Sachsenhain

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Der Sachsenhain ist eine ehemalige, großflächige Denkmalanlage der Nationalsozialisten im niedersächsischen Verden (Aller).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die 1934 vom Chefideologen der NSDAP, Alfred Rosenberg, geforderte antichristliche Gedenkstätte wurde im Auftrag der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe vom Reichsarbeitsdienst angelegt. Ausführender Architekt war Wilhelm Hübotter, leitender Ingenieur Reinhard Berkelmann.

Zwischen 1934 und 1936 ließ der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, für den Sachsenhain 4.500 Findlinge zusammentragen und entlang eines zwei Kilometer langen Rundwegs aufstellen, als Gedenkstätte für die angeblich 4.500 heidnischen Sachsen, die von Karl dem Großen beim Blutgericht von Verden an dieser Stelle hingerichtet worden sein sollen.

Die Bauern der Umgebung wurden verpflichtet, jeden Findling, den sie fanden, dort bereitzustellen. Unter den Findlingen befinden sich auch Rinnen- und Opfersteine, was den Schluss nahelegt, dass durch die Maßnahme eine größere Anzahl Megalithgräber im Umland unwiederbringlich zerstört wurde. Da die geforderte Anzahl von 4.500 Findlingen nicht beschafft werden konnte, wurden die Lücken mit Bruchsteinen aufgefüllt.

Im Süden gibt es zwei Kanzeln, die auf eine große Wiese, den sogenannten Thingplatz, ausgerichtet sind. Einen wirklichen Thingplatz hat es an dieser Stelle nie gegeben. Im Norden der Anlage wurden fünf alte niedersächsische Fachwerkhäuser (darunter der Zehnthof des Herzogs Christian von Wolfenbüttel)[1], die nach ihrem Abbruch an anderen Orten restauriert worden waren, wieder aufgebaut und der 80. SS-Standarte als Schulungsstätte übergeben. Zum Bau der Schulungsstätte wurde von der Schutzstaffel (SS) das Außenlager Verden, ein Außenlager des KZ Neuengamme, von Januar bis April 1945 betrieben.[2] Der Innenbereich des Haines diente der SS als Übungsplatz.

Am 21. Juni 1935 fand eine große Einweihungs- und Sonnenwendfeier statt, in der die als heidnische Kultstätte und SS-Aufmarschplatz geplante, noch unfertige Anlage von Alfred Rosenberg, Heinrich Himmler und Walther Darré (Reichsbauernführer und Leiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS) eingeweiht wurde.

Der Sachsenhain wird auch heute noch fälschlicherweise mit der angeblichen Hinrichtung von 4.500 Sachsen durch Karl den Großen im Jahr 782 in Verbindung gebracht. Tatsächlich handelt es sich jedoch nicht um einen Ort sächsischer Geschichte. Vielmehr dokumentiert der Sachsenhain einen Versuch der Nationalsozialisten, Geschichte propagandistisch umzudeuten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wohnten zunächst Vertriebene in den Häusern. Ab 1950 pachtete die Evangelische Jugend die Häuser von der britischen Militärregierung, 1956 erwarb die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers das Gelände vom Land Niedersachsen.[1] Der Evangelisch-lutherische Landesjugenddienst Hannover e.V. betreibt dort seit 1950 den „Evangelischen Jugendhof Sachsenhain“, eine Bildungs- und Tagungsstätte. 1976 wurden Teile der Anlage durch einen Brand zerstört, 1979 konnten die Häuser wieder genutzt werden.

Der steingesäumte Rundweg im Gelände des Jugendhofes ist zugänglich und ein Touristen- und Ausflugsziel, aber auch Anziehungspunkt für Neonazis und rechtsextreme, „neuheidnische“ Gruppen.[3]

Literatur

  • Ev.-luth. Landesjugenddienst e.V. Hannover (Hrsg.): Lebendige Steine. Der Evangelische Jugendhof wird 50. Hildesheim 2000, ISBN 3-9804792-2-6.
  • Justus H. Ulbricht: „Heil Dir, Wittekinds Stamm“. Verden, der „Sachsenhain“ und die Geschichte völkischer Religiosität in Deutschland. In: Heimatkalender für den Landkreis Verden: Verdener Sachsenhain, Jahrbuch 1995, S. 69–123 (Teil 1) und 1996, S. 224–267 (Teil 2), Herausgeber: Landkreis Verden, ISSN 0948-9584.
  • Michael H. Kater: Das „Ahnenerbe“ der SS 1935–1945: Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2006, ISBN 3-486-57950-9.
  • Hans-Helmut Peters: Lebendige Steine, in: Peter Becher/Rolf Koppe (Hg.): fünf Kirchen unter einem Dach. Evangelische Heimatkunde, Lutherhaus Verlag, Hannover 1981, Seite 70-72, ISBN 3-87502-061-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Hans-Helmut Peters: Lebendige Steine, in: Peter Becher/Rolf Koppe (Hg.): fünf Kirchen unter einem Dach. Evangelische Heimatkunde, Lutherhaus Verlag, Hannover 1981, Seite 71, ISBN 3-87502-061-8
  2. Marc Buggeln: In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Bd. 5, Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. Beck-Verlag, München 2007, ISBN 3-406-52965-8, S. 530.
  3. Bremer Tageszeitungen AG (Hrsg.): Sie marschieren wieder …. Bremen 2005, ISBN 3-938795-00-X, S. 38 (online, abgerufen am 14. Mai 2008).
52.9455555555569.225

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