- Rüdiger Nehberg
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Rüdiger Nehberg (auch „Sir Vival“ genannt, von engl. survival „Überleben“; * 4. Mai 1935 in Bielefeld) ist ein deutscher Survival-Experte und Aktivist für Menschenrechte. Seine anfänglich aus reiner Abenteuerlust unternommenen entbehrungsreichen Expeditionen nutzte er später, um auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam zu machen.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Schon im Alter von drei Jahren startete Rüdiger Nehberg nach seinen Schilderungen seine erste „Expedition“. Er wollte zu seiner Oma, die am anderen Ende seiner Heimatstadt Bielefeld wohnte. Acht Stunden später wurde er allerdings von der Polizei aufgegriffen und statt Bonbons gab es mahnende Worte. Von 1951 bis 1960 begann Nehberg mit Radtouren um die halbe Welt. Ab 1965 arbeitete er dann als selbstständiger Konditor in Hamburg. Seine Konditorei mit bis zu 50 Mitarbeitern führte er 25 Jahre.
Inspiriert durch das Buch Zu den Goldquellen der Pharaonen: Allein auf dem reißenden Nil von Kuno S. Steuben, der 1959 den Fluss mit einem Floß befahren hatte.[1] befuhrt er zusammen mit Hinrich Finck, den er über eine Zeitungsanzeige kennenlernte, erstmals Anfang 1971 den Blauen Nil. Nach 12 Tagen auf dem Wasser und rund 200 km blieb das Boot in einem Affenbrotbaum hängen und konnte von ihnen nicht mehr befreit werden [2].
1972 starteten sie zusammen mit Kameramann Michael Teichmann den zweiten Versuch: In einem selbst konstruierten, stabileren Boot bezwangen sie nun den Fluss, wobei sie auch von feindseligen Eingeborenen beschossen wurden. Der Versuch, eine dreieinhalb Meter lange Felsenpython, die er nach langem Kampf im Wasser überwältigen konnte, lebend mit nach Hause zu nehmen und in sein Schlangenterrarium im Keller einzugliedern, misslang. Sie starb nach wenigen Tagen.
Eine dritte Überfahrt unternahm Nehberg im Januar 1975 zusammen mit seinem Freund Andreas Scholtz, erneut begleitet von Michael Teichmann als Fotograf und Kameramann. Am Morgen des 12. Januar wurde die Gruppe von einheimischen Räubern überfallen, wobei es zu einer Schießerei kam. Teichmann wurde dabei von hinten tödlich in den Kopf getroffen. Die Einheimischen konnten ausfindig gemacht werden und wurden wegen Mordes angeklagt.
Seit 1980 setzt Nehberg sich für das Indianervolk der Yanomami in Südamerika ein. Als Test für künftige Aktionen im Urwald legte er 1981 auf einem „Deutschlandmarsch“ von Hamburg nach Oberstdorf rund 1000 Kilometer zurück und lebte nur von dem, was er abseits der Zivilisation in der Natur fand. Die 23-tägige Aktion wurde von einem Team des ZDF dokumentiert und im Fernsehen ausgestrahlt. Im Jahre 1983 unternahm Nehberg seine erste Reise nach Südafrika. Nur mit einem Tagebuch ausgestattet durchwanderte er eine Strecke von fast 400 Kilometern, von De Aar bis East London. Seinen Tagebucheinträgen – die später in Auszügen in einem seiner Bücher veröffentlicht wurden – ist zu entnehmen, dass Nehberg zwei Tage ohne Flüssigkeit lebte. 1987 überquerte Rüdiger Nehberg mit einem Tretboot den Atlantik. Dafür trainierte er bei den Kampfschwimmern in Eckernförde.
Bei seiner Aktion „The Tree“ überquerte er im Jahre 2000 den Atlantik auf einem aus einer 350 Jahre alten Tanne bestehenden Floß. Damit trug er dazu bei, dass den Yanomami-Indianern ein geschütztes Reservat zugestanden wurde.[3] Am 31. Juli 2003 ließ er sich von einem Hubschrauber aus 50 Metern und ohne jegliche Ausrüstung in den brasilianischen Urwald abseilen, um den Regenwald mit all seinen Gefahren, wie z. B. den giftigen Pflanzen und Tieren, zu bezwingen. Zwischenzeitlich galt er als verschollen. In 25 Tagen durchquerte er jedoch den Urwald.
Nehberg ist außerdem der Initiator der Nachforschungen über den vermeintlichen Häuptling Tatunca Nara, einen ausgewanderten Deutschen namens Günther Hauck. Nara gilt seitdem als Hochstapler und Betrüger. Mehrere Menschen starben auf Touren durch den brasilianischen Urwald auf mysteriöse Weise. Naras angeblicher Stamm der Ugha Mongulala, der in der unterirdischen Stadt Akakor wohnhaft sein soll, weckte das Interesse mehrerer Abenteuerlustiger, die sich vom „selbstgemachten Häuptling“ (Nehbergs gleichnamiges Buch) dorthin führen lassen wollten, dort aber nie ankamen. Die Tode der Begleiter konnten nie aufgeklärt werden.
Im September 2000 gründete er die Menschenrechtsorganisation TARGET, die gute Erfolge im Kampf gegen die Beschneidung weiblicher Genitalien erzielt. Im November 2006 organisierte und finanzierte TARGET eine Konferenz unter der Schirmherrschaft des ägyptischen Großmuftis Ali Gum'a an der Al-Azhar-Universität in Kairo. Als Ergebnis dieser Konferenz verurteilten führende islamische Rechtsgelehrte die Praxis der Genitalverstümmelung. Im März 2009 besuchte Nehberg gemeinsam mit Tarafa Baghajati den in Qatar lebenden islamischen Rechtsgelehrten und Publizisten Yusuf Abdallah al-Qaradawi, der als die wichtigste zeitgenössische Autorität des sunnitischen Islam gilt. In einer ausgefertigten Fatwa des anerkannten Rechtsgelehrten wird die genitale Verstümmelung von Mädchen als „Teufelswerk“ bezeichnet und unter allen Umständen verboten, da sie gegen die Ethik des Islam gerichtet sei.[4][5]
Am 25. August 2009 heiratete Nehberg in zweiter Ehe seine langjährige Lebensgefährtin Annette Weber. Das Paar hatte sich 1996 bei einem Vortrag Nehbergs in Offenburg kennengelernt.[6] Sie leben in Rausdorf in Schleswig-Holstein.
Auszeichnungen
- Für sein Engagement für bedrohte Völker und für die Völkerverständigung, insbesondere für die Verständigung mit dem Islam, wurde Rüdiger Nehberg 2002 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
- Hamburger Bürgerpreis 2006
- Am 21. Januar 2008 erhielt Nehberg für sein Engagement gegen die Verstümmelung der weiblichen Genitalien das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.[7]
- Das Volk der Afar verlieh Nehberg gemeinsam mit Lebensgefährtin Annette Weber 2006 die Ehrenbürgerschaft.
Bücher von Rüdiger Nehberg
- Sir Vival blickt zurück: Resümee eines extremen Lebens. Malik, München 2010, ISBN 978-3-89029-374-5.
- Survival-Handbuch für die ganze Familie. ArsEd., München 2008, ISBN 978-3-7607-3498-9.
- Voll peinlich! Erlebte Geschichten. Malik, München 2008, ISBN 3-89029-352-2.
- Karawane der Hoffnung. Mit dem Islam gegen den Schmerz und das Schweigen. Malik, München 2006, ISBN 978-3-89029-322-6.
- Die Autobiographie. Malik, München 2005, ISBN 9783890292977.
- Abenteuer Urwald. Malik, München 2004, ISBN 3-89029-286-0.
- Echt verrückt! Erlebte Geschichten. Malik, München 2003, ISBN 9783890292649.
- Die Yanomami-Indianer. Rettung für ein Volk – Meine wichtigsten Expeditionen. Piper, München 2003. ISBN 3-492-23922-6.
- Überleben ums Verrecken. Malik, München 2002, ISBN 3-89029-219-4.
- Mit dem Baum über den Atlantik. Kabel, München 2000, ISBN 3-8225-0543-9.
- Survival-Abenteuer vor der Haustür. Piper, München 1999, ISBN 3-492-22715-5.
- Leben mit Risiko. Gespräche mit Hans-Dieter Schütt. Schwarzkopf und Schwarzkopf, Berlin 1998, ISBN 3-89602-143-5.
- Das Yanomami-Massaker. Den Tätern auf der Spur. Reise-Know-How-Verlag Rump, Bielefeld 1997, ISBN 3-89416-624-X.
- Über den Atlantik und durch den Dschungel. Eine Rettungsaktion für die Yanomami. Piper, München 1994, ISBN 3-492-11965-4.
- Der selbstgemachte Häuptling: Tatunca Nara alias Günther Hauck – oder wie man der Welt einen Bären aufbindet. Kabel, Hamburg 1991, ISBN 3-8225-0169-7.
- Die letzte Jagd. Die programmierte Ausrottung der Yanomami-Indianer und die Vernichtung des Regenwaldes. Kabel, Hamburg 1989, ISBN 3-8225-0121-2.
- Survival-Training. Droemer Knaur, München 1989, ISBN 3-426-07842-2.
- Im Tretboot über den Atlantik. Lübbe, Bergisch-Gladbach 1988, ISBN 3-404-60278-1.
- Medizin-Survival Überleben ohne Arzt. Goldmann, München 1988, ISBN 3-442-10430-0.
- Let's fetz: Heute beginnt der Rest des Lebens. Kabel, Hamburg 1984, ISBN 3-921909-82-1.
- Yanonámi: Überleben im Urwald. Kabel, Hamburg 1983, ISBN 3-921909-71-6.
- Abenteuer Abenteuer: Blauer Nil und Rudolfsee. Kabel, Hamburg 1982, ISBN 3-921909-61-9.
- Die Kunst zu überleben, Survival. Kabel, Hamburg 1979, ISBN 3-921909-75-9.
- Danakil – Zu Fuß durchs Höllenloch der Schöpfung. Kabel, Hamburg 1979, ISBN 3-921909-10-4.
- Drei Mann, ein Boot zum Rudolfsee. Mundus-Verlag, Stuttgart 1978.
- Drei Mann, ein Boot, der blaue Nil. Cotta, Stuttgart 1974, ISBN 3-7681-0079-0.
Filme
- Der Deutschlandmarsch 1981, Dokumentarfilm, 38 Minuten, ISBN 978-3-8312-9352-0
- Das Sperrmüllfloß Dokumentarfilm, 34 Minuten, ISBN 978-3-8312-9352-0
- Mit dem Tretboot nach Brasilien 1988, Dokumentarfilm, 42 Minuten
- Goldrausch in Amazonien 1989, Dokumentarfilm, 42 Minuten
- Wüste des Todes - Wettlauf durch den australischen Busch 1996, Dokumentarfilm, 45 Minuten
- Atlantikfahrt im Tannenbaum 2000, Dokumentarfilm, 30 Minuten
- Die Sache - Feldzug gegen ein Tabu 2006, Dokumentarfilm, 60 Minuten
- Karawane der Hoffnung 2009, Adolf-Grimme-Preis 2010
Weblinks
- Literatur von und über Rüdiger Nehberg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Persönliche Webpräsenz von Rüdiger Nehberg
Einzelnachweise
- ↑ Abenteuer am Blauen Nil und Omo-Fluß, Webseite von Rüdiger Nehberg, abgerufen am 25. Juli 2011; vgl. auch Rüdiger Nehberg: Abenteuer Abenteuer: Blauer Nil und Rudolfsee. Kabel, Hamburg 1982, ISBN 3-921909-61-9.
- ↑ Rüdiger Nehberg: Abenteuer Abenteuer: Blauer Nil und Rudolfsee. Kabel, Hamburg 1982, ISBN 3-921909-61-9.
- ↑ The Tree, Technikmuseum Speyer
- ↑ „Wird die Genitalverstümmelung je aufhören? In Kairo beschliessen islamische Gelehrte ein Verbot“, NZZ, 24. November 2006
- ↑ „In schönstem Ebenmaß“, Der Spiegel, 4. Dezember 2006, PDF-Datei
- ↑ Nehberg heiratet Lebensgefährtin In: Lübecker Nachrichten vom 29. August 2009, S. 15
- ↑ Rüdiger Nehberg erhält Bundesverdienstkreuz, Welt online 22. Januar 2008
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