- Solid South
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Der Begriff Solid South (deutsch etwa Geschlossener Süden) war bereits während der Reconstruction in den 1870er Jahren als Schlagwort für die politische, gesellschaftliche und kulturelle Geschlossenheit der US-amerikanischen Südstaaten bekannt.[1] Später wurde er vor allem zum Synonym für die großen Wahlerfolge der Demokratischen Partei in diesen Staaten von 1876 bis 1964 bei Präsidentschafts- wie bei sonstigen Wahlen.
Inhaltsverzeichnis
Die große Zeit des Solid South
Die Dominanz der Demokratischen Partei im Süden ergab sich aus dem Misstrauen zahlreicher Südstaatler gegenüber der Republikanischen Partei, die während der Reconstruction für die Stärkung der Rechte der Afroamerikaner eintrat. Aufrechterhalten wurde sie durch die Unterstützung der Demokratischen Partei für die Rassentrennung (Segregation) in Form der so genannten „Jim Crow laws“. Bei jeder Präsidentschaftswahl von 1876 bis 1948 gewannen die demokratischen Kandidaten im Süden mit großem Vorsprung. Selbst 1928, als der Irisch-Amerikaner Al Smith aus New York als erster Katholik für die Partei kandidierte und landesweit abgeschlagen verlor, erhielt er nahezu drei Viertel der Wahlmännerstimmen der früher zu den Konföderierten Staaten von Amerika gehörenden südlichen Bundesstaaten.
Der Solid South bröckelt (1948–1964)
1948–1956
Der Solid South begann zu bröckeln, als sich der demokratische Präsident Harry S. Truman der Bürgerrechtsbewegung zuwandte. Seine politische Linie, verbunden mit der Aufnahme der Bürgerrechte als Punkt in das Parteiprogramm der Demokraten von 1948, veranlasste zahlreiche Südstaatler dazu, im Juli 1948 die Democratic National Convention zu verlassen und die streng segregationistische „States' Rights Democratic Party“ (umgangssprachlich „Dixiecrats“) zu gründen. Diese Splitterpartei spielte eine bedeutende Rolle bei der Präsidentschaftswahl von 1948. Der Kandidat der Dixiecrats, Strom Thurmond, gewann die bisher traditionell demokratischen Staaten Alabama, Louisiana, Mississippi und South Carolina. Die Republikaner konnten 1948 allerdings noch keine Gewinne im Süden verbuchen; die Mehrzahl der südlichen Wahlmännerstimmen ging nach wie vor an Truman. Bei den Wahlen von 1952 und 1956 gewann der populäre Republikaner Dwight D. Eisenhower einige Staaten des Upper South sowie Florida, mit guten Ergebnissen vor allem in den neuen Vorstädten. 1956 gewann Eisenhower auch Louisiana; damit war er der erste Republikaner seit Rutherford B. Hayes 1876, der eine Mehrheit in diesem Staat erringen konnte. Der Rest des Deep South blieb bei den Wahlen 1952 und 1956 jedoch weiterhin eine sichere Bank für Eisenhowers demokratischen Gegenkandidaten Adlai Stevenson.
1960
Bei der Wahl 1960 setzte der demokratische Kandidat John F. Kennedy die Tradition seiner Partei fort, einen Südstaatler zum Kandidaten für das Vizepräsidentenamt zu machen (in diesem Fall Senator Lyndon B. Johnson aus Texas). Kennedy unterstützte allerdings die Bürgerrechtsbewegung. Als im Oktober 1960 Martin Luther King während eines friedlichen Sit-ins in Atlanta verhaftet wurde, führte Kennedy ein mitfühlendes Telefongespräch mit Kings Ehefrau Coretta Scott King und auch Robert Kennedy setzte sich für Kings Freilassung ein. King sprach seine Anerkennung für diese Aktionen aus. Obwohl King selbst keinen Präsidentschaftskandidaten öffentlich unterstützte, erklärte sein Vater, der sich zuvor für den Republikaner Richard Nixon ausgesprochen hatte, seinen Wechsel zu Kennedy. Bedingt durch diesen und andere Vorfälle verloren die Demokraten bei weißen Wählern im Süden erheblich an Boden. Die Wahl von 1960 war die erste, bei der ein republikanischer Präsidentschaftskandidat Wahlmännerstimmen im Süden gewann und gleichzeitig USA-weit verlor. Nixon gewann Virginia, Tennessee und Florida. In Mississippi und Alabama gewannen unabhängige Listen von Wahlmännern, die aus segregationistischen Demokraten bestanden. Sie gaben bei der Wahlmännerversammlung im Dezember 1960 überwiegend dem demokratischen Senator Harry F. Byrd aus Virginia, der selbst keine Kandidatur angestrebt hatte, ihre Stimme.
1964
Die Haltung der Partei zu den Bürgerrechten entwickelte sich bis zur Wahl 1964 weiter. Der demokratische Kandidat Johnson, der nach Kennedys Ermordung Präsident geworden war, setzte sich stark für die Verabschiedung des Civil Rights Act von 1964 ein. Nach der Unterzeichnung dieses Meilensteins in der Bürgerrechtsgesetzgebung im Sommer 1964 sagte Johnson zu seinem Mitarbeiter Bill Moyers: „Ich glaube, dass wir soeben den Süden für lange Zeit an die Republikanische Partei abgetreten haben.“[2] Im Gegensatz zu Johnson hatte sein republikanischer Herausforderer, Senator Barry Goldwater aus Arizona, den Civil Rights Act von 1964 abgelehnt, mit der Begründung, das Gesetz verleihe der Bundesregierung zu viel Macht. Grundsätzlich unterstützte Goldwater allerdings durchaus die Bürgerrechte, so stimmte er etwa für die Civil Rights Acts von 1957 und 1960 sowie für den 24. Verfassungszusatz, der die die Afroamerikaner benachteiligende Wahlsteuer verbot. Im November 1964 errang Johnson einen Erdrutschsieg, die Republikaner erlitten erhebliche Verluste bei den Wahlen zum Kongress. Goldwater dagegen gewann neben seinem Heimatstaat Arizona fünf Staaten des Deep South. Zum ersten Mal hatte zumindest der tiefe Süden seine Parteipräferenz umgekehrt. Bis 1956 hatte die Region fast immer die einzigen Wahlmännerstimmen für demokratische Herausforderer gegen populäre republikanische Amtsinhaber geliefert. Jetzt versorgte der Süden dagegen einen republikanischen Herausforderer mit Wahlmännerstimmen gegen einen populären demokratischen Amtsinhaber. Allerdings ging immer noch die Mehrheit der südlichen Wahlmännerstimmen an den demokratischen Kandidaten – zum letzten Mal bis 1976.
Das Ende des Solid South durch Nixons „Southern strategy“
1968
Bei der Präsidentschaftswahl 1968 machte sich der republikanische Kandidat Richard Nixon den Trend von 1964 mit seiner „Southern strategy“ zu Nutze. Diese neuartige Kampagne sollte die Republikanische Partei für diejenigen weißen Südstaatler interessant machen, die konservativer und segregationistischer eingestellt waren als die US-weite offizielle Linie der Demokratischen Partei. Als Ergebnis dieser Strategie fiel mit Vizepräsident Hubert H. Humphrey zum ersten Mal in der Geschichte ein Kandidat der Demokraten im Süden nahezu vollständig durch; lediglich Texas konnte er gewinnen. Der Rest der Staaten der Region verteilte ihre Mehrheiten auf Nixon und den Kandidaten der streng segregationistischen American Independent Party, George Wallace, Gouverneur von Alabama. Letzterer gewann die Wahlmännerstimmen von Alabama, Arkansas, Georgia, Louisiana und Mississippi. Nixon verfügte über eine üppige Mehrheit im Wahlmännerkollegium, obwohl er bei der Wahl durch die Bevölkerung nur 0,7 % vor dem Demokraten Humphrey lag.
1972–2004
Nach Nixons erdrutschartiger Wiederwahl 1972, bei der er auch in allen Südstaaten gewann, erlebten die Demokraten 1976 mit dem Wahlsieg Jimmy Carters aus Georgia ein kurzfristiges Comeback im Süden. 1976 war das letzte Jahr, in dem ein demokratischer Präsidentschaftskandidat eine Mehrheit bei den Wahlmännerstimmen der Südstaaten erreichen konnte. Bei seiner gescheiterten Kandidatur zur Wiederwahl 1980 konnte Carter dagegen als einzige Südstaaten nur noch seinen Heimatstaat Georgia sowie die als „Border states“ nur bedingt dem Süden zugerechneten West Virginia und Maryland gewinnen.
1984 gewannen die Republikaner alle Wahlmännerstimmen des Südens, 1988 alle außer in West Virginia. 1992 und 1996, als zwei Südstaatler (Bill Clinton als Präsidentschaftskandidat und Al Gore als Kandidat für die Vizepräsidentschaft) für die Demokratische Partei ins Rennen gingen, teilte sich die Region in Staaten mit republikanischer und Staaten mit demokratischer Mehrheit auf. 2000 konnte Al Gore dagegen keine Wahlmännerstimmen aus dem Süden gewinnen, nicht einmal aus seinem Heimatstaat Tennessee. Allerdings lagen in Florida, wo George W. Bush zum Sieger erklärt wurde, die Stimmenzahlen bei der Wahl durch das Volk äußerst eng beieinander. Das Muster von 2000 setzte sich auch bei der Wahl 2004 fort: Die Kandidaten John Kerry (Präsident) und John Edwards (Vizepräsident) erhielten keine Wahlmännerstimmen aus dem Süden, obwohl Edwards aus North Carolina stammt.
Aktuelle Entwicklungen
Heute gelten die Südstaaten zumindest bei Präsidentschaftswahlen als Hochburg der Republikanischen Partei. Eine Ausnahme stellt Florida dar, das zahlreiche Immigranten und aus allen Teilen der USA zugezogene Rentner zum Swing State machen. In Virginia siegten die Republikaner in einigen Präsidentschaftswahlen nur knapp vor den Demokraten. Bei der Wahl 2008 konnte in diesem Staat mit dem aus Illinois stammenden afroamerikanischen Kandidaten Barack Obama zum ersten Mal nach 1964 und zum zweiten Mal nach 1948 wieder ein Demokrat gewinnen. Obama setzte sich auch in Florida und North Carolina durch. Von den elf Südstaaten North und South Carolina, Alabama, Mississippi, Georgia, Louisiana, Texas, Arkansas, Tennessee, Virginia und Florida gingen acht an den republikanischen Bewerber John McCain, so dass sich auch 2008 der aktuelle Zustand nicht grundlegend änderte.
Aus anderen als Präsidentschaftswahlen (Senat, Repräsentantenhaus, Gouverneur) gehen im Süden teils Republikaner, teils Demokraten als Sieger hervor. Hier tendieren insbesondere Louisiana, Arkansas und Tennessee mehr als andere Südstaaten dazu, öfter Demokraten zu wählen. Zahlreiche große Unternehmen eröffnen wegen günstiger Unternehmensgesetze im Süden, insbesondere in North Carolina, Georgia und Texas, Filialen oder verlegen ihren Firmensitz dorthin. Anhänger der Demokratischen Partei hoffen, dass die dadurch hervorgerufenen demografischen Veränderungen dort ihrer Partei nützen könnten.
Eine zum Süden umgekehrte Entwicklung machte der Nordosten der Vereinigten Staaten, der bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eine Hochburg der Republikaner war. Die Demokratische Partei verbuchte hier nach und nach Gewinne, von 1992 an erhielt in einem geografisch geschlossenen Gebiet von elf nordöstlichen Staaten von Maryland bis Maine stets der Präsidentschaftskandidat der Demokraten (mit Ausnahme der Wahl 2000 in New Hampshire) eine Mehrheit. Verbunden mit dem ebenfalls guten Abschneiden der Demokratischen Partei bei den Kongresswahlen in diesen Staaten wurde in der US-amerikanischen Presse der Begriff „Solid Northeast“ gebildet.[3][4] Ähnlich verhält es sich mit den Staaten an der Westküste. Diese tendierten bis in die 1980er Jahre hinein stark zu den Republikanern. Später gewannen in Oregon und Washington (seit 1988) sowie Kalifornien (seit 1992) dagegen ununterbrochen die Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei.
Afroamerikaner bevorzugten bis in die 1930er Jahre hinein die Republikaner als Partei der Sklavenbefreiung. Mit Franklin D. Roosevelts New Deal begannen sie sich vermehrt für die Demokratische Partei zu entscheiden. Verstärkt wurde dieser Trend in den 1960er Jahren durch die Bürgerrechtsbewegung. Bei der Präsidentschaftswahl 2004 gaben 89 % aller afroamerikanischen Wähler John Kerry ihre Stimme,[5] 2008 wird die Zustimmung der Afroamerikaner zu Barack Obama mit 96 % angegeben.[6] Diejenigen Countys in den Südstaaten, in denen Obama eine Mehrheit erhielt, waren signifikant häufig Schwerpunktgebiete des Baumwollanbaus um 1860, was mit einem auch aktuell hohen Anteil von Afroamerikanern an der Gesamtbevölkerung dieser Regionen erklärt wird.[7] Diese Countys decken sich im Großen und Ganzen auch mit dem so genannten Black Belt.
Präsidentschaftskandidaten mit Mehrheit in den ehemaligen Konföderierten Staaten seit 1876
Farblegende Kandidat der Republikaner Kandidat der Demokraten Nicht nominierter Kandidat der Demokraten Kandidat der Dixiecrats Kandidat der American Independent Party (*) Von den elf Wahlmännern der Demokratischen Partei in Alabama stimmten fünf für John F. Kennedy und sechs für Harry F. Byrd.
(**) Alle acht Wahlmänner der Demokratischen Partei in Mississippi stimmten für Harry F. Byrd.Einzelnachweise
- ↑ Hilary Abner Herbert: Why the Solid South? Or, Reconstruction and its Results. Woodward, Baltimore 1890. Nachdruck Negroe Universities Press, New York 1969, ISBN 0-8371-1535-3
- ↑ http://www.digitalnpq.org/archive/1987_winter/second.html Aufgerufen 5. Oktober 2008
- ↑ The Washington Post, 8. November 2006 aufgerufen 3. Februar 2010
- ↑ The Washington Monthly, 10. November 2006 aufgerufen 3. Februar 2010
- ↑ http://www.npr.org/templates/story/story.php?storyId=4172453 Aufgerufen 5. Oktober 2008
- ↑ http://www.politico.com/news/stories/1108/15297.html Aufgerufen 2. März 2009
- ↑ http://strangemaps.wordpress.com/2008/11/15/330-from-pickin-cotton-to-pickin-presidents/ Aufgerufen 2. März 2009
Siehe auch
Literatur
- George Brown Tindall: The Disruption of the Solid South. University of Georgia Press, Athens 1972, ISBN 0-8203-0280-5
- Monroe Lee Billington: The Rise and Decline of the Solid South. Forum Press, St. Charles 1975, ISBN 0-8827-3062-2
- Dewey Wesley Grantham: The Life and Death of the Solid South. A Political History. University Press of Kentucky, Lexington 1988, ISBN 0-8131-0308-8
- Kari A. Frederickson: The Dixiecrat Revolt and the End of the Solid South, 1932-1968. University of North Carolina Press, Chapel Hill 2001, ISBN 0-8078-2594-8
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