Stuckart

Stuckart

Wilhelm Stuckart (* 16. November 1902 in Wiesbaden; † 15. November 1953 bei Hannover) war ein promovierter Jurist und nationalsozialistischer deutscher Politiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Stuckart war Sohn eines Bahnangestellten und wurde christlich erzogen. Nach dem Abitur schloss er sich 1919 dem Freikorps von Epp an. Ab 1922 studierte er Rechtswissenschaft an den Universitäten München und Frankfurt am Main. In die NSDAP trat er im Dezember 1922 ein (Mitgliedsnr. 378.144)[1] und wurde ab 1926 deren Rechtsberater.[2] 1928 promovierte er zum Dr. jur. mit dem Thema „Erklärung an die Öffentlichkeit, insbesondere die Anmeldung zum Handelsregister“. Ab 1930 amtierte er als Amtsrichter, von 1932 bis März 1933 war er Anwalt und Rechtsreferent der SA in Pommern. Stuckart gehörte der SA ab 1932 an. Nachdem er zunächst von April bis Mai 1933 kurzzeitig kommissarisch Bürgermeister in Stettin war,[2] wechselte er im Juni 1933 als Staatssekretär ins Preußische Kultusministerium, wurde im Juli 1934 Staatssekretär im neugebildeten Reichserziehungsministerium und im März 1935 Staatssekretär im Reichsministerium des Innern.[3] 1936 trat er in die SS ein (Mitgliedsnr. 280.042)[1] und wurde bis 1944 zum SS-Obergruppenführer befördert.

Stuckart war an der Ausarbeitung der antijüdischen Gesetzgebung beteiligt und verfasste 1936 gemeinsam mit Hans Globke den sogenannten Kommentar zur deutschen Rasengesetzgebung zu den Nürnberger Gesetzen. 1942 nahm er als Staatssekretär an der berüchtigten Wannseekonferenz teil.[3]

Als Wilhelm Frick als Reichsinnenminister abgelöst wurde, machte sich Stuckart Hoffnung auf dieses Amt. Goebbels trug unter dem 21. August 1943 in seinem Tagebuch ein: „Stuckart ist durch die Entwicklung um RIM etwas bedrückt. Ich kann das verstehen; er hätte es ja eigentlich verdient, die Verwaltung zu übernehmen.“[4] Heinrich Himmler, der zum Reichsinnenminister ernannt wurde, kümmerte sich wenig um sein Amt und delegierte seine Befugnisse weitestgehend an Stuckart, dem er auch die personalpolitischen Entscheidungen überließ.[5]

Im Mai 1945 wurde Stuckart als Reichsinnenminister der Regierung Dönitz in Flensburg interniert.

In der Sowjetischen Besatzungszone wurden sämtliche Schriften Stuckarts auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[6]

Stuckart musste sich 1948/49 als Kriegsverbrecher verantworten. Im Wilhelmstraßen-Prozess stellte er seinen auf der Wannseekonferenz vorgebrachten Plan, alle „Halbjuden“ zu sterilisieren, als Verzögerungstaktik dar: Die jüdischen „Mischlinge“ seien dadurch von Deportation und Ermordung bewahrt worden; die Durchführung einer Massensterilisation sei während des Krieges ausgeschlossen gewesen. Nachdem der ebenfalls mit „Judenangelegenheiten“ befasste, 1944 jedoch wegen seiner Verbindungen zum Widerstand inhaftierte Bernhard Lösener als Zeuge diese Version weitgehend bestätigt hatte, sah das Gericht diesen Vorwurf zugunsten Stuckarts als nicht zweifelsfrei geklärt an. Die Richter werteten jedoch Stuckarts Ausarbeitung der Nürnberger Gesetze und deren Durchführungsverordnungen als Bestandteil des Vernichtungsprogramms.[7] Er sei mit seinen „in der friedlichen Stille (der) Büros in den Ministerien“ entworfenen Gesetzen und Verordnungen genau so schuldig, wie „die Kommandanten in den Todeslagern“. Die Strafe von 3 Jahren und 10 Monaten galt mit der Urteilsverkündung als verbüßt, weil seine Internierungszeit angerechnet wurde.

Wilhelm Stuckart gelang es, in der jungen Bundesrepublik schnell Karriere zu machen. Von den deutschen Behörden wurde er 1950 nur als „Mitläuferentnazifiziert eingestuft und wurde 1952 zu 50.000 DM Geldstrafe verurteilt.

Zu dieser Zeit war er bereits Geschäftsführer des „Instituts zur Förderung der niedersächsischen Wirtschaft“. Auch politisch wurde er schnell wieder aktiv und engagierte sich im niedersächsischen Vorstand des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), der es unter Führung des Bundesvertriebenenministers Theodor Oberländer bis zur Regierungsbeteiligung brachte. Stuckart war auch Mitglied der 1952 verbotenen neonationalsozialistischen Sozialistischen Reichspartei.[8]

Kurz vor seinem Tod durch einen Verkehrsunfall hatte er in einem Verfahren nach Artikel 131 des Grundgesetzes die Festsetzung ruhegehaltsfähiger Dienstbezüge nach B 3 erreicht.

SS-Laufbahn

  • SS-Standartenführer, 13. September 1936[1]
  • SS-Oberführer, 30. Januar 1937[1]
  • SS-Brigadeführer, Januar 1938[9]
  • SS-Gruppenführer, Januar 1942[2]
  • SS-Obergruppenführer, Januar 1944[2]

Belegstellen

  1. a b c d SS-Personalkanzlei: SS-Dienstaltersliste der Schutzstaffel der NSDAP, Stand 1. Dezember 1937, Reichsdruckerei, Berlin 1937, S.18 u. 19
  2. a b c d Hermann Weiß (Hrsg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main, 1998, S. 452.
  3. a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 611f.
  4. Die Tagebücher des Joseph Goebbels hrsg. von Elke Fröhlich, Band 9, München u.a. 1993, ISBN 3-598-22305-6, S. 324 (21. August 1943).
  5. Stephan Lehnstaedt: „Das Reichsministerium des Inneren unter Heinrich Himmler“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 54(2006), ISSN 0042-5702, S. 642.
  6. Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, Liste der auszusondernden Literatur
  7. Gerd Ueberschär (Hrsg.): Der Nationalsozialismus vor Gericht. FiTb 13589 Frankfurt/M 2000, ISBN 3-596-13589-3, S. 192.
  8. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 612.
  9. Wilhelm Stuckart auf www.olokaustos.org

Literatur

  • Peter Schöttler: Eine Art „Generalplan West“ : Die Stuckart-Denkschrift vom 14. Juni 1940 und die Planungen für eine neue deutsch-französische Grenze im Zweiten Weltkrieg. In: Sozial.Geschichte, N.F. 18, Nr. 3, 2003, ISSN 1660-2870, S. 83-131 [mit Edition S. 110-131]
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer, Frankfurt am Main 2007. ISBN 978-3-596-16048-8. (Aktualisierte 2. Auflage)
  • Hermann Weiß (Hrsg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, Fischer-Verlag, Frankfurt am Main, 1998, ISBN 3-10-091052-4

Weblinks


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