Theodor von der Pfordten

Theodor von der Pfordten

Theodor von der Pfordten (* 14. Mai 1873 in Bayreuth; † 9. November 1923 in München) war ein deutscher Oberlandesgerichtsrat am Bayerischen Obersten Landesgericht. Als einer der Teilnehmer am Hitlerputsch, der vor der Feldherrnhalle tödlich verletzt wurde, wurde er durch die NS-Propaganda in der Folge als politischer Märtyrer („Blutzeuge“) dargestellt.

Leben und Wirken

Vor seiner Tätigkeit als Oberlandesgerichtsrat war Pfordten von 1904 bis 1919 im bayerischen Justizministerium beschäftigt[1] und gehörte zu den näheren Bekannten des späteren Reichsjustizministers Franz Gürtner seit dessen Tagen im Maximilianeum.[2] Er war außerdem Herausgeber der Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern (ISSN 0936-6202). Daneben veröffentlichte er Artikel zu verschiedenen Themen, so „Das Beamtenideal bei Plato und seine Bedeutung für die Gegenwart“,[3] „Aufruf an die Gebildeten deutschen Blutes“[4] und „Der weltgeschichtliche Sinn der völkischen Bewegung“.[5]

Im Oktober 1923 hatte Pfordten an einem Gutachten mitgewirkt, in dem die Ansicht vertreten wurde, dass § 22 des Reichspressegesetzes nicht auf Veröffentlichungen in ausländischen Zeitungen Anwendung finden würde und somit im Fall Fechenbach nicht von einer Verjährung der Tat ausgegangen werden könne.[6][7]

Eigentlich Deutschnationaler, unterstützte Pfordten bereits früh die NSDAP, allerdings vornehmlich nicht in der Öffentlichkeit.[8] Am Abend des 6. Novembers 1923 hatte er zusammen mit Max Erwin von Scheubner-Richter und Adolf Hitler an einer Besprechung zum bevorstehenden Putsch teilgenommen.[9]

Nachdem Pfordten beim gescheiterten Putschversuch durch einen Schuss getötet worden war, fand man in seiner Manteltasche eine „Notverfassung“,[10] die anscheinend als provisorische Reichsverfassung der von Adolf Hitler und Erich Ludendorff geplanten „Nationalen Diktatur“ gedacht war. Es handelte sich dabei vermutlich um eine Variante eines ursprünglich von Heinrich Claß verfassten oder in seinem Umfeld (Alldeutscher Verband u.a.) entstandenen Schriftstücks, die vom Bund Wiking verfasst worden und in ihrer vorliegenden Form noch um eine Standgerichtsordnung ergänzt worden war.[11] Pfordten war an ihrer Ausarbeitung in seinem Büro am Lenbachplatz zusammen mit unter anderen Hitler und Karl Alexander von Müller (sowie, nach dessen Erinnerungen Gottfried Feder und Karl August Fischer[12]) im Sommer 1923 beteiligt. Maßgeblich für die Ausarbeitung soll damals das 25-Punkte-Programm der NSDAP gewesen sein.[13]

Die „Notverfassung“ ging allerdings in wesentlichen Teilen radikal über das NSDAP-Parteiprogramm hinaus. Neben der Auflösung aller parlamentarischen Körperschaften, dem Verbot von Streikaktivitäten, der Entlassung jüdischer Beamter, der Erlaubnis zur Einziehung jüdischen Vermögens sowie der Anweisung, „sicherheitsgefährliche Personen und unnütze Esser“ in Sammellager oder zu Zwangsarbeiten zu überführen, drohten nahezu alle Paragraphen mit der (durch Standgerichte zu verhängenden) Todesstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung.

Bei dem späteren Hitler-Prozess wurde die „Notverfassung“ nicht herangezogen. Die Öffentlichkeit erfuhr erst 1926 von ihrer Existenz, nachdem der Jungdeutsche Orden Hinweise auf Umsturzpläne durch Claß gegeben hatte und Otto Braun diesen daraufhin verhaften ließ. Bei einer Hausdurchsuchung bei Claß stieß man dabei auf eine Version der „Notverfassung“.[14] Der Braunschweiger Volksfreund nannte es 1927 das „blutrünstigste Dokument, das die politische Geschichte überhaupt kennt“.[15]

Werner Best kannte vermutlich Pfordtens „Notverfassung“; seine geplanten Notverordnungen in den „Boxheimer Dokumenten“ weisen viele Parallelen zu Pfordtens Dokument auf. Als die „Boxheimer Dokumente“ in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, war die „Notverfassung“ wieder weitestgehend in Vergessenheit geraten.[16]

Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ wurde Pfordtens Leichnam in einem der „Ehrentempel“ am Münchner Königsplatz in einem bronzenen Sarg beigesetzt. Im Deutschen Reich wurden mehrere Straßen nach ihm benannt, so in Bayreuth,[17] Düsseldorf,[18][19] Dresden[20] und Danzig.[21][22]. Im Musikviertel von Leipzig hieß eine Straße nahe dem Reichsgericht von 1933–1945 Von-der-Pfordten-Straße, die vordem und nachher wieder den Namen des erster Präsidenten des Reichsgerichts Martin Eduard von Simson trug.[23]

Der 1933 postum erschienene Sammelband Theodor von der Pfordten an die deutsche Nation, der mit einer Einleitung von Hans Frank versehen war und fünf Aufsätze Pfordtens beinhaltete, wurde 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[24]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Susanne Meinl: „‚Das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen der in Deutschland aufhältlichen Angehörigen des jüdischen Volkstums ist beschlagnahmt‘ Antisemitische Wirtschaftspropaganda und völkische Diktaturpläne in den ersten Jahren der Weimarer Republik“, in: Irmtrud Wojak und Peter Hayes (Hg.): "Arisierung" im Nationalsozialismus: Volksgemeinschaft, Raub und Gedächtnis. Campus-Verlag, Frankfurt/Main & New York 2000, S. 51. ISBN 3-593-36494-8.
  2. Lothar Gruchmann: Justiz im Dritten Reich 1933 - 1940: Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner. 3., verb. Aufl. Oldenbourg, München 2001, S. 12, 21. ISBN 3-486-53833-0.
  3. In: Annalen des Deutschen Reichs fur Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 1920, S. 245-269. Der Artikel wird kurz besprochen bei R. F. Alfred Hoernlé: „Would Plato Have Approved of the National-Socialist State?“, in: Philosophy, Vol. 13, No. 50, (Apr., 1938), S. 178.
  4. Völkischer Beobachter, Nr. 147 vom 27. Juli 1923.
  5. Heimatland. Vaterländisches Wochenblatt. F. 46 vom 10. November 1923, S. 3.
  6. Lothar Gruchmann (Hg.): Der Hitler-Prozess 1924 : Wortlaut der Hauptverhandlung vor dem Volksgericht München I. Teil 1., 1. - 4. Verhandlungstag. Saur, München 1997, S. XXXIX. ISBN 3-598-11317-X.
  7. Gruchmann 2001, S. 28.
  8. Meinl in Wojak und Hayes 2000, S. 44.
  9. Gruchmann 1997, S. LXIV.
  10. Der komplette Text, zusammen mit einem Auszug der Alldeutschen Variante, findet sich bei Hanns Hubert Hofmann: Der Hitlerputsch : Krisenjahre deutscher Geschichte 1920–1924. Nymphenburger Verlagshandlung, München 1961, S. 284-294. Zu Hofmanns Bewertung vgl. Kurt Gossweiler: Kapital, Reichswehr und NSDAP 1919-1924. Pahl-Rugenstein, Köln 1982, S. 502.
  11. Meinl in Wojak und Hayes 2000, S. 42-44.
  12. Karl Alexander von Müller: Im Wandel einer Welt. Erinnerungen. Band 3 (1919-1932), München 1966, S. 152.
  13. Meinl in Wojak und Hayes 2000, S. 43ff.
  14. Meinl in Wojak und Hayes 2000, S. 45.
  15. „Reichsdiktator Ludendorff: Blutrünstige Pläne der Putschisten von 1923“, Volksfreund vom 17. Dezember 1927.
  16. Meinl in Wojak und Hayes 2000, S. 46, 51.
  17. http://www.barnick.de/bt/histstrnamen.htm
  18. http://www.fotoerbe.de/bestandanzeige.php?bestnr=2603
  19. http://schaffendesvolk.sellerie.de/sites/zHausliste.html
  20. http://www.dresdner-stadtteile.de/Sudwest/Lobtau/Strassen_Lobtau/strassen_lobtau.html
  21. http://www.narodowa.pl/Ksiazki/21/zd1.htm
  22. http://sabaoth.infoserve.pl/danzig-online/nazwy/ulice.html
  23. Vgl. Lexikon Leipziger Straßennamen. Hrsg. vom Stadtarchiv Leipzig, Verlag im Wissenschaftszentrum Leipzig, 1995, ISBN 3-930433-09-5, S. 199
  24. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-p.html

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