SSGN

SSGN
Oscar-II-SSGN Omsk (K-186).

Ship Submersible Guided Missile Nuclear (SSGN), zu deutsch wörtlich: „Schiff, tauchfähig, Marschflugkörper, nuklear“ ist die offizielle Bezeichnung für atomgetriebene U-Boote mit einer Bewaffnung aus Marschflugkörpern (Sea-Launched Cruise Missiles, SLCMs). Die russische Bezeichnung lautet Podvodnaya Lodka Atomnaya Raketnaya Krylataya (PLARK, ПЛАРК).

Inhaltsverzeichnis

Abgrenzung

Vor einiger Zeit ließen sich SSGNs noch durch die Eigenschaft definieren, dass sie über lenkbare Marschflugkörper in gesonderten Rohren verfügten. Mittlerweile verfügen auch SSNs über die Fähigkeit, Marsch- und Seezielflugkörper abzufeuern, bei der amerikanischen 688(I)-Klasse sind sogar gesonderte Rohre zum Abfeuern von UGM-109 Tomahawks (Vertical Launching System, VLS) vorhanden. Die Grenze zwischen SSNs und SSGNs definiert sich daher heute im Wesentlichen darauf, ob die Flugkörper die Primärbewaffnung darstellen oder nicht.

SSGNs heute

SSGNs der US Navy

USS Ohio (SSGN-726) bei Umbauarbeiten zum SSGN im Jahr 2004.

Vier U-Boote der Ohio-Klasse werden seit 2003 zu SSGNs umgebaut. Anstelle der Silos für Interkontinentalraketen wurde ein VLS (Vertical Launching System) für 154 Tomahawk-Marschflugkörper mit konventionellen Sprengköpfen installiert. Bei diesen Booten handelt es sich um folgende Einheiten:

Alle vier Boote wurden zu Beginn ihres Umbaus als SSGN reklassifiziert.

SSGNs der russischen Marine (Wojenno Morskoi Flot)

Die russische Marine hat zur Zeit nur noch zwei Typen von SSGNs im Dienst:

Geschichte

Amerikanische Marine

USS Halibut, das erste amerikanische SSGN, beim Start eines Regulus-Flugkörpers
Risszeichnung eines SSGN der Ohio-Klasse

Die US Navy zeigte nach dem Zweiten Weltkrieg ein reges Interesse an Marschflugkörpern zur strategischen Verwendung gegen Landziele. Daher entwickelte sie aus der deutschen V1-Flügelbombe den Marschflugkörper SSM-N-8A Regulus. Auch einige U-Boote wurden zum Abfeuern des Regulus mit Rampen ausgerüstet, allerdings handelte es sich dabei größtenteils um konventionell motorisierte SSG-U-Boote.

Eine Ausnahme bildete daher die USS Halibut (SSGN-587). Sie war nuklear betrieben und basierte auf der USS Nautilus, war jedoch zum Abfeuern des Regulus-Marschflugkörpers stark modifiziert worden. Die Flugkörper wurden unter Deck gelagert. Zum Abfeuern des Regulus musste die Besatzung die Halibut auftauchen lassen und den Flugkörper auf einer Rampe an Deck in Startposition bringen. Die Halibut war zu diesem Zweck mit einem weit über die Wasseroberfläche ragenden Vorderdeck ausgestattet. Obwohl der Regulus eine recht präzise Waffe war, blieb die Halibut innerhalb der US-Marine ein Unikat. 1959 wurde die Weiterentwicklung des Regulus-Programms eingestellt. Dies hatte verschiedene Gründe: Zum einen wurden zur Abschreckung die weiter reichenden und mit stärkeren Atomsprengköpfen bestückbaren Interkontinentalraketen (SLBM) bevorzugt. Zum anderen waren Marschflugkörper noch nicht präzise genug lenkbar, um diese gegen etwas anderes als Landziele einsetzen zu können. Somit stellten Marschflugkörper zu jener Zeit kompliziert zu handhabende Waffen mit geringem Zerstörungspotenzial und niedriger Reichweite dar, sodass den SLBMs der Vortritt gewährt wurde. Die Halibut blieb jedoch noch bis 1965 als SSGN in Dienst und wurde dann zu einem SSN umrüstet.

Mit der Einführung der BGM-109 Tomahawk Anfang der 1980er Jahre änderten sich für die US Navy die Möglichkeiten eines Einsatzes von Marschflugkörpern. Die Tomahawk war kompakt genug, um zum Beispiel in der Los-Angeles-Klasse aus normalen Torpedorohren des Kalibers 533 mm unter Wasser abgefeuert zu werden. Daher konnten sämtliche eigentlich als SSN klassifizierten U-Boote ebenfalls strategisch eingesetzt werden. Einsätze dieser Art fanden unter anderem im Zweiten Golfkrieg statt. Ab 1985 wurden sogar einige Boote der Los-Angeles-Klasse im Rahmen des 688(i)-Programms mit separaten vertikalen Rohren für Tomahawks ausgerüstet. Dennoch blieben die U-Boote dieser Typen auch weiterhin als SSN klassifiziert, da ihre Hauptaufgaben nicht denen eines SSGN entsprachen. Neben den Tomahawk konnten auf den Booten der Los-Angeles-Klasse auch UGM-84 Sub Harpoon-Antischiffsraketen mitgeführt und über die Torpedorohre abgefeuert werden, kamen bisher aber nicht zum Einsatz.

1990 wurde auf den amerikanischen SSBNs die C4-Version der Trident-Interkontinentalrakete durch das neue Model D5 ersetzt, das jetzt 5 statt 4 Sprengköpfe pro Rakete tragen konnte. Da das START-II-Abkommen die Gesamtzahl von Nuklearsprengköpfen begrenzte, verteilte sich das Atomwaffenkontingent der US Navy nun auf eine geringere Anzahl an SSBNs, sodass Trägerkapazitäten frei wurden. Daher wurden ab 2003 vier SSBNs der Ohio-Klasse in der oben beschriebenen Weise zu SSGNs umgebaut.

Im Gegensatz zu russischen SSGNs sollen amerikanische Boote dieses Typs vor allem statische Landziele wie Gebäude, Bunker und Flugzeughangars bekämpfen. Amerikanische U-Boote führten solche Einsätze nach dem Golfkrieg sowohl im Kosovo-Krieg als auch im Irakkrieg durch.

Russische bzw. Sowjetische Marine

Echo II beim Abfeuern von Marschflugkörpern SS-N-3 bzw SS-N-12

In der russische Marine haben SSGNs eine längere Tradition. Zunächst waren sie in Ermangelung von auf U-Booten transportierbaren Interkontinentalraketen Mittel zur nuklearen Abschreckung. Auf der Basis des Projekts 627 (November-Klasse) wurden zunächst die Boote des von der NATO als Echo-Klasse bezeichneten Projekts 659 gebaut, deren Marschflugkörper der Typen SS-N-5 und SS-N-13 in aufstellbaren Gehäusen im oberen Schiffsrumpf untergebracht waren. Wie auch der Regulus waren auch diese Marschflugkörper für den Einsatz gegen Landziele ausgelegt. Nachdem allerdings ab Mitte der 1960er Jahre mit der Yankee-Klasse (Projekt 667) ein brauchbares SSBN mit Interkontinentalraketen verfügbar war, wurden die Boote der Echo-Klasse auf Seezielflugkörper des Typs SS-N-3 umgerüstet, die ursprünglichen aufstellbaren Startbehälter jedoch beibehalten. Von nun an betrachtete die sowjetische Marine ihre SSGN-Flotte als potenzielle Gegenmaßnahme gegen die amerikanischen Flugzeugträgerkampfgruppen.

Nach den recht unbeholfenen Maßnahmen zum Abfeuern von Flugkörpern auf der Echo-Klasse brachte ab 1968 das Projekt 670 Skat (Charlie-Klasse) eine wesentliche Neuerung mit sich. Die Marschflugkörper der Typen SS-N-7 oder SS-N-9 waren in schräg nach oben gerichteten Rohren im Schiffsrumpf untergebracht und konnten nun auch aus Seerohrtiefe abgefeuert werden. Ebenso waren diese Marschflugkörper nun nicht mehr ursprünglich zum Einsatz gegen Landziele, sondern bevorzugt zur Bekämpfung von Seezielen konzipiert. Ein U-Boot des Typs Charlie wurde 1988 unter dem Namen INS Chakra für drei Jahre an die Indische Marine vermietet. Zur selben Zeit wurden auch einzelne Boote der Yankee-Klasse unter der Bezeichnung Projekt 667AR Gruscha (Yankee Notch) zu SSGN umgebaut. Bei diesen Booten fanden sich anstelle der ICBM-Silos senkrecht angeordnete Startvorrichtungen für insgesamt 40 Flugkörper.

Auch die 1969 vom Stapel gelassene Papa-Klasse (Projekt 661 Anchar) wurde als Jagd-SSGN konzipiert. Sie verfügte über einen Rumpf aus Titan und erreichte eine Geschwindigkeit von fast 45 Knoten. Nach Ansicht der sowjetischen Marineführung waren hohe Geschwindigkeiten unerlässlich für die Jagd auf Flugzeugträgerkampfgruppen, die durchgängig 30 kn und mehr liefen. Die Charlie-Klasse erreichte lediglich 25 kn und war damit als zu langsam erachtet worden, was durch weit reichende Flugkörper ausgeglichen werden sollte. Allerdings waren derart hohe Geschwindigkeiten nur mit inakzeptaler Geräuschentwicklung zu realisieren, sodass die Pläne für schnelle SSGNs bald wieder vom Tisch waren und von der Papa-Klasse lediglich ein Prototyp hergestellt wurde. Spätere Entwicklungen waren weniger radikal und enthielten daher vor allem stromlinienförmige Rümpfe und bessere Geräuschdämpfungen, sodass neuere SSGNs mit den Flugzeugträgern ungefähr mithalten konnten, aber durch einen geringeren Geräuschpegel schwerer zu orten waren.

Die dritte Generation russischer SSGNs wies alle diese Eigenschaften auf und wird durch die Mitte der 1980er entwickelte Oscar-II-Klasse (Projekt 949 Granit/Antej) repräsentiert, der unter anderem auch die Kursk angehörte. Bei diesen Booten reagierte man auf neue Entwicklungen wie die CIWS, mit der ein Abschuss anfliegender Flugkörper möglich war. Diese Klasse verfügte daher über 24 innerhalb weniger Sekunden abfeuerbarer Raketen, von denen einzelne die Raketenabwehr durchbrechen sollte. Als modernste verfügbare SSGN blieben sämtliche Oscars auch nach dem Zusammenbruch der UdSSR im Dienst.

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