgetragen. Südafrika errang mit dem Finalsieg über Titelverteidiger England zum zweiten Mal nach 1995 den Weltmeistertitel.

Im November 2005 wurde Neuseeland zum Gastgeber 2011 gewählt. Japan und Südafrika hatten sich ebenfalls für die Ausrichtung beworben.

Am 28. Juli 2009 gab das IRB bekannt, dass die Weltmeisterschaften 2015 und 2019 von England respektive Japan ausgerichtet werden.[4] Erstmals ernannte der Verband die Gastgeber der zwei kommenden Titelspiele gleichzeitig.[5] Neben England und Japan hatten sich ebenfalls Italien und Südafrika beworben.[6]

Bestimmung des Ausrichters

Das gastgebende Land wird von den IRB-Mitgliedern ausgewählt. Organisiert wird das Turnier durch die Rugby World Cup Ltd (RWCL). Der Wahlvorgang wird von mehreren unabhängigen Notaren kontrolliert, die Wahl bleibt geheim. Bisher fanden alle Meisterschaften in Ländern statt, in denen der Rugbysport sehr populär ist. Mit der Wahl von Neuseeland zum Ausrichter 2011 setzt sich dieser Trend fort: Japan, eine traditionell schwächere Rugbynation, konnte sich nicht durchsetzen. Mittlerweile wird der Ausrichter fünf oder sechs Jahre vor dem Beginn der Veranstaltung bestimmt.

Die Wahl der Gastgeber ist ein kontrovers diskutiertes Thema. Es wird vermutet, dass die Bewerber, um Gastgeber zu werden, mit den stimmberechtigten IRB-Mitgliedern geheime Abmachungen treffen. So gab es im Jahr 2006 Vermutungen, dass der argentinische Rugbyverband für Neuseeland gestimmt habe, um als Gegenleistung an einem regelmäßig stattfindenden Turnier außerhalb der Weltmeisterschaft teilnehmen zu dürfen.[7]

Beliebtheit

Das Turnier gehört hinter der Fußball-Weltmeisterschaft und den Olympischen Spielen zu den größten Sportanlässen der Welt. Die erste Austragung 1987 hatte eine kumulierte Fernsehzuschauerzahl von 300 Millionen weltweit. 1991 betrug die Reichweite 1,75 Milliarden, im Jahr 1995 stieg diese Zahl auf 2,67 Milliarden und 1999 betrug sie drei Milliarden.[8] Die weltweite kumulierte Reichweite stieg im Jahr 2003 auf 3,5 Milliarden;[9] das Finale wurde in 205 Länder übertragen. Bei den 48 Spielen waren 1.837.547 Zuschauer in den Stadien anwesend, was einem Durchschnitt von 38.282 entspricht.[10]

Ergebnisse

Turniersieger

Jahr Gastgeber Finale Kleines Finale
Weltmeister Ergebnis 2. Platz 3. Platz Ergebnis 4. Platz
1987
Details
Australien
Neuseeland
Neuseeland
Neuseeland
29 : 9 Frankreich
Frankreich
Wales
Wales
22 : 21 Australien
Australien
1991
Details
England Australien
Australien
12 : 6 England
England
Neuseeland
Neuseeland
13 : 6 Schottland
Schottland
1995
Details
Südafrika Südafrika
Südafrika
15 : 12 n.V. Neuseeland
Neuseeland
Frankreich
Frankreich
19 : 15 England
England
1999
Details
Wales Australien
Australien
35 : 12 Frankreich
Frankreich
Südafrika
Südafrika
22 : 18 Neuseeland
Neuseeland
2003
Details
Australien England
England
20 : 17 n.V. Australien
Australien
Neuseeland
Neuseeland
40 : 13 Frankreich
Frankreich
2007
Details
Frankreich England
Südafrika
15 : 6 England
England
Argentinien
Argentinien
34 : 10 Frankreich
Frankreich
2011
Details
Neuseeland Neuseeland
Neuseeland
8 : 7 Frankreich
Frankreich
Australien
Australien
21 : 18 Wales
Wales
2015
Details
England
2019
Details
Japan


Länderspezifischer Erfolg

Insgesamt haben bisher 24 Nationalmannschaften an Endrunden der Rugby-Union-Weltmeisterschaft teilgenommen.

Von allen sieben bisherigen Turnieren wurde nur jenes im Jahr 2003 von einer Mannschaft aus der nördlichen Hemisphäre gewonnen. Jedoch stellte der Norden bisher jedes Mal – abgesehen von 1995 – einen Endspielteilnehmer. Von den Mannschaften, die im kleinen Finale um den dritten Platz spielten, kam ebenfalls die Hälfte aus Europa.

Nation  Weltmeister   Vize-Weltmeister   3. Platz   4. Platz 
Flag of New Zealand.svg Neuseeland 2 1 2 1
Flag of Australia.svg Australien 2 1 1 1
Flag of South Africa.svg Südafrika 2 0 1 0
Flag of England.svg England 1 2 0 1
Flag of France.svg Frankreich 0 3 1 2
Flag of Wales.svg Wales 0 0 1 1
Flag of Argentina.svg Argentinien 0 0 1 0
Flag of Scotland.svg Schottland 0 0 0 1

Zahlen und Rekorde

Der Leistungsunterschied zwischen den Topmannschaften der Welt und den schwächeren Teams trat 1987 offen zu Tage: Die All Blacks aus Neuseeland erzielten 74 Punkte im Spiel gegen Fidschi und Frankreich erzielte 13 Versuche gegen Simbabwe. Die meisten Punkte in einem WM-Spiel erzielten ebenfalls die All Blacks mit 145 im Jahr 1995 gegen Japan. Der größte Punktunterschied ist dagegen 142, erzielt von Australien gegen Namibia bei der Weltmeisterschaft 2003.

Bei seinem internationalen Durchbruch im Jahr 1995 stellte der Neuseeländer Jonah Lomu mehrere individuelle Rekordmarken auf. Er hält immer noch den Rekord für die meisten Versuche in WM-Endrunden – 15 in den beiden Turnieren 1995 und 1999 – und die meisten Versuche in einer Endrunde – acht im Jahr 1999. Dieser Rekord wurde erst 2007 von Bryan Habana (Südafrika) wieder erreicht. Weitere neuseeländische Spieler halten WM-Weltrekorde – unter anderem erzielte Grant Fox 1987 mit 126 die meisten Punkte in einem Turnier, Simon Culhane erzielte die meisten Punkte in einem Spiel mit 45 in dem Rekordmatch gegen Japan. Im selben Spiel brach er auch den Rekord für die meisten Erhöhungen in einem Spiel, indem er zwanzig Mal traf, während Marc Ellis mit sechs die meisten Versuche in einem einzelnen Spiel erzielte. Sean Fitzpatrick, der langjährige All-Blacks-Kapitän, spielte die meisten WM-Spiele mit 17 zwischen 1987 bis 1995. Im Zeitraum 1999 bis 2007 erzielte der Engländer Jonny Wilkinson die Rekordzahl von 249 Punkten.

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  1. www.Worldcupweb.com: The History of RWC (englisch)
  2. Paul Ackford: Wilkinson's moment after meeting doubts head-on, 24. November 2003 (englisch)
  3. BBC Sport Rugby Union: England honours World Cup stars, 9. Dezember 2003 (englisch)
  4. 2015 & 2019: It's England then Japan! Planet Rugby, 28. Juli 2009, abgerufen am 28. Juli 2009 (englisch).
  5. IRB: IRB to allocate two RWC tournaments in 2009, 8. Juli 2008 (englisch)
  6. IRB: RWC Tender Unions Present to the IRB Council, 13. Mai 2009 (englisch)
  7. PlanetRugby.com: Argentina spills the beans on 2011, 10. Januar 2006 (englisch)
  8. sevencorporate.com, 2. Oktober 2003 (englisch)
  9. Visa International Renews Rugby World Cup Partnership, 2. November 2005 (englisch)
  10. RWC 2003: „The Best Ever“, 24. November 2003 (englisch)

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