- Theophil Wurm
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Theophil Wurm (* 7. Dezember 1868 in Basel; † 28. Januar 1953 in Stuttgart) war evangelischer Pfarrer und von 1929 bis 1948 Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.
Inhaltsverzeichnis
Pfarrer, Dekan, Abgeordneter
Theophil Wurm war seit 1899 Pfarrer bei der Evangelischen Gesellschaft und der Stadtmission in Stuttgart. Ab 1901 war er deren geschäftsführender Sekretär an der Stiftskirche in Tübingen. Ab 1913 war er als Pfarrer in Ravensburg, ab 1920 als Dekan in Reutlingen tätig. Politisch war Wurm zu Beginn der Weimarer Republik für die nationalkonservative Württembergische Bürgerpartei (der regionale Ableger der DNVP) aktiv, hier wurde er in den Stuttgarter Landtag gewählt.
Prälat, Kirchenpräsident, Landesbischof
1927 wurde Wurm Prälat (Regionalbischof) in Heilbronn, 1929 Kirchenpräsident der württembergischen Landeskirche. 1933 wurde dieses leitende Amt in der württembergischen Kirche in Landesbischof umbenannt.
Bei der Vereinigung der deutschen Landeskirchen in eine Reichskirche unterstützte Wurm den deutschchristlichen Pfarrer Ludwig Müller für das Amt des Reichsbischofs gegenüber dem von dem Pfarrernotbund bevorzugten Friedrich von Bodelschwingh.[1] Diese anfängliche Unterstützung des von der NSDAP gewünschten Kurses wandte sich jedoch in Protest um, als die Gleichschaltung sich nicht nur innerhalb der preußischen Landeskirche, sondern auch auf die württembergische Landeskirche erstreckte. Theophil Wurm hielt am 22. April 1934 den Gottesdienst im Ulmer Münster, nach welchem der Widerstand der Bekennenden Kirche seinen Anfang nahm. Diese Auseinandersetzung zwischen Flügeln der Kirche wird auch als Kirchenkampf bezeichnet
Einer weitergehenden Eingliederung der von ihm geleiteten württembergischen Landeskirche in die Reichskirche widersetzte er sich 1934 zunächst erfolgreich. Im Oktober 1934 wurde gegen Wurm eine Schutzhaft in mildester Form, eine Art Hausarrest verhängt, ein Kommissar wurde als sein Vertreter eingesetzt und zahlreiche Oberkirchenräte, Prälaten, Dekane und Pfarrer suspendiert. Der Großteil der Kirchenglieder hielt jedoch zum Landesbischof und zeigte das auch in Form zahlreicher Versammlungen und Demonstrationen. Schließlich wurde vom Landgericht entschieden, dass die Kirchenleitung und damit der Landesbischof wieder in alle seine Rechte einzusetzen sei, Wurm blieb Bischof.
Während fast alle evangelischen Landeskirchen 1933/34 Bischöfe der Nazi-freundlichen Deutschen Christen erhielten, blieben Württemberg, Bayern und Hannover von dieser Herrschaft verschont. Diese drei Landeskirchen galten deshalb als „intakt“. In den „zerstörten“ Landeskirchen bildeten sich Bruderräte der Bekennenden Kirchen auf Grund des „Barmer Bekenntnisses“. An dieser unterschiedlichen Entwicklung zerbrach nach 1936 die innere Einheit der Deutschen Evangelischen Kirche.
1937 gehörte er zu denen, die „Die Erklärung der 96 evangelischen Kirchenführer gegen Alfred Rosenberg“ wegen dessen Schrift „Protestantische Rompilger“ unterzeichneten.[2]
Im Juli 1940 protestierte Landesbischof Wurm als erster deutscher Bischof gegen das sogenannte Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten. In seinem Protestschreiben an Reichsinnenminister Frick vom 19. Juli 1940 hält Wurm es für seine „Pflicht, die Reichsregierung darauf aufmerksam zu machen, daß in unserm kleinen Lande diese Sache (das Euthanasieprogramm) ganz großes Aufsehen erregt“[3] und schließt seinen Mahn-Brief mit den biblischen Worten „Dixi et salvavi animam meam“[4] (Ich sage dies zur Rettung meiner Seele). 1943 protestierte er öffentlich gegen die Judenverfolgung. Einige Jahre zuvor hatte er sich noch ‚gemäßigt-antisemitisch‘[5] geäußert, was große Auseinandersetzungen innerhalb der Landeskirche zur Folge hatte: „Ich bestreite mit keinem Wort dem Staat das Recht, das Judentum als ein gefährliches Element zu bekämpfen. Ich habe von Jugend auf das Urteil von Männern wie Heinrich von Treitschke und Adolf Stöcker über die zersetzende Wirkung des Judentums auf religiösem, sittlichem, literarischem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet für zutreffend gehalten.“[6] (Schreiben Wurms an Reichsjustizminister Gürtner vom 6. Dezember 1938, aus Anlass der Pogrom-Nacht im November). Ab 1940 kam er immer deutlicher von seiner bisherigen Kompromisshaltung ab und näherte sich den radikaleren Flügeln der Bekennenden Kirche, er hielt auch zur Widerstandsgruppe des „Kreisauer Kreises“ Kontakt. 1944 wurde er aufgrund seiner Proteste mit einem Schreib- und Redeverbot belegt. Sein Ende 1941 gegründetes "Kirchliches Einigungswerk" bildete nach 1945 einen wichtigen Grundstock für den Aufbau der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Erster Ratsvorsitzender der EKD
Nach dem Krieg war Wurm 1945 einer der Mitunterzeichner des Stuttgarter Schuldbekenntnisses, in dem die evangelische Kirche ihr Versagen im Dritten Reich eingestand und damit eine Brücke zu den Kirchen der Kriegsgegner baute. Auf der Basis dieses Bekennisses wurde später die weltweite ökumenische Zusammenarbeit möglich. Nach den Erfahrungen des Dritten Reiches kämpfte Wurm nun für den Zusammenschluss der unterschiedlichen evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Im August 1945 gelang die Gründung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auf der „Kirchenführerkonferenz“ in Treysa (heute ein Ortsteil von Schwalmstadt). Zudem sorgte Wurm dafür, dass evangelische Akademiker und Verantwortungsträger aus dem Bereich der Wirtschaft in den Aufbau demokratischer Strukturen der Nachkriegszeit eingebunden wurden: So lud er zum 29. September 1945 auf Initiative von Pfarrer Dr. Eberhard Müller zu „Tagen der Besinnung“ nach Bad Boll ein und gründete damit die erste kirchliche Akademie in Mitteleuropa, die Evangelische Akademie Bad Boll.
Bis 1949 war Theophil Wurm Ratsvorsitzender der EKD und maßgeblich an deren Verfassungsgebung beteiligt.
Wurm protestierte gegenüber den Siegermächten gegen die Härte der Entnazifizierung. In Briefen an die Hauptankläger der Nürnberger Prozesse wandte er sich gegen die angebliche Anwendung von „verbrecherischen Methoden und abscheulichen Quälereien“ zur Erpressung von Aussagen und Geständnissen. Er war im Gründungsvorstand der Stillen Hilfe, eines 1951 gegründeten Vereins unter der Leitung von Helene Elisabeth Prinzessin von Isenburg, der publizistisch, juristisch und materiell flüchtige, inhaftierte und verurteilte NS-Täter unterstützte.
Im Alter von 80 Jahren trat Theophil Wurm im Jahre 1949 von seinen Ämtern zurück, blieb jedoch bis zu seinem Tod in der Kirche aktiv.
Wurm war Mitglied der Tübinger Studentenverbindung Luginsland.
Auszeichnungen
Literatur
- Frank Raberg: Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten 1815–1933. Kohlhammer, Stuttgart 2001, ISBN 3-17-016604-2, S. 1056.
- Jörg Thierfelder: Das kirchliche Einigungswerk des württembergischen Landesbischofs Theophil Wurm. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1975 (Digitalisat)
- Theophil Wurm: Erinnerungen aus meinem Leben. Quell Verlag, Stuttgart 1953.
Einzelnachweise
- ↑ Klaus Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 1, S. 419
- ↑ Ökumenisches Jahrbuch, hrsg. von Friedrich Siegmund-Schultze, Max Niehans Verlag, Zürich 1939
- ↑ Evangelische Dokumente zur Ermordung der ‚unheilbar Kranken‘ unter nationalsozialistischer Herrschaft in den Jahren 1939-1945. Hrsg. von Hans Christoph von Hase. Evangelisches Verlagswerk Stuttgart. Stuttgart 1964, S. 9-13.
- ↑ Hesekiel 3, 19
- ↑ http://www.heiligenlexikon.de/BiographienT/Theophil_Wurm.html
- ↑ http://www.ekd.de/vortraege/kock/030126_kock_theophil_wurm.html
Weblinks
- Literatur von und über Theophil Wurm im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
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